Am vergangenen Sonntag griffen Islamisten eine Solidaritätskundgebung in Düsseldorf an, mit Steinen, Flaschen und Parolen des Hasses. Doch kaum jemand hat davon erfahren. Viele Medien berichteten gar nicht darüber, andere bezeichneten die Attacken als „Massenschlägerei zwischen Syrern und Kurden“ – als handle es sich um einen unpolitischen Gewaltausbruch zweier rivalisierender Gruppen.

Tatsächlich war die Demonstration zur Solidarität mit den Menschen in Suwaida bis zum Angriff der Islamisten friedlich. Ziel war es, auf das Massakrieren von vor allem drusischen und auch christlichen Zivilisten in der Stadt im Süden Syriens durch islamistische Milizen aufmerksam zu machen. Vor allem Kurden und Drusen, viele von ihnen syrischstämmig, beteiligten sich an der Demonstration, insgesamt rund 500 Personen.

In stillem Gedenken legten sie Blumen nieder und entzündeten Kerzen für die Opfer der Gewaltwelle gegen religiöse Minderheiten, die von den Islamisten als „Ungläubige“ gebrandmarkt werden. Einige präsentierten Israel-Flaggen, als Zeichen der Solidarität mit israelischen Luftschlägen auf islamistische Stellungen und Hilfsaktionen zugunsten der Drusen. Es war eine berechtigte und unterstützenswerte Demonstration von Menschen, die an das Schicksal ihrer Verwandten erinnern.

Gleichzeitig demonstrierten einige Straßen weiter etwa 100 bis 200 vor allem syrische Anhänger der islamistischen Übergangsregierung. Unter den Teilnehmern waren auch türkische Graue Wölfe, eine der größten rechtsextremen Organisationen in Deutschland. Sie zeigten laut der Menschenrechtsorganisation Hawar.help etwa Türkei-Fahnen und Banner mit dem Konterfei des syrischen Machthabers Ahmed al-Scharaa, dem ehemaligen Anführer der Dschihadisten-Miliz HTS. Auf Videos sind auch palästinensische Fahnen zu sehen.

Laut der Kurdischen Gemeinde Deutschland waren auch Fahnen der Hamas und des „Islamischen Staats“ Teil der Demonstration. Die Teilnehmer bekannten sich also offen zu Terrororganisationen. Dann trafen beide Versammlungen aufeinander. Mehr als 50 Islamisten griffen die kurdisch-drusische Solidaritätskundgebung an. Mehrere Teilnehmer wurden bedroht, eingeschüchtert und verletzt. Fünf Polizisten wurden ebenfalls verletzt.

Die Osnabrücker FDP-Kommunalpolitikerin Annahita Maghsoodi war vor Ort. „Während wir für die Drusen demonstrierten, tauchte plötzlich eine Gegendemonstration von IS-Anhängern auf und warf mit Steinen auf uns“, schrieb sie auf Instagram. Wer hier für Menschenrechte einsteht, muss also um seine Sicherheit fürchten.

Die Kurdische Gemeinde Deutschland weist zu Recht darauf hin, dass die Vorfälle in Düsseldorf in einem größeren Kontext betrachtet werden müssten, und warnt vor einer „realen Gefahr für marginalisierte Gruppen“. „In Teilen der arabischen und türkischen Diaspora wirken ideologische Strömungen, die kurdenfeindliche Ressentiments, Islamismus und nationalistische Überlegenheitsvorstellungen miteinander verbinden“, heißt es in einem Statement des Dachverbands.

Innermigrantischer Rassismus wird ausgeblendet

Die deutsche Mehrheitsgesellschaft sollte die Warnungen migrantischer Islamismus-Gegner endlich ernst nehmen, statt diese weiter zu ignorieren. Doch die Gefahren durch den politischen Islam und türkische Rechtsextremisten werden noch immer unterschätzt. Und die Opfer von Islamisten und Grauen Wölfen, etwa Kurden, Aleviten, Jesiden, Armenier und säkulare Muslime, werden allein gelassen.

