Es ist paradox: Da gibt es einen Wirtschaftszweig, der sich Kultur- und Kreativindustrie nennt. Musik, Medien, Film, Design und Kunst gleich welches Typs durchströmen die Gesellschaft wie ein warmer Wind. Über neue Künstler, deren Songs, Filme und Bücher, sprechen die Menschen, sie tanzen dazu oder sitzen wie gefesselt in ihren Kinosesseln. Der Wirkungsbereich geht hin bis zu Spielen, Architektur und zur Mode. Die Bruttowertschöpfung dieser Kreativbranchen wird auf rund 100 Milliarden Euro im Jahr geschätzt.

Gleichwohl stehen diese Branchen, spricht man mit Vertretern ihrer Interessenverbände, wirtschaftlich im Schatten. „In Teilen der Politik gibt es zu wenig Verständnis für unsere Anliegen. Wir fallen leider häufiger durchs Raster“, sagt Daniela Beaujean, die Geschäftsführerin des Privatmedien-Verbands Vaunet ist. Gemeinsam mit Florian Drücke, dem Chef des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI), steht sie aktuell dem Bündnis k3d vor. Nicht noch ein Verband, sondern eine Art Interessengemeinschaft der unterschiedlichen und zugegeben recht heterogenen kreativen Branchen, elf an der Zahl.

Der Öffentlichkeit vorgestellt wurde die Koalition der Kreativen Mitte 2021, also in der Pandemie. Die mehr als deutlich gemacht hat, dass die Zuständigkeiten des Bundeswirtschaftsministeriums einerseits, des Beauftragten der Regierung für Kultur und Medien (BKM) andererseits sowie der Bundesländer nicht so gut strukturiert und abgestimmt sind, dass im Falle einer Krise schnell und angemessen reagiert werden kann.

Florian Drücke spricht darum im Gespräch mit WELT auch von „dicken Brettern“, die gebohrt werden müssen. Die Interessen der Kreativwirtschaft müssten als Topthema auf die Agenda der Politik, sagt er. Also etwa die Regulierung von Plattformen, die Durchsetzung des Urheberrechts, und als alles umfassendes Megathema die künstliche Intelligenz.

Mit der neuen Regierung war der Kreativkoalition allerdings ein Ansprechpartner abhandengekommen. Als sich k3d gegründet hatte, ging die Suche schon einmal los, schließlich übernahm der Grünen-Politiker Michael Kellner, der damals Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium war, die Funktion. Ein Anfang, sagt Florian Drücke, doch eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für Kellner hatte die Merz-Regierung zum Start nicht ernannt.

Kulturstaatsminister ist seit Kurzem Wolfram Weimer, ein ehemaliger Journalist (u.a. WELT-Chefredakteur) und Verleger. Der mit der Forderung nach einer Abgabe für die Betreiber von Tech-Plattformen ambitioniert gestartet ist. Wobei sich an die Vorstellung des Plans unmittelbar die Frage anschließt, wie Einnahmen aus diesem neuen Topf wieder in die jeweiligen Branchen zurückfließen können.

Big Tech in die Pflicht nehmen

Die Initiative k3d begrüßt den Plan jedenfalls, sagt Daniela Beaujean: „Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat mit seinen presseöffentlichen Äußerungen sowohl ein Plädoyer für die Freiheit in der Kultur als auch eine stärkere Inanspruchnahme der Big-Tech-Plattformen abgegeben.“ Die Kultur- und Kreativwirtschaft verdiene es, sagt Beaujean, „im interministeriellen Zusammenspiel endlich als eine der wichtigsten Wirtschaftsbranchen abgebildet zu werden“.

Gefunden haben die Kreativen ihre neue Ansprechpartnerin Gitta Connemann nicht in Wolfram Weimers Reich, sondern beim Wirtschaftsministerium, bei dem sie wie ihr Vorgänger Kellner als Parlamentarische Staatssekretärin tätig ist. Die Rechtsanwältin ist seit 2002 Mitglied des Bundestags, war zwischen 2003 und 2007 Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ und ist seit Ende 2021 Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT). Entsprechend ist sie auch Mittelstandsbeauftragte der Regierung.

Ihre Bereitschaft, die Rolle einer Ansprechpartnerin (nicht Beauftragte, deren Zahl hat die Merz-Regierung reduziert) der Kreativindustrie zu übernehmen, erklärte Connemann bei der „Kulturkonferenz“ des BVMI an diesem Dienstag. Sie biete an, über Fragen von Regulierung und Deregulierung hinaus mit der Branche ins Gespräch zu kommen. Zudem sei der Austausch zwischen den Ministerien zu verbessern. Es gelte, Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zu schaffen.

Daniela Beaujean hat ebenfalls registriert, dass sich die Bundesländer zuletzt beispielsweise beim Thema Plattformregulierung bewegt haben, also tut sich auch dort etwas: „Dass die Länder diesbezüglich weiterhin engagiert bleiben, ist zu begrüßen. Noch besser ist, dass im Koalitionsvertrag Bund und Länder dahingehend gemeinsame Ziele und verschiedene Maßnahmen formuliert haben und eine Zurückhaltung gegenüber der Lobbymacht von Big-Tech-Plattformen abgelegt wird.“

Die Zeit der Zurückhaltung, da scheint man sich einig zu sein, ist vorbei. Gitta Connemann versprach bei der BVMI-Konferenz, ihr Haus stehe offen für die Anliegen der Kreativindustrie.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.