Galerie und Großstadt, das gehört irgendwie zusammen. New Yorks Soho mit seinen Feuertreppen und Lofts, dazwischen die schwarz gewandeten Kunstleute bei ihrem Vernissagen-Parcours. Die Art Basel im wimmelnden Messequartier. Berlin beim Gallery Weekend Anfang Mai mit Zaungästen auf Bierbänken. Michael Zink hingegen ist direkt aufs Land gegangen. Und zwar richtig und wirklich, weit weg, in die Oberpfalz. Ein wenig zurück zu den Wurzeln und doch anderswohin.

Der in Deggendorf geborene Zink hatte 1994 in Regensburg seine Galerie gegründet, die sich schnell einen Namen machte. In den Boomjahren des Kunstmarkts zog er erst nach 1999 München, dann 2007 nach Berlin. Doch dort schloss er 2016 abrupt seine Türen und brach die Zelte komplett ab. Ein Geschäftspartner wollte sich verändern, Zink aber hatte diesen Schritt eigentlich bereits vorher vollzogen. Schon seit vier Jahren wohnte er mit seiner Familie im oberpfälzischen Waldkirchen. Berlin war nur noch ein Pendlerziel.

Statt zwischen 3,9 Millionen Einwohnern lebt er zwischen 32 Seelen in sieben Häusern. Das Örtchen ist ein eigener Kirchensprengel im Bistum Eichstätt. Das Gotteshaus wirft seinen Schatten auf das Pfarrhaus, in dem Zink mit Frau und zwei Töchtern wohnt. Aus der Scheune nebenan ist der Showroom der Galerie gewachsen, ein mit Holzstäben verkleidetes Geschoss über dem historischen Feldsteinsockel, der auf der anderen Seite steil zum Hang abfällt; darüber ein breites, eine weitere Etage bereithaltendes Satteldach. Innen zeigt sich roher, fein verarbeiteter Beton, das Treppenhaus wirkt höher, als es ist.

Ein starker Kontrast zu dem Bauernidyll ringsherum, das keines ist. Auch hier im alten Agrarland herrscht Landflucht. Michael Zink setzt dem etwas entgegen. Außen, durch den sich trotz des schroffen architektonischen Kontrasts harmonisch einfügenden Bau, den das Schweizer Büro Tamara Henry und Mathieu Robitaille entworfen hat. Beide Architekten sind selbst Kunstsammler. Ein Wintergarten schafft die Verbindung zum gelb angestrichenen Pfarrhaus, auch Lager und Gastatelier gibt es.

Innen, wo Zink zwischen sieben Meter hohen Wänden kürzlich die von ihm mitproduzierten Videoarbeiten von Erkan Özgen zeigte, entfalten sich aktuell die pastellbunten Bilder- und Puppenwelten vom Duo Muntean/Rosenblum zwischen Inszenierung und Realität. Erstmals verlassen dabei die gezeichneten Geschöpfe von Markus Muntean und Adi Rosenblum ihre Bilderrahmen, und protestieren dreidimensional.

Zeitgenössische Kunst zeigt die Galerie Zink aber nicht nur in Waldkirchen, sondern auch im uralten Städtchen Berching. Zwischen der Sulz und dem Main-Donau-Kanal gelegen, wirkt es dank seiner imposanten Stadtmauer mit vier Toren und 13 Türmen viel größer als die 9000 Einwohner, die sie umschließt. Auch innerhalb des Mauerkreises findet sich viel mittelalterliche und barocke Bausubstanz.

Nur 15 Minuten sind es zur A-9-Ausfahrt Greding im Altmühltal, und doch kennt den Ort kaum jemand. Weil im Ortsteil Erasbach 1714 der zu seiner Zeit weltberühmte Komponist Christoph Willibald Gluck geboren wurde, dessen 200. Geburtstag Berching eine Aufhübschung und neuen Touristenelan bescherte, gibt es aber hier jetzt nicht nur das schmucke „Hotel Post“ samt der angeschlossenen Gluck-Kulturhalle, sondern auch ein ihm gewidmetes Museum.

Michael Zink hat sich im Ort ebenfalls eingebracht. Nachdem er zunächst mit einigen Freunden in Waldkirchen die eingeschlafene Kirchweih mit Spezialitäten und historischen Händeln wie einem Knopfmacher wiederbelebt hat, führt er mit seiner Frau Stephanie nun in Berching den historischen Engelwirt in der alten Propstei am Gredinger Tor. Der ist verteilt auf drei Häuser, zwei alte und einen Neubau. Man kann im Altbau von 1709 in drei Doppelzimmern mit historischen Stuckdecken nächtigen oder in zwölf Appartements im entkernten Nebengebäude und dem Neubau am Ende des hübschen Innenhofs.

Das Hotel ist mit ausgesucht eigenwilligen Vintage-Möbeln, Kelims, französischen Fliesen, Ingo-Maurer-Leuchten und zum Teil installativer Kunst von Matías Sánchez, Javier Calleja, Rinus Van de Velde oder Gregory Forstner ausgestattet. Herrlich ist es über die steilen knarzigen Treppen zu steigen und aus Gauben über die Dächer und Türme Berchings zu blicken. Die Zink-Künstler finden hier ein Refugium, das stylish und zugleich „griabig“ (lauschig) ist – aber auch Galeriegäste und Sammler. In den Zimmern können sie aktuell auf verstörenden Skulpturenschmuck von David Bielander stoßen: eine aufgehängte Zunge, ein Christus am Kreuz aus Pappstreifen, Krakenarme aus Bronze oder Nacktschnecken aus patiniertem Silber, die auch als Brosche getragen werden können.

Neue Pläne in Berching

Die Zinks bringen ihre besondere Hotellerie zum Blühen, bodenständig, aber mit internationalem Duft. Der Galerist streckt gleichzeitig auch seine Fühler nach Hongkong und Südkorea aus; schließlich sitzen da die solventen Sammler der Zukunft. Zu denen muss man zurzeit noch selbst reisen. Doch wer weiß, vielleicht wird für sie einmal der Engelwirt neben der Galerie in der Oberpfalz ein exotischer Ausflugsort, ein Zwischenstopp auf dem Weg von Berlin nach München, von Paris nach Basel?

Große Welt in der kleinen – als hoffentlich harmonische und den Horizont erweiternde Mischung. Manche Megagalerien – allen voran Hauser & Wirth mit ihrer gediegenen Sommerfrische im englischen Sommerset denken in die gleiche Richtung und haben mit Hotels in Schottland und London inzwischen schon Beherbergungen für Kunstaffine gegründet. Michael Zink ist währenddessen schon wieder einen Schritt weiter: Das geschlossene Kino in Berching reizt ihn. Warum nicht hier ein kleines Arthouse mit Verköstigung eröffnen?

„Muntean/Rosenblum. There Is a Silence to Fill“, bis 22. Juni 2025, Galerie Zink, Waldkirchen. „David Bielander. Nur ein Moment“, bis 27. Juli 2025, Engelwirt, Berching

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