Arnold Odermatt trat mit 23 Jahren in den Polizeidienst ein und wurde 1990 als Chef der Verkehrspolizei pensioniert. Während dieser Zeit entstanden unzählige Fotografien. Tatorte und Sachschäden hielt Odermatt in reduzierter Art und Weise fest: Die Opfer sind abtransportiert, Blut ist nie zu sehen. Die verbeulten Autos erzählen Geschichten, die noch heute berühren.
Eines seiner bekanntesten Bilder zeigt einen VW-Käfer, der 1965 in Buochs NW von der Strasse abgekommen und im Vierwaldstättersee gelandet ist.
Auch nach der Pensionierung fotografierte der leidenschaftliche Autodidakt weiter. Auch privat fotografierte er in seiner Heimat Nidwalden. Seilbahnen etwa, oder Bäume. Arnold Odermatt ist 2021 in Stans gestorben, aber seine Bilder bleiben als wertvolle Zeitzeugen erhalten.
Auf dem Dachboden gefunden
Dass die Fotos an die Öffentlichkeit gelangten, ist seinem Sohn Urs Odermatt zu verdanken. 60'000 Negative lagerten in Archivschachteln auf dem Estrich, bis Urs Odermatt, Regisseur und Autor, die Bilder auf dem elterlichen Dachboden entdeckte.
Er recherchierte für seinen Spielfilm «Wachtmeister Zumbühl» (1994), der in den 60er-Jahren spielte. Die Fotos sollten den Sohn inspirieren, doch ihre Wirkung war stärker, und so nahm eine Erfolgsgeschichte ihren Anfang.
«Der Fund hat mein Drehbuch verändert. Viele Fotos sind im Film zu sehen. Ohne ‹Wachtmeister Zumbühl› wäre das Werk auf dem Dachboden vermodert und bei seinem Tod unerkannt entsorgt worden», erzählt Urs Odermatt.
Über Nacht zum Star
Urs Odermatt gab mehrere Fotobücher heraus, die in der Kunstwelt für Aufsehen sorgten. Zu sehen sind darin Bilder von Unfällen, Autowracks, die wie surreale Schrottskulpturen in den Himmel ragen. Tragödien, die zeigen, wie schnell plötzlich alles ganz anders sein kann. Es sind durchkomponierte Bilder von hoher Intensität.
Auch der Kurator Harald Szeemann sah Odermatts Bilder, und war begeistert. Er stellte sie an der 49. Biennale 2001 in Venedig aus. Aus dem bescheidenen Dorfpolizisten wird so ein Star der internationalen Fotokunst.
Es gab kein Geld – Kodak war teuer
Arnold Odermatt setzte den Arbeitsalltag der Nidwaldner Polizei gekonnt in Szene: Mit attraktiven Alltagsbildern und schneidigen Polizisten warb er für den Beruf. Auch seine Familie und sich selber fotografierte er immer wieder. Die ganze Familie wurde herausgeputzt und musste dem Vater Modell stehen.
Das Geld war in den 50er-Jahren knapp. Urs Odermatt sagt: «Kodak war teuer. Es gab kein Geld, und ein Foto pro Motiv musste reichen. Selbstverständlich musste es perfekt sein. Die Familie sollte und wollte lächeln – mit schmerzenden Knochen und zittrigen Beinen. Nach endlosem Warten war die Stimmung im Eimer, das sollte bloss keiner merken. Wir waren schliesslich die Familie des Dorfpolizisten. Also: Zähne zusammenbeissen und lächeln. Länger. Moment, die Schärfe. Lächeln.»

In den vergangenen Jahrzehnten sind viele Fotobücher herausgekommen, und es gab über 100 Ausstellungen mit Arnold Odermatts Fotos. Die eindrücklichen Bilder lassen die 50er- und 60er-Jahre wieder aufleben und zeigen eine Schweiz, die uns irgendwie vertraut ist und dennoch unbekannt.
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