So wie Tennis scheint Golf kein Sympathenspiel. Seit Donald Trump die Nachrichten dominiert, hat sich das Image des Sports vermutlich auch nicht verbessert – obwohl, Hand aufs Herz, der Golf spielende Trump vielleicht der authentischste ist: immer noch ein schlechter Verlierer, aber immerhin keine Kunstfigur. Doch Golf, so hat es einer von Trumps Vorgängern gesagt, mache selbst aus schlechten wunderschöne Tage, was vielleicht erklärt, warum es für Pryce Cahill, den Helden der neuen Golf-Serie „Stick“, nur noch ziemlich miese Tage gibt.

Die Schlägertasche hat Pryce, genannt Stick, nämlich schon lange in die Ecke gestellt. Von seiner glorreichen Vergangenheit als Profi-Golfer künden nur noch die Cover vergilbter Sportmagazine und ein paar Trophäen, in denen er unter anderem seine Haschpfeife verwahrt. Der legendäre Meltdown auf dem Platz, der ihn die Karriere gekostet hat, ist hingegen weit zeitgemäßer dokumentiert: nicht auf ollem Papier, sondern auf YouTube, wo ihn jeder jederzeit anschauen kann. Pryces Spiel des Lebens hat sich, alles in allem, als Bogey entpuppt – der wunderbare Owen Wilson hat diese Art Rolle schon mehrfach gespielt: in großen Filmen (Wes Andersons „Darjeeling Limited“) oder eher kleinen („Prakti.com“ mit Vince Vaughn).

Über Stick alias Pryce ist, mit einem Wort, die Zeit hinweg. Wenn er puttet, dann nur noch in einer Bar in Gläser, Geld hat er so wenig wie Aussicht darauf, und das Haus, das er weniger bewohnt als belagert, ist das zugerümpelte Museum seiner besseren Vergangenheit. Dass seine Ex (Judy Greer) es nun verkaufen will, ist allerdings nicht der letzte Nagel zum Sarg, Stick – das gehört fest zur Owen-Wilson-Dauerrolle – ist ein Mann, der trotz allem noch an Chancen glaubt. In diesem Fall zuallererst an die eines sehr jungen Mannes namens Santi (Peter Dager), der auf dem Golfplatz verbotenerweise 300-Yards-Abschläge drischt. Ein Naturtalent! Ein Lottogewinn! Und genau die Sorte Eleve, die ein heruntergerockter Trainer braucht.

Driving Range mit Wohnmobil

Es kommt, wie es kommen muss in den insgesamt zehn Episoden von „Stick“, einer Apple-Serie, die weniger durch Originalität als durch Verlässlichkeit besticht: Der Junge will nicht golfen (oder doch), Stick fehlt das nötige Geld, um die Sache anzuschieben (oder doch nicht), sein alter Caddy (Marc Maron) bockt (aber lässt sich schließlich überreden). Zwei Folgen lang nimmt das Stick/Sunti-Team Anlauf, um endlich in einem denkwürdigen Wohnmobil von Turnier zu Turnier auf Tour zu gehen, denn ein Roadmovie ist diese Serie auch. (Wie jeder Sport hat Golf seine eigene Sprache, „Driving Range“ etwa kann man durchaus doppelt verstehen.)

Und wie jede gut gemachte Serie hat „Stick“ auch mehr als ein Thema, obwohl (oder gerade weil) Showrunner Jason Keller auf komplizierte Nebenhandlungen verzichtet. Während die Underdogs auf Tour sind, um als Verlierer des Lebens ein Spiel für Lebensgewinner zu spielen, loten die Dialoge die Generationenkluft zwischen Gen X (Stick) und Gen Z (Santi) aus (Handys, Work-Life-Balance und dieses vermaledeite YouTube-Video). Und wenn Sunti einer seiner wahrhaft übermenschlichen Schläge mal nicht gelingt, geht es nicht nur um Frustrationstoleranz, sondern auch um die Frage, was einen Sportler zu einem Guten macht. Noch viel mehr Platz aber ist für das Schlechte im Leben, das nun mal so gar kein Fairway ist. „Stick“ weiß von kaputten Ehen, verlorenen Kindern, vermissten Vätern zu erzählen und kennt jede Menge Gründe zu verzweifeln.

Doch genau das tut Owen Wilson als Stick eben gerade nicht. An sich selbst mag er zweifeln, an seinen Mitmenschen jedoch nicht, und weil diese Serie ein echtes Stück Mutmachfernsehen ist, gibt das Drehbuch ihm auch noch recht, indem es auf echte Schurken verzichtet: Nicht mal Sticks ärgster Rivale von damals darf wirklich einer sein. Das mag so blauäugig sein wie die Oberteile, die Stick so hartnäckig trägt, aber wer schlecht drauf kommen will, schaltet ja ohnehin eher einen dieser Scandi-Krimis in Brauntönen ein. „Stick“ weiß viel über die Bogeys des Lebens, aber noch besser weiß diese Serie, dass es ein Birdie ist, am Leben zu sein.

„Stick“ ist auf AppleTV+ zu sehen. Die ersten drei Episoden stehen seit dem 4. Juni bereit. Ab dem 11. Juni geht es bis zum 23. Juli in wöchentlicher Folge weiter.

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