Sie sind ein Sexist, ein frauenfeindlicher Dinosaurier, ein Relikt des Kalten Krieges. Mit Ihrem jungenhaften Charme werden Sie bei mir nichts erreichen.
Autor: M In «Goldeneye» (1995)

Und plötzlich wehte ein anderer Wind in der Chefetage des MI6. In «Goldeneye» musste James Bond erstmals bei einer Frau zum Rapport antraben – und M, gespielt von Judi Dench, wusch dem Mann mit der «Lizenz zum Flirten» den Kopf. Der nahms zur Kenntnis. Über 50 Bond-Girls gab es mittlerweile, mehr als die Hälfte von ihnen starb.

Legende: Judi Dench verkörperte zwanzig Jahre die MI6-Chefin – mit bissigem Witz und einer No-Nonsense-Attitüde. Image/United Archives

Wie viel Fiktion und Wirklichkeit beim britischen Geheimdienst miteinander zu tun haben, ist nicht überliefert. Der MI6 ist eine Dunkelkammer, aus der kaum etwas nach aussen dringt: Wer für den legendären Nachrichtendienst spioniert, ist ein Staatsgeheimnis.

Frau mit Fronterfahrung

Transparenz gibt es nur auf dem Chefposten. Und dort tut sich dreissig Jahre nach «Goldeneye» Historisches: Mit Blaise Metreweli ist erstmals eine Frau an der Spitze des britischen Auslandsnachrichtendienstes befördert worden.

Die 47-jährige Karriere-Geheimdienstlerin leitete zuletzt die Abteilung für Technologie und Innovation beim MI6 – und war damit das reale Pendant zu Q, der James Bond in den Filmen mit Gadgets eindeckt.

Legende: Metreweli hat an der Cambridge University Anthropologie studiert und ist seit 25 Jahren beim britischen Geheimdienst. Den grössten Teil ihrer Laufbahn soll sie in verschiedenen Funktionen im Nahen Osten und in Europa verbracht haben. Keystone/EPA/Handout

«Sie soll fliessend Arabisch sprechen und Erfahrung mit Frontoperationen haben», berichtet SRF-Korrespondent Patrik Wülser aus London. «Sie ist eine erfahrene und bestens qualifizierte Person. Insider waren deswegen nicht überrascht, als Premierminister Keir Starmer ihre Ernennung bekannt gegeben hat.»

Starmer sprach auf dem Weg zum G-7-Gipfel in Kanada von einer «historischen Besetzung» – und das «in einer Zeit, in der die Arbeit unserer Geheimdienste wichtiger denn je ist».

Britinnen und Briten sind mit starken Frauen in exponierten Positionen durchaus vertraut – egal ob es ‹Eiserne Ladies› an der Downing Street oder Königinnen im Buckingham Palace sind.
Autor: Patrik Wülser SRF-Korrespondent in London

Aus Q wird nun also M. Wobei M im Jargon des echten MI6 C heisst. Den Posten bekleidete zuvor Richard Moore. «Der Oxford-Absolvent und frühere Diplomat verkörperte den Bond-Schimmel wie kein anderer», schreibt die Nachrichtenagentur AP. In den letzten Jahren setzte er sich allerdings zum Ziel, für mehr Diversität zu sorgen: Weg von den Seilschaften an den Eliteunis, hin zu einem echten Abbild der britischen Gesellschaft.

Legende: «Ich werde dabei helfen, dass ich der letzte C bin, der von einer rein männlichen Shortlist ausgewählt wurde», erklärte Richard Moore 2023 auf X. Getty Images/PA Images/Stefan Rousseau

Dass nun eine Frau die «Glasdecke beim MI6» durchschlagen hat, wie britische Medien berichten, temperiert der SRF-Korrespondent herunter: Schliesslich sei der Schwesterdienst MI5 schon zwei Mal von einer Frau geführt worden.

«Man hat sich wohl schlicht für die bestqualifizierte Person entschieden», so Wülser. «Zudem sind die Britinnen und Briten mit starken Frauen in exponierten Positionen durchaus vertraut – egal ob es ‹Eiserne Ladies› an der Downing Street oder Königinnen im Buckingham Palace sind.»

Die Realität als Agenten-Thriller

C übernimmt einen Posten mit enormer Verantwortung. So leitet Metreweli künftig einen Dienst, der das Vereinigte Königreich frühzeitig vor Terrorangriffen, Cyberattacken, Spionage und vielem mehr schützen soll.  

«Technologie ist heute gleichbedeutend mit Macht, und unsere Gegner arbeiten immer enger zusammen», sagt Aussenminister David Lammy anlässlich ihrer Ernennung. «Blaise wird dafür sorgen, dass Grossbritannien sicher bleibt und diese Herausforderungen bewältigen kann.»

Klar ist: Langweilig wird es der neuen MI6-Chefin nicht werden. Erst vor wenigen Wochen spürte die britische Marine russische Spionage-U-Boote in der Irischen See auf. Schlagzeilen machten kürzlich auch mutmasslich russische «Wegwerf-Agenten», die versuchten, Paketbomben in Frachtflugzeuge zu schleusen.

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