Inhalt des Artikels:
- Sachsen liegt bei Asylanträgen, Abschiebungen und Ausreisen vorn
- Thüringen verzeichnet die wenigsten neuen Asylanträge
- Weniger illegale Einreisen in die EU
- Wieder deutlich mehr Abschiebungen in Deutschland
- Dobrindt: "Politikwechsel" in der Migrationspolitik und Abschiebung in Drittstaaten
- Abkommen zur Begrenzung der Migration – Kritik an der Zusammenarbeit von EU und Libyen
In Mitteldeutschland haben im ersten Halbjahr 2025 deutlich weniger Menschen Asyl beantragt. Das geht aus Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Landesinnenministerien hervor.
Insgesamt stellten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen von Januar bis Juni bzw. Juli dieses Jahres* 7.134 Menschen einen Erstantrag auf Asyl. Abgeschoben oder "freiwillig" ausgereist sind im gleichen Zeitraum mehr als 2.667 Menschen.
(*Anmerkung der Redaktion: In Sachsen liegen nur die Zahlen bis Juni vor.)
Warum sogenannte "freiwillige" Ausreisen nicht freiwillig sind
Menschen, deren Asylanträge endgültig abgelehnt wurden, sind ausreisepflichtig. Das kann auch zutreffen, wenn kein Asylantrag gestellt wurde. Ausreisepflichtig bedeutet, dass die Betroffenen entweder innerhalb einer gewährten Frist in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen ("freiwillige" Ausreise) oder abgeschoben werden, wenn sie weiter in Deutschland bleiben. Bei Abschiebungen nach dem sogenannten Dublin-Verfahren ist keine "freiwillige" Ausreise möglich.
Sachsen liegt bei Asylanträgen, Abschiebungen und Ausreisen vorn
Den Angaben zufolge gab es von Januar bis Juni 2025 in Sachsen mit 3.317 die meisten neuen Asylanträge – aber 41 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Sachsen verzeichnet in Mitteldeutschland bis Juni auch die meisten Abschiebungen und Ausreisen. Insgesamt sind 1.426 Menschen abgeschoben worden oder "freiwillig" ausgereist.
Generell sind in Sachsen in den letzten Jahren mehr Menschen abgeschoben worden. So erhöte sich die Zahl nach Angaben der Landesdirektion von 2022 bis 2024 von 568 auf 936 Abschiebungen. Auch bei den "freiwilligen" Ausreisen waren es 2024 insgesamt 300 Menschen mehr als ein Jahr zuvor.
In Sachsen-Anhalt gingen von Januar bis Juli 2.006 Erstanträge auf Asyl ein – 49 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum im Vorjahr. Mehr als 770 Menschen wurden abgeschoben oder haben das Land als Ausreisepflichtige über Förderprogramme "freiwillig" verlassen. Die Zahl der Abschiebungen erhöhte sich nach Angaben des Innenministeriums von 2023 auf 2024 um 22 Prozent, die Zahl der "freiwilligen" Ausreisen um 25 Prozent.
Thüringen verzeichnet die wenigsten neuen Asylanträge
In Thüringen waren es 1.811 Erstanträge auf Asyl – 56 Prozent weniger als von Januar bis Juli 2024. Gleichzeitig wurden 471 Asylbewerber abgeschoben oder sind "freiwillig" ausgereist. Nach Angaben des Innenministeriums erhöhte sich die Zahl der Abschiebungen in Thüringen von 2023 bis 2024 von 307 auf 443.
Die Zahl der "freiwilligen" Ausreisen erhöhte sich dem Landtag zufolge von 2022 bis 2024 von 140 auf 256.* Das Portal "Migration in Zahlen" nennt für 2024 eine Zahl von 326 "freiwilligen" Ausreisen und beruft sich auf Zahlen des Landesministerium für Justiz, Migration und Verbraucherschutz.
(*Anmerkung der Redaktion: Die Zahl der "freiwilligen" Ausreisen für 2024 enthält nur die bis 31. Oktober 2024 erfassten Daten.)
Bekommen Geflüchtete Geld, wenn sie "freiwillig" ausreisen?
