Die Modejournalistin Anna Wintour zieht sich nach fast 40 Jahren als Chefredaktorin der US-«Vogue» zurück. Mit grosser, dunklen Sonnenbrille, akkurat geschnittenem Bob, Stirnfransen und Haute-Couture-Kleid hat sie sich über die Jahre selbst zur Marke mit Wiedererkennungswert stilisiert. Welchen Einfluss Anna Wintour hatte und wie es bei der «Vogue» weitergeht, weiss die Chefredaktorin der «Annabelle», Barbara Loop.
SRF: Wofür steht die Person Anna Wintour?
Barbara Loop: Anna Wintour ist sozusagen die Hohepriesterin der Mode. Anna Wintour steht für vier Jahrzehnte als Chefin der internationalen Modeszene: Sie hat die Mode definiert über diese Jahre. Sie hat viele berühmte Designer und Designerinnen aufgebaut. Sie hat über Karrieren entschieden, konnte Leute gross machen, konnte bestimmt auch Karrieren verhindern. Anna Wintour steht aber natürlich auch für eine eiskalte, extrem disziplinierte Strategin.

Was hat Wintour in ihrer Position als Chefredaktorin von «Vogue» massgeblich beeinflusst?
Sie hat unter anderem die «Met Gala» ins Leben gerufen. Es gab immer schon einen Fundraising-Event im Costume Institute des Metropolitan Museums in New York, aber Anna Wintour hat diesen Event zu einem globalen, extrem wichtigen Ereignis gemacht. Wer dort auf dem Red Carpet auftritt und was diese Person trägt – darüber wird wochenlang geredet. In der «Vogue» war wichtig, dass sie unter anderem die Celebritys auf dem Magazincover durchgesetzt hat. Die waren vorher sporadisch da, aber ich glaube, seit den 90er-Jahren ist auf jedem US-«Vogue»-Cover ein Celebrity zu sehen.
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Der Look von Anna Wintour ist in «The Devil Wears Prada» verewigt. In dem Film geht es um eine tyrannische Magazinchefin – und Anna Wintour diente ziemlich offensichtlich als Vorlage. Wird ihr die doch recht heftige Darstellung im Film gerecht?
Ich habe leider keinen Einblick in Anna Wintours Büro, aber ich denke schon. Um ihren Job zu machen, braucht man einfach eiserne Disziplin und sehr viel Durchsetzungskraft. Ich denke, Anna Wintour ist sehr entscheidungsfreudig, und kann auch sehr harte Entscheide fällen. Sie ist bestimmt jemand, auf den man sich gefasst machen muss, wenn man mit ihr zu tun hat.
Können Sie schon abschätzen, wie eine «Vogue» ohne Anna Wintour sein wird?
Es ist ganz wichtig zu verstehen, dass Anna Wintour eigentlich nicht abgetreten ist. Man muss eher sagen, sie ist aufgestiegen. In der neuen Funktion wird sie «New Global Editorial Director» sein. Anna Wintour wird also bei Condé Nast die ganzen Titel, mit Ausnahme des «New Yorker», überblicken. Sie wird die Chefin jener Person sein, die jetzt in ihre Fussstapfen tritt. Diese Person wird dann auch nicht mehr den Titel Chefredaktor tragen, sondern «Head of Editorial Content» bei der US-«Vogue» sein.
Das ist eine Entwicklung, die auch international stattgefunden hat. Alle Chefredaktoren der «Vogue», der «Vogue Frankreich», der «Vogue UK», der «Vogue Germany» sind heute keine Chefredaktoren mehr, sondern tragen diesen Titel «Head of Editorial Content». Insofern ist diese Rochade eigentlich eine logische Entwicklung und Anna Wintour wird die US-«Vogue», wie auch die anderen «Vogues», weiterhin sehr stark prägen.
Das Gespräch führte Beatrice Kern.
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