Nach einer Störaktion des linken Künstlerkollektivs „Zentrum für Politische Schönheit“ (ZPS) beim ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel (AfD) hat die Berliner Polizei zwei Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Diese richten sich gegen eine 64-Jährige und einen 39-Jährigen, da die Aktion nicht angemeldet gewesen sei, teilte die Polizei am Montag mit.

Das am Sonntagnachmittag live im Internet übertragene Interview wurde im Berliner Regierungsviertel an der Spree unter freiem Himmel geführt. Eine Demonstration von wenigen Leuten am anderen Spreeufer mit Trillerpfeifen, Hupen und ein Bus mit lauter Musik mit Anti-AfD-Slogans war in der Übertragung deutlich zu hören. Über die Lautsprecher des „Adenauer SRP+“ getauften Busses wurden offenbar die Songs abgespielt, schreibt „Politico“. Laut Polizei beeinträchtigten die Schallemissionen sowohl den Verkehr als auch die öffentliche Ordnung. Die Zahl der Teilnehmenden schätzte die Polizei auf etwa 40 Personen.

Dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte ein Sprecher des ZPS, es seien von der Polizei keine Maßnahmen ergriffen worden, und man habe sich mit den zuständigen Behörden abgestimmt. Zum Ablauf der Aktion teilte die ironisch auftretende Gruppierung mit, eine Person sei auf Toilette gewesen und habe vergessen, „das Autoradio am Adenauer SRP+ abzustellen“.

AfD fordert Wiederholung des Interviews

Von der AfD wird indes eine Wiederholung des Interviews gefordert. „In einer solchen Situation hätte die ARD für ein faires, ungestörtes Interview ins Studio ausweichen müssen“, sagte der Vize-Fraktionschef im Bundestag, Markus Frohnmaier, dem Nachrichtenportal „Politico“. „Ich erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“

Weidel selbst kritisierte die Protestaktion vom Sonntag ebenfalls: „Es ist für die Debattenkultur in unserem Land nicht zuträglich, die Presse- und Informationsfreiheit derart anzugreifen. Dafür habe ich keinerlei Verständnis“, sagte sie dem Portal. „Die AfD und meine Person werden sich von solchen demokratiefeindlichen Aktionen nicht einschüchtern lassen.“

Weidel beklagte sich während des Gesprächs beim Interviewer Markus Preiß, dass seine Fragen nicht zu verstehen seien. Die Polizei beendete die nicht angemeldete Aktion. Die ARD kündigte an, für künftige Interviews Vorkehrungen zu treffen.

Ein Sprecher von Weidel teilte am Montag gegenüber WELT mit: „Es ist so, dass sich Herr Preiß und Frau Weidel in einer kurzen Einspielerpause darauf verständigt haben, das Interview fortzusetzen. Im Hinblick darauf, dass das Interview live gestreamt wurde, hätte ein Abbruch auch als Kapitulation vor den Störern gewirkt.“

Eine Sprecherin des ARD-Hauptstadtstudios sagte derweil gegenüber der dpa: „Ein ungestörter Ablauf der Interviews ist in unserem Interesse und vor allem im Interesse des Publikums, daher werden wir aus der Sendung Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen“. Details nannte sie nicht. „Wir bedauern, dass das Interview durch die akustische Protestaktion teilweise schwer zu verstehen war.“ Das werde intern ausgewertet. Bis zum Beginn der Sendung sei die Protestaktion nicht bekannt gewesen.

Wagenknecht sieht Interview als „Werbeveranstaltung für die AfD“

Die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht kritisierte die Demonstranten scharf. „Das Sommerinterview war eine Werbeveranstaltung für die AfD. Nicht wegen der Argumente von Frau Weidel, sondern weil jeder Bürger mit einem Sinn für Fairness sich abgestoßen fühlen muss, wenn ein politisches Interview mit solchen Mitteln unmöglich gemacht werden soll. Wer glaubt, die AfD niederschreien zu müssen, demonstriert damit nur seine eigene undemokratische Arroganz und Hilflosigkeit“, sagte Wagenknecht WELT. „Eine Demokratie braucht faire Debatten und inhaltliche Auseinandersetzung, aber kein Mundtot-Machen und keine Cancel Culture. Die Aktion der Protestler war wieder mal ein Musterbeispiel für einen vermeintlichen ,Kampf gegen Rechts‘, der die Demokratie untergräbt und die AfD stärkt.“

Wenig Verständnis für die Störung des Interviews hat auch der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. „Wenn man die AfD stark machen will, soll man ruhig solche Interviews stören“, sagte er in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. Man könne den Wähler nicht ignorieren und „kaputt schreien“, sondern müsse die AfD inhaltlich bekämpfen.

Der AfD warf Linnemann vor: „Weidel ist nur daran interessiert, schlechte Nachrichten zu konsumieren und dann den Champagner aufzumachen. Sie freut sich, wenn die Insolvenzzahlen nach oben gehen und die Wirtschaft abschmiert.“ Diese Haltung sei durch das Interview deutlich geworden. Aber: „Das wurde leider überlagert durch diese lauten Schreie. Das bringt gar nichts in der Demokratie. Argumente zählen und sonst nichts.“

Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki erkennt Kalkül hinter dem Vorgehen der AfD-Chefin: „Die Situation hat Frau Weidel in die Hände gespielt und sie wäre dumm gewesen, das nicht zu nutzen“, sagte er im Interview mit WELT TV. „Sie konnte so dokumentieren, wir werden von der ARD unfair behandelt“. Über die Teilnehmer der Demonstration sagte er: „Das sind ja keine Aktivisten, das sind ja Störer – 25, 30 Leute, die sich wohlfühlen, aber in Wahrheit verhindern, dass man die AfD innerlich stellt“.

Die AfD werde nicht stärker, weil sie bessere Lösungen anbiete, sondern weil sie sich „dauernd inszenieren kann als diejenigen, denen Demokraten demokratische Rechte vorenthalten“.

Kubicki selbst hätte das Interview unter solchen Umständen abgebrochen. Er wunderte sich zudem, dass die Berliner Polizei nicht eher eingegriffen und den Bus des Platzes verwiesen hatte.

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