Die 81 Männer, die am frühen Morgen des 18. Juli von Leipzig in ihre Heimat Afghanistan ausgeflogen wurden, waren gemäß Amtsdeutsch „vollziehbar ausreisepflichtig“. Alle waren abgelehnte Asylbewerber – und Kriminelle, überwiegend sogar Schwerverbrecher. Die meisten bekamen dennoch eine Geldsumme mit auf den Heimweg. Bis zu 1000 Euro pro Person, war in einigen Medien zu lesen. Die Empörung war groß.
Abschiebungen fallen in die Zuständigkeit der Bundesländer. Die Landesbehörden müssen auch dafür sorgen, dass die Abgeschobenen für die Reise über finanzielle Mittel verfügen. Das sogenannte Handgeld ist in nahezu allen Ländern sehr knapp bemessen. Es wird in Fällen „zwangsweiser Rückführung gezahlt, in denen die abzuschiebende Person nicht über ausreichende Mittel für die Weiterreise nach Rückkehr in das Herkunftsland verfügt“, sagt ein Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums.
Nach einer Umfrage von WELT AM SONNTAG unter den 16 Ländern gibt es pro Person zwischen 25 und 100 Euro, für Familien in aller Regel 100 bis 150 Euro Handgeld. Die Summe hängt davon ab, ob es sich um einen Erwachsenen oder einen Jugendlichen handelt, ob eigene Mittel vorhanden sind und ob eine Person aufgrund der Dublin-Verordnung in ein europäisches Nachbarland gebracht wird oder in einen weiter entfernten Staat.
Eine Ausnahme bildet Rheinland-Pfalz. Auch dort gibt es die üblichen 50 Euro, aber „zuzüglich eines Aufstockungsbetrages von bis zu 20 Euro bei zeit- und kosten-aufwendigerer Weiterreise im Heimatland“. Aber: „Bei Abschiebungen mittelloser Personen in besonders gelagerten Einzelfällen kann ein erhöhtes Handgeld bis zur Höhe des vom Bundesinnenministerium angegebenen Richtwertes von 1000 Euro ausgezahlt werden“, sagt eine Sprecherin des Integrationsministeriums in Mainz.
Das Handgeld ist allerdings in vielen Fällen nicht die einzige staatliche Leistung an abgelehnte Asylbewerber, die in ihre Heimat zurückkehren. „Ein Sonderfall sind bei Abschiebungen rechtlich zwingend Unterstützungszahlungen“, erklärt ein Sprecher des Innenministeriums von Sachsen. „Diese werden ausgezahlt, um eine Abschiebung rechtlich zu ermöglichen. Abschiebungen sind in einigen Fällen verboten, wenn die Gefahr besteht, dass die abzuschiebende Person ihre Grundbedürfnisse ohne die Rückkehrhilfe nicht decken kann.“
Gerichte können für den Fall, dass ein ausreisepflichtiger Asylbewerber nach der Rückkehr in seinem Heimatland dort mittellos ist und Verelendung droht, eine Abschiebung untersagen. Grundlage dafür ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2022: Demnach kann eine Abschiebung nur erfolgen, wenn dem Betroffenen für eine gewisse Zeit nach Ankunft im Heimatland eine Geldsumme zur Verfügung steht, die ausreicht, „die elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen“.
Im niedersächsischen Innenministerium heißt es dazu, dass „bei Rückführungen in begründeten Einzelfällen auch eine höhere Rückkehr- beziehungsweise Reintegrationshilfe gezahlt werden kann“. Feste Summen, die nach einem generellen Kriterienkatalog ausgezahlt werden, gibt es dabei nicht. „Dies ist jeweils abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls“, sagt ein Ministeriumssