Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche sieht die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland unter Druck. Die CDU-Politikerin sagte nach einem Unternehmensbesuch in Essen, im Herbst stehe eine umfangreiche, auch kritische Betrachtung der Sozialsysteme an. „Sie müssen das liefern, was die Bürgerinnen und Bürger von ihnen erwarten: Sicherheit und Verlässlichkeit. Wir wissen aber auch, dass es Reformen braucht.“ Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe von einem „Reformherbst“ gesprochen. „Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.“
Die Koalition habe für den Herbst die Einsetzung verschiedener Kommissionen verabredet, die sich die sozialen Sicherungssysteme nicht nur anschauen, sondern Reformvorschläge erarbeiten sollten, sagte Reiche. Die Reform der Sozialsysteme und die Schieflage der Demografie sei nichts, was erst diese Regierung beschäftige.
„Die Herausforderung, in der wir uns befinden, ist, dass sozusagen der Kipppunkt immer näher rückt und wir uns deshalb aktiv mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir verschiedene Erwerbsbiografien, wie wir Arbeitskräftebedarf, Zuwanderung zu so einem guten Konzept zusammenfügen, dass wir in Zukunft Arbeitsproduktivität auf hohem Niveau halten können.“
Auf die Frage, ob die geplante Ausweitung der Mütterrente noch in die Zeit passe, sagte Reiche: „Maßnahmen, die die sozialen Sicherungssysteme weiter belasten, sind tatsächlich eine Herausforderung für unser System.“ Aber es gehe vor allem auch um individuelle Arbeitnehmer.
Reiche hatte mit Aussagen über eine steigende Lebensarbeitszeit eine breite Debatte ausgelöst. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) sagte am Mittwoch, in den Koalitionsverhandlungen sei sehr klar besprochen worden, dass es keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben werde. Es helfe nicht, wenn es Rufe „von der Seitenlinie“ gebe.
Konservative Sozialdemokraten kritisieren Reiche
In der SPD wächst derweil der Unmut über Reiche. Ihr Vorstoß zur Erhöhung des Renteneintrittsalters verfehle den Kern des Problems und sei unterkomplex, kritisieren SPD-Abgeordnete vom konservativen Seeheimer Kreis. Reiche müsse sich „stärker ihren Kernaufgaben als Wirtschaftsministerin widmen“, fordern der Seeheimer-Sprecher Dirk Wiese und Esra Limbacher, Generalsekretär der Saar-SPD.
„Wer ernsthaft darüber nachdenkt, dass Menschen künftig bis ins hohe Alter arbeiten sollen, muss sich auch mit der Realität auf dem Arbeitsmarkt beschäftigen.“ Die Sozialdemokraten bemängeln auch die Handelseinigung der Europäischen Kommission mit der US-Regierung. Der Deal sei angesichts der 50-Prozent-Zölle auf Stahl ein Risiko für eine Schlüsselindustrie.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen müsse nachverhandeln. Von Wirtschaftsministerin Reiche erwarten die SPD-Abgeordneten „Handeln statt Worte“. Sie müsse Stahlkonzerne und Gewerkschaften zu einem Stahlgipfel einladen und einen Fahrplan für bezahlbare Energiepreise vorlegen. Die Bundesregierung dürfe „nicht tatenlos zusehen, wie unsere Stahlindustrie den Anschluss verliert“.
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