Dieser innermigrantische Rassismus ist selbst für viele, die sich Antirassismus auf die Fahnen schreiben, kein Thema. Er passt nicht zu einem Weltbild, in dem man sich Muslime ausschließlich als Opfer vorstellen kann. Und auch nicht zu einem Weltbild, in dem man sich Muslime ausschließlich als Täter vorstellen kann. In einer Einwanderungsgesellschaft darf das Problem nicht einfach ausgeblendet werden.

Insbesondere betroffen sind auch Liberale und Linke mit familiärer Einwanderungsgeschichte aus der Türkei und dem Nahen Osten, die sich für Gleichberechtigung einsetzen. Sie werden etwa als „Feinde des Islam“ diffamiert, als „Verräter“. Die Gefahr ist nicht neu. Schon zwischen 1974 und 1999 verübten die Grauen Wölfe in Deutschland fünf Morde an politischen Gegnern. Ihre Namen – Neşet Danış, Celalettin Kesim, Sedat Kalan, Ercan Alkaya und Erol Ispir – sind weitgehend vergessen, obwohl sie Teil der Geschichte der Bundesrepublik sind.

„Wann endlich werden die Mordbanden der Grauen Wölfe verboten?“, hieß es im Jahr 1980, nach der Ermordung des linken Gewerkschafters Celalettin Kesim in einem Flugblatt türkischer und kurdischer Linker. Die Täter seien „islamische Fanatiker“. Die IG Metall forderte damals „die sofortige Ausweisung aller Aktivisten, die sich nachweisbar kriminell in solchen Vereinigungen betätigen“. Auf einer Demonstration in Berlin forderten 10.000 türkischstämmige und deutsche Linke die „Ausweisung aller Faschisten“.

Ansonsten interessierte sich kaum jemand für den islamistisch und rechtsextrem motivierten Mord. Mein WELT-Kollege Deniz Yücel schrieb 2015 in der „taz“ über den Fall, es wäre heute „undenkbar, dass Linke gleich welcher Herkunft Abschiebungen fordern“.

Verboten sind die Grauen Wölfe, die sich in Deutschland in mehr als 300 Vereinen und drei Dachverbänden organisieren, noch immer nicht. Und auch die strafrechtliche Aufarbeitung ihrer Taten lässt weiterhin zu wünschen übrig. Dass in Düsseldorf gerade einmal vier Verdächtige festgenommen worden sind und lediglich 20 Strafanzeigen wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, der gefährlichen Körperverletzung und Sachbeschädigung eingeleitet wurden, obwohl sich mehr als 50 Islamisten an der Gewalt beteiligt haben sollen, lässt Lücken befürchten.

Ich habe mit der Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal über die islamistischen Demonstrationen der vergangenen Tage in Düsseldorf und Berlin gesprochen. „Dass aus Deutschland islamistischen Vernichtungsdrohungen beigepflichtet wird, ist das Allerletzte“, sagt sie mir. „Wir sind vor unseren Tätern geflohen, um uns in Sicherheit und Frieden ein Leben aufzubauen, und jetzt werden wir hier wieder heimgesucht? Als Minderheiten fühlen wir uns im Kampf gegen Islamismus, Rassismus und Antisemitismus im Stich gelassen.“

Tekkal spricht sich sowohl gegen Schönfärberei als auch gegen Verallgemeinerungen aus. „Die Brille der Mehrheitsgesellschaft – zwei Nationalitäten, die auf unseren Straßen aufeinander einkloppen – ist viel zu einfach“, sagt sie. In Düsseldorf seien friedliche Menschen, die für Minderheitenrechte einstehen, von Islamisten und Extremisten angegriffen worden. „Das ist nicht alles eine Suppe.“

Das ist eine wichtige Perspektive, die in einer polarisierten Gesellschaft zwischen rechter Pauschalverurteilung und linker Verharmlosung leider oft untergeht. Wer den Islamismus bekämpfen will, muss auf seine Opfer hören – auch wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen.

Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Im September erscheint im Herder-Verlag sein Buch über den AfD-Politiker Björn Höcke. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“.

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