Die 90er- und 2000er-Jahre waren üble Jahrzehnte für Frauen: Size Zero, Nervenzusammenbrüche von Promis, Fotos unter den Rock. Schonungslos wurden Frauen medial angegangen. Sophie Gilbert durchkämmt in ihrem Buch «Girl vs. Girl» die letzten 30 Jahre Popkultur. Vier Beispiele, die unseren Blick auf Frauen geprägt haben.

Musik: Seid jung und sexy!

Legende: Ursprünglich für TLC gedacht, aber die wollten nicht. «Baby one more time» machte Spears gross. Vevo / Britney Spears

Die 16-jährige Britney Spears im bauchfreien Schulmädchen-Outfit, mit Zöpfchen und verträumten Blick. Das Video zu «Baby One More Time» zementierte 1998 das neu entstehende Popstarmodell der «sexy Teenagerin», schreibt Sophie Gilbert. Eigentlich ein bereits abgedroschenes Pornomotiv. Im Popbusiness regnete es Teenager – junge Menschen, mit denen Manager alles machen konnten.

Gleiches Outfit, andere Nationalität: das russische Pop-Duo T.a.T.u. Erschaffen von einem Musikproduzenten «mit Pornofixierung», so Gilbert.

Legende: Julija Wolkowa und Jelena Katina als lesbisches Paar – alles Marketingstrategie. Getty Images / Christopher Polk

In den 90er- und 2000er-Jahren propagierte die Popkultur eine «empowerte» weibliche Sexualität. Aber Frauen sollten vor allem fürs männliche Auge sexy sein.

Mode: Gebt mehr preis!

Legende: «Wir hatten einfach nur Spass», sagte die Stylistin des damaligen Shootings. NICK LOGAN/THE FACE ARCHIVE

Wie viel Entscheidungsfreiheit hatten berühmte Frauen darüber, wie viel sie zeigen wollten? Nicht viel, sagt Sophie Gilbert. Das zeigt sich auch in der Mode.

Sinnbild dafür sind zwei Coverfotos von Kate Moss. Fotografin Corinne Day machte Moss mit ihrem Cover für «The Face» gross. Gerade mal 16-jährig rennt sie oben ohne aus dem Meer. Kate Moss sagte später dazu, sie sei von der Fotografin zum Ausziehen gedrängt worden. Sie würde sie sonst nicht mehr buchen. Moss weinte, war unsicher wegen ihres Körpers – aber machte mit. Zwei Jahre später, andere Marke, dasselbe Szenario.

Kate Moss, 17-jährig, nur in Jeans und Unterhose sitzt rittlings auf Mark Wahlberg, damals als Proll-Rapper Marky Mark unterwegs. Sie sind die Gesichter von Calvin Klein. Sie habe sich «verwundbar und ängstlich» gefühlt. Wohl genau das «liebte Calvin an mir», zitiert Gilbert Kate Moss.

Film: Erlöst Männer!

Legende: Jim ist in «American Pie» der Nerd, der eine sexuelle Blamage nach der anderen erlebt. imago images / United Archives

In den 90er-Jahren feierte Hollywood Teenager-Sex-Komödien à la «American Pie». Der Plot ist einfach: Jim, Oz, Kevin und Finch sind High School-Freunde. Sie haben ein einziges Ziel: die für sie erbärmliche Jungfräulichkeit verlieren. Sie schliessen einen Pakt. Sex bis zum Abschlussball, sonst sterben. «Wir sehen nicht dabei zu, wie uns das Schicksal zum Zölibat verdammt. Wir beugen uns nicht. Wir werden siegen. Wir werden vögeln!», grölt Kevin.

Gatekeeper? Die Girls. Sie stehen zwischen dem Helden und dem glorreichen Ziel, so das Narrativ. Ein Anspruchsdenken verfestigt in der Popkultur. Komödien stellten Sex als etwas dar, zu dem man Mädchen mit Tricks bekommen musste. Woran erinnert’s? An die heute breit diskutierte «Incel»-Kultur im Netz, «unfreiwillig enthaltsame» Männer.

TV: Optimiert euch!

Legende: Heidi Klum mit ihren «Mädchen» der zweiten Staffel GNTM. Siegerin war Barbara Meier (2.v.l) IMAGO / T-F-Foto

In den 2000er-Jahren gab es im amerikanischen Fernsehen hunderte Reality-TV-Umstyling-Shows. Im Fokus: der weibliche Körper. Der Wahn der Selbstoptimierung begann. Die Ästhetik: gebräunt, straff, homogen. Zu sehen in Modelshows, etwa 2003 mit «America’s Next Topmodel». Drei Jahre später castete Heidi Klum in Deutschland ihre «Mädchen».

Mehr als zuvor sollte das Äussere das Innere widerspiegeln – alles war verbesserbar. Das ging einher mit dem Hype um Schönheitsoperationen. Die Message war: Dein Körper ist deine Quelle für Status und Macht.

Und heute?

Sophie Gilbert hofft. «Wenn wir verstehen, wie Frauen in der jüngeren Vergangenheit herabgewürdigt wurden» könnten wir das heute entschärfen und besser machen. Mal sehen.

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