Ja, es gibt verschiedene Förderprogramme. Dabei unterscheidet sich die Art und Höhe der Förderung je nach Herkunftsland. Am bekanntesten ist das REAG-GARP-Programm der Internationalen Migrationsorganisation (IOM), das finanzielle Hilfen für Reisekosten, Reisebeihilfen, medizinische Zusatzkosten und Starthilfen umfasst. Beantragt werden kann zum Beispiel eine einmalige Förderung von 1.000 Euro pro Person bzw. 500 Euro für unter 18-Jährige und pro Familie maximal 4.000 Euro.
Weniger illegale Einreisen in die EU
Im der ersten Hälfte dieses Jahres sind deutlich weniger illegale Einreisen in die Europäische Union erfasst worden. Wie aus vorläufigen Zahlen der EU-Grenzschutzbehörde Frontex hervorgeht, waren es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 20 Prozent weniger.
Die stärksten Rückgänge seien auf der Westbalkanroute (-53 Prozent), an den östlichen Landgrenzen (-50 Prozent) und auf der westafrikanischen Route (-41 Prozent) verzeichnet worden, teilte Frontex mit. Gleichzeitig hätten sich aber die illegalen Grenzübertritte im zentralen Mittelmeerraum im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 um 12 Prozent auf 39 Prozent erhöht.
Ein Großteil der Menschen, die versuchen illegal in die EU einzureisen, kommen den Angaben zufolge aus Bangladesch, Ägypten und Afghanistan.
Warum der Begriff der "illegalen" bzw. "irregulären" Migration problematisch ist (zum Aufklappen)
Der Verein "Pro Asyl" schreibt auf seiner Website, dass der Begriff der "irregulären" oder "illegalen" Migration zum einen deshalb schwierig sei, weil er suggeriere, dass die Menschen, die nach Deutschland flüchten, keinen Schutzanspruch hätten. Dabei würden die meisten Asylanträge positiv bewertet. In der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sei zudem geregelt, dass fliehende Menschen nicht wegen einer unerlaubten Einreise bestraft werden dürfen.
Darüber hinaus gebe es kaum legale Wege nach Deutschland einzureisen. So sei es zwar möglich über Aufnahmeprogramme wie das EU-Resettlement-Programm einzureisen. Diese Möglichkeit steht aber nicht allen offen. 2025 hat sich Deutschland bereitserklärt, 6.560 Plätze für Menschen, die sich aktuell in der Türkei aufhalten, bereitzustellen. Dabei können Flüchtlinge unterschiedlicher Staatsangehörigkeit oder staatenlose Flüchtlinge aufgenommen werden.
Allen anderen bleibe nur der "illegale Weg". Pro Asyl schreibt dazu: "Niemand würde sich in einem wackligen Schlauchboot in Lebensgefahr begeben, sich von brutalen Grenzschützern verprügeln lassen, in überfüllten Lastwagen durch Europa fahren und für all das auch noch tausende an Euros bezahlen, wenn er oder sie sicher mit dem Flugzeug einreisen könnte."
Wieder deutlich mehr Abschiebungen in Deutschland
Die Zahl der Menschen, die aus Deutschland abgeschoben werden, nimmt seit 2020 kontinuierlich zu. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor. Nach dem letzten Höchststand von mehr als 25.000 Abschiebungen im Jahr 2016, waren es in den darauffolgenden Jahren bis 2020 deutlich weniger. Bis 2024 stieg die Zahl der Abschiebungen dann wieder auf rund 20.000. Dieser Trend lässt sich auch in Sachsen, Sachsen -Anhalt und Thüringen beobachten.
So gab es unter anderem im Juli zwei Abschiebeflüge vom Flughafen Leipzig/Halle. Am vergangenen Freitag startete erstmals seit einem Jahr ein Abschiebeflug nach Afghanistan. Ein weiterer Abschiebeflug ging am Dienstag Richtung Bagdad.
Wie läuft eine Abschiebung ab?
Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag eines Asylbewerbers ablehnt, muss er innerhalb einer bestimmten Frist ausreisen. Betroffene können dann über Förderprogramme "freiwillig" ausreisen. Tun sie das nicht, können sie abgeschoben werden, zum Beispiel in dem sie mit Polizeibegleitung in ihr Herkunftsland zurückgebracht werden. Regelmäßig organisieren die deutschen Behörden auch Charterflüge für größere Gruppen von Menschen, die das Land verlassen müssen. Wer sich seiner Abschiebung entzieht, der kann auf richterliche Anordnung als letztes Mittel auch in der sogenannten Abschiebehaft landen. Kritik gibt es unter anderem deswegen, weil Abschiebungen häufig nachts und ohne Ankündigung stattfinden.
Warum gelingen viele Abschiebungen nicht?
Häufig scheitern Abschiebungen daran, dass die Menschen, die abgeschoben werden, nicht angetroffen werden oder untergetaucht sind. Manchmal ist auch eine ausreisepflichtige Familie nicht vollständig, die Leute sind erkrankt oder es wurden Rechtsmittel zum Beispiel gegen die Ablehnung des Asylantrags eingelegt. Allein in Sachsen-Anhalt ist deswegen nur jede dritte Abschiebung erfolgreich.
Auch in Thüringen scheitern sieben von zehn Abschiebungen. Die meisten von ihnen gelingen dort nicht, weil die Fluggesellschaften nur eine bestimmte Anzahl an abschiebepflichtigen Flüchtlingen transportieren. Nach Angaben des Landesverwaltungsamts lehnen Fluggesellschaften die Mitnahme weiterer Ausreisepflichtiger ab, wenn die Anzahl von rückzuführenden Menschen auf einem Flug erreicht ist. Auch der Pilot kann den Transport einzelner Menschen ablehnen, wenn er den Eindruck hat, dass die Flugsicherheit beeinträchtigt werden könnte.
Auch Menschen, die sich wegen fehlender Reisedokumente im sogenannten Duldungsstatus befinden, können nicht ohne Weiteres abgeschoben werden. Es kommt immer wieder vor, dass Herkunftsstaaten keine Reisedokumente ausstellen und nicht bereit sind, die Geflüchteten zurückzunehmen. Auch wegen ungeklärter Identität oder familiärer Bindung zu anderen Geflüchteten mit Duldungsstatus können Menschen nicht abgeschoben werden. Außerdem ist es nicht erlaubt, in Länder abzuschieben, in denen den Menschen Gefahren wie Folter oder die Todesstrafe drohen.
Was passiert mit den Menschen, die nicht abgeschoben werden können?
Ist eine Abschiebung nicht möglich, kann die zuständige Ausländerbehörde eine Duldung erteilen. Eine solche Bescheinigung wird meist nur für kurze Zeiträume ausgestellt und muss regelmäßig verlängert werden. Während einer Duldung ist die Ausreisepflicht vorübergehend ausgesetzt. Menschen mit Duldung unterliegen verschiedenen rechtlichen Beschränkungen. Sie können in der Regel nicht reisen und auch der Familiennachzug ist ausgeschlossen. Um arbeiten zu können, müssen sie eine Arbeitserlaubnis beantragen, die verweigert werden kann. Manchmal wird auch ein Arbeitsverbot erteilt. Darüber hinaus gibt es Wohnsitzauflagen, durch die Betroffene nicht ohne Erlaubnis in ein anderes Bundesland oder eine andere Stadt ziehen dürfen. Duldungen können zum Beispiel ausgestellt werden, wenn ein Abschiebestopp für das Herkunftsland vorliegt, wegen Krankheit oder bevorstehendem Abschluss der Schule oder Ausbildung.
Wie teuer sind Abschiebungen und wer bezahlt sie?
Laut Aufenthaltsgesetz sollen Menschen, die abgeschoben werden, ihre Ausreise selbst bezahlen. In der Praxis tragen aber in der Regel die beteiligten Behörden die Kosten für die Verwaltung, den Einsatz von Polizisten, ggf. eine Abschiebehaft und die Ausreise zum Beispiel per Flugzeug.
