- Das Verhältniswahlrecht sorgt dafür, dass Wahlkreise im deutschen Wahlsystem nur eine geringe Bedeutung haben.
- In Deutschland verhindern Koalitionen und eine unabhängige Kommission, dass Wahlkreisgrenzen gezielt manipuliert werden.
- Wenn überhaupt, könnte Gerrymandering bei Landtagswahlen eine Rolle spielen, wofür es aber so gut wie keine Beweise gibt.
Wahlkreise werden in Deutschland tatsächlich relativ häufig neu zugeschnitten. Das hat mit der Bevölkerungsentwicklung zu tun, erklärt Fabian Michl, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und das Recht der Politik an der Universität Leipzig.
Wahlkreise spielen im deutschen Wahlsystem keine große Rolle
Denn: Nach dem Bundeswahlgesetz sollen in allen Wahlbezirken etwa gleich viele Menschen leben. "Wenn die Bevölkerungszahlen zu stark voneinander abweichen, durch Zuzug, Wegzug oder den demografischen Wandel, dann wird es eben erforderlich, die Wahlkreis neu zuzuschneiden."
Michl stellt aber klar, dass das deutsche Wahlrecht parteipolitische Manipulation – also Gerrymandering – kaum zulässt. Schließlich gibt es in Deutschland das Verhältniswahlsystem. Die Parlamentssitze werden anteilig nach dem Wahlergebnis der Parteien verteilt, auf die Wahlkreisgrenzen komme es grundsätzlich nicht an, so Michl.
"Das heißt, es setzt sehr geringe Anreize für Parteien, Wahlkreisgrenzen zu manipulieren, denn die Wahlkreise spielen eine sehr geringe Rolle in unserem System. Daher gibt es keine handfesten Interessen, Wahlkreisgrenzen zu manipulieren."
Gerrymandering in Deutschland insgesamt wenig sinnvoll
Außerdem entscheide in Deutschland nicht eine Partei allein über die Zuschnitte der Wahlkreise. "Im Bundeswahlrecht ist es so, dass die Wahlkreise durch den Bundestag, das heißt also die Mehrheit im Bundestag, zugeschnitten wird. Vorbereitet wird diese Entscheidung durch die Wahlkreiskommission des Bundes. Das ist eine unabhängige Kommission, die vor allem rechnet, also Bevölkerungszahlen ausrechnet und dann Vorschläge macht."
Anders als in den USA mache Gerrymandering in Deutschland also wenig Sinn. "In den USA haben Sie ja faktisch nur zwei Parteien und das Gerrymandering ist eine klassische Taktik, um sich eine Mehrheit zu erhalten."
Das sei in Deutschland schon deswegen nicht möglich, weil die deutschen Parteien auf Koalitionen angewiesen sind und der Koalitionspartner da mitspielen müsste. "Die Interessen des jeweiligen Koalitionspartners sind aber meistens sehr gering, sozusagen dem anderen Koalitionspartner zur Mehrheit zu verhelfen."
Gerrymandering höchstens bei Landtagswahlen relevant
Allerdings bestätigt Michl, dass auf Länderebene durchaus Wahlkreise nach Parteiinteressen zugeschnitten sein könnten. Denn hier gebe es – anders als auf Bundesebene – noch die Überhangmandate. Die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil zustehen würden. Dadurch kann die Sitzverteilung im Parlament zugunsten dieser Partei verzerrt werden.
"Die Erzielung solcher Überhangmandate kann einem einen Vorteil verschaffen und dann kann es unter Umständen schon mal einen echten Anreiz für Manipulationen geben. Wir haben dazu vor einigen Jahren mal ein größeres Forschungsprojekt durchgeführt und allerdings nur sehr wenige Fälle herausgefunden, bei denen man einen ernsthaften Verdacht haben kann", so der Wahlrechtsexperte.
Die Aussage, dass in Deutschland Gerrymandering weit verbreitet ist, hält Michl für irreführend. Sie sei Wasser auf die Mühlen derjenigen, die versuchten, das Vertrauen in die demokratische Grundordnung zu untergraben. Da werde oft grundlos behauptet, dass es bei Wahlen nicht mit rechten Dingen zugegangen sei.
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