Einen Bonus auf die Bestellung rezeptpflichtiger Medikamente - damit lockte 2012 eine niederländische Versandapotheke. Ein Verstoß gegen die Preisbindung? Nein, urteilte der BGH. Heute gelten allerdings andere Vorschriften.
Es geht um einen Fall, der schon 13 Jahre zurückliegt: Drei Euro bekamen Kunden gutgeschrieben, wenn sie bei einer niederländischen Versandapotheke ihr Rezept einlösten und ein verschreibungspflichtiges Medikament bestellten. Zugleich versprach die Versandapotheke, bei Einlösung eines Rezeptes eine Prämie von bis zu neun Euro zu zahlen, wenn der Kunde per Formular oder telefonisch an einem Arzneimittelcheck teilnahm.
Bayerischer Apothekerverband klagte
Der Bayerische Apothekerverband verklagte die Versandapotheke. Begründung: In Deutschland gebe es für verschreibungspflichtige Arzneimittel eine Preisbindung. Diese Medikamente müssten den deutschen Kunden von allen Apotheken also immer zum gleichen Preis angeboten werden - auch von solchen, die ihren Sitz im EU-Ausland haben. Deshalb seien Prämien oder Bonuszahlungen grundsätzlich unzulässig. Vor dem Oberlandesgericht München bekam der Apothekerverband zunächst Recht. Die Preisbindung, so das OLG, verstoße insbesondere nicht gegen EU-Recht.
BGH: Preisbindung nicht ausreichend begründet
Der BGH folgte dieser Rechtsauffassung nun nicht. Die früher geltende Preisbindung sei für Versandapotheken im EU-Ausland nicht anwendbar gewesen, da sie in diesem Fall gegen die von EU-Recht vorgeschriebene Warenverkehrsfreiheit verstoße. Zwar seien von dieser Grundregel Ausnahmen denkbar - etwa wenn die Preisbindung notwendig sei, um eine flächendeckende Arzneimittelversorgung zu gewährleisten. Dahinter steckt der Gedanke, dass viele Apotheken in Deutschland pleitegehen könnten, wenn sie mit niedrigeren Preisen von Online-Apotheken, die im Ausland sitzen, nicht mithalten können.
Dem Bayerischen Apothekerverband als Kläger, so der BGH, sei es aber nicht gelungen, genügend Daten vorzulegen, um solche Befürchtungen tragfähig zu untermauern. Der BGH wies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg hin. Dieser hatte schon 2016 entschieden, dass eine Preisbindung bei Arzneimitteln für ausländische Apotheken wie eine unzulässige mengenmäßige Einfuhrbeschränkung wirke. Der EuGH hatte deshalb für eine Preisbindung strenge Vorgaben gemacht.
Neue Rechtslage in Deutschland
Wichtig ist: Die gesetzliche Vorschrift zur Preisbindung, über die der Bundesgerichtshof entschieden hat, gibt es mittlerweile nicht mehr. Insofern hat der BGH über eine veraltete Rechtslage entschieden.
2020 hatte die Bundesregierung - noch unter dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn von der CDU - eine neue Regelung eingeführt, im sogenannten Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz. Seitdem gibt es mit § 129 Absatz 3 Satz 3 SGB V eine neue Vorschrift, die nun speziell für gesetzlich Krankenversicherte gilt: Ihnen müssen alle Apotheken den gleichen Preis für verschreibungspflichtige Medikamente anbieten, "unabhängig davon, ob sie diese in der Vor-Ort-Apotheke oder über eine EU-Versandapotheke beziehen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums.
Ob die neue Vorschrift mit EU-Recht vereinbar ist oder nicht, darüber hat der BGH nicht entschieden, wie es sich viele Verbandsvertreter der Apotheken erhofft hatten. Der Streit, ob Auslandsapotheken Bonusprämien anbieten dürften oder nicht, dürfte also weitergehen und auch die deutschen Gerichte weiterhin beschäftigen. Erste Online-Apotheken haben bereits angekündigt, ihren Kunden wieder Prämien gewähren zu wollen.
Az. I ZR 74/24
Klaus Hempel, tagesschau, 17.07.2025 12:05 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.