Die Abschiebung per Flugzeug ist dabei besonders teuer. 2023 kamen nach Angaben der Bundesregierung für insgesamt 213 Charter-Flüge mehr als 30 Millionen Euro zusammen. Demnach fallen für das Buchen einer extra Maschine etwa von Leipzig nach Pakistan fast 450.000 Euro an. Flüge in näher liegende Länder kosten weniger, einer von Sachsen nach Tunesien zum Beispiel um die 80.000. In der Maschine sitzen oft nur wenige Ausreisepflichtige, aber deutlich mehr Bundespolizisten.
Deutlich günstiger sind die sogenannten "freiwilligen" Ausreisen. Das hängt damit zusammen, dass die EU unter bestimmten Umständen den Großteil der Kosten für eine Ausreise übernimmt. Bund und Länder müssen dann nur jeweils fünf Prozent der Kosten tragen.
Dobrindt: "Politikwechsel" in der Migrationspolitik und Abschiebung in Drittstaaten
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat in Bezug auf seine Migrationspolitik immer wieder von einem "Politikwechsel" gesprochen. Der äußerte sich unter anderem in seiner Entscheidung, die Grenzkontrollen zu intensivieren und der Anordnung, dass Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Auch der sogenannte Familiennachzug ist eingeschränkt worden.
Obwohl deutlich weniger Menschen einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, setzt sich der CSU-Politiker für eine schärfere Migrationspolitik der EU ein und fordert die Abschiebung in Drittstaaten. Dobrindt spricht sich dafür aus, dass Abschiebezentren – sogenannte Return-Hubs – außerhalb der EU aufgebaut werden.
Bisher können abgelehnte Asylbewerber nur in Länder abgeschoben werden, zu denen sie einen Bezug haben, etwa durch Familienmitglieder oder weil sie dort länger gelebt haben. Die EU-Kommission will das ändern. Im Mai hatte sie vorgeschlagen, den EU-Ländern zu ermöglichen, Asylbewerber auch in Länder abzuschieben, zu denen sie keinerlei Verbindung haben – unter Aufsicht von nationale Behörden in Zusammenarbeit mit EU-Agenturen wie Frontex.
Dafür soll Frontex künftig drei Mal so viel Geld bekommen wie bisher. Dem EU-Haushaltsvorschlag der Kommissionschefin Ursula von der Leyen zufolge sollen künftig 34 Milliarden Euro in das Migrationsmanagement, die Stärkung der EU-Außengrenzen und die innere Sicherheit fließen.
Abkommen zur Begrenzung der Migration – Kritik an der Zusammenarbeit von EU und Libyen
Deutschland hat bereits Abkommen mit Georgien und Indien geschlossen, auch mit Ländern wie Kolumbien, Moldau, Kenia und Marokko laufen Gespräche, um die Migration zu reduzieren und legale Wege in den deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Darüber hinaus gibt es mehrere Abkommen der EU mit der Türkei, Ägypten, dem Libanon und Tunesien, um Menschen davon abzuhalten, über das Mittelmeer in die EU zu kommen. Die EU unterstützt auch die sogenannte libysche Küstenwache, der bereits unzählige Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden. Allein zwischen 2015 und 2022 zahlte die EU rund 700 Millionen Euro an Libyen.
Einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" zufolge soll die europäische Grenzschutzagentur Frontex der "libyschen Küstenwache" regelmäßig die Koordinaten von Schlepperbooten im Mittelmeer mitgeteilt haben. Menschen, die von der "libyschen Küstenwache" aufgriffen werden, werden in Auffanglager gebracht, die in Medienberichten immer wieder als "Folterlager" bezeichnet werden.
Menschenrechtsorganisationen wie die Vereinten Nationen (UN) kritisieren die Zusammenarbeit der EU mit Libyen vor allem wegen der zahllosen Menschenrechtsverletzungen gegen Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende. Der UN zufolge zählen dazu Menschenhandel, Folter, Zwangsarbeit, Erpressung, Hunger bei unzumutbaren Haftbedingungen, Massenvertreibungen und Menschenhandel. Immer wieder werden auch Massengräber mit ermordeten Geflüchteten entdeckt.
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