Sie trägt ein Schweizerkreuz auf der Brust, eine kurze Hose und die Startnummer 44. Francesca Florida Pianzola lächelt, als sie im Sommer 1922 ins Pariser Stade Pershing einläuft. Hier finden die Frauen-Weltspiele statt. Tausende Zuschauerinnen und Zuschauer sind vor Ort.

Legende: Francesca Florida Pianzola holt bei den Frauen-Weltspielen 1922 Speerwurf-Gold für die Schweiz. Agence Rol/Gallica Digital Library/Wikimedia Commons

Diese sehen, wie Pianzola im beidhändigen Speerwurf brilliert. Links wie rechts wirft sie je über 20 Meter weit. Sie gewinnt als erste Schweizerin an internationalen Frauen-Weltspielen die Goldmedaille.

Training auf dem Privatgrundstück

1923 schreibt Francesca Florida Pianzola Fussballgeschichte: Sie gründet mit «Les Sportives» das erste dokumentierte Fussballerinnen-Team der Schweiz.

Legende: Am 5. Oktober 1923 verkünden «Les Sportives» in der «Tribune de Genève» ihren Zusammenschluss. La tribune de Genève

Die Spielerinnen treffen sich auf einem Privatgrundstück am Stadtrand von Genf, an der Route de Chêne 123, zum Training. Sie sind Teil der Genfer Oberschicht, Pianzola die Tochter eines reichen Geschäftsmanns aus dem Piemont.

Marianne Meier, Sporthistorikerin der Uni Bern, sagt: «Es waren privilegierte Frauen, die Freizeit zur Verfügung hatten und diese frei nutzen durften.» Freizeit ist damals knapp und wohlhabenden Schichten vorbehalten. Aufgrund ihrer sozialen Stellung hätten die Fussballerinnen von «Les Sportives» auch weniger fürchten müssen, das Gesicht zu verlieren, so Meier.

Denn Frauen, die Fussball spielen, widersprechen damals traditionellen Geschlechternormen und gelten als verpönt. In England, später auch in Deutschland, werden jahrzehntelange Verbote verhängt.

In der Schweiz gibt es zwar kein offiziell ausgesprochenes Verbot, aber viel Gegenwind. «Les Sportives» können sich nicht durchsetzen: Es gibt nach der Gründung keinen einzigen Hinweis auf Spiele gegen andere Teams. In den Medien werden sie nicht mehr erwähnt. Bereits nach kurzer Zeit ziehen sie sich vom Fussball zurück, oder spielen unbemerkt.

Vom Plädoyer zum Weltrekord

Zwei Jahre nach der «Les Sportives»-Gründung meldet sich Pianzola im Sportteil der Zeitung «Gazette de Lausanne» zu Wort. Sie schreibt ein flammendes Plädoyer für Frauensport: «Ich denke, es erübrigt sich zu sagen, dass körperliche Ertüchtigung für die Frau nicht nur nützlich, sondern unentbehrlich ist.» Der Sport lehre das Leben zu lieben und sei die Grundlage für körperliches und moralisches Gleichgewicht.

Doch leider mache der Frauensport in der Schweiz kaum Fortschritte und hinke dem Ausland hinterher, schreibt Pianzola. Die Schweiz habe noch viel Arbeit vor sich.

Legende: Für den sportlichen Erfolg musste sich Francesca Florida Pianzola nicht nur gegen die anderen Teilnehmerin durchsetzen, sondern auch gegen die gesellschaftliche Norm – die vor allem von Männern geprägt wurde. imago images/United Archives International

Im selben Jahr gelingt Pianzola ein neuer Weltrekord im Speerwerfen. Dann heiratet sie, vom aktiven Sport scheint sie sich abzuwenden.

Vergessene Pionierin

Nach «Les Sportives» ist der Frauenfussball in der Schweiz jahrzehntelang unsichtbar. Grund dafür seien die Weltwirtschaftskrise, Kriege und Widerstand aus Medizin und Verbänden gewesen, sagt die Historikerin Marianne Meier. Starre Geschlechterbilder sind damals keine Einzelmeinung, sondern gesellschaftlich dominant. Das zeigt sich etwa, als Sportärzte 1943 in Bern zum Schluss kommen, Sportwettkämpfe seien eine Bedrohung für Frauen.

Erst in den 1960er-Jahren kehrt der Schweizer Frauenfussball an Grümpelturnieren in die Öffentlichkeit zurück. 1970 entsteht die Schweizerische Damenfussballliga – 47 Jahre nach der Gründung von «Les Sportives». Francesca Florida Pianzola ist zu dieser Zeit längst eine vergessene Pionierin – ohne ein einziges Fussball-Pflichtspiel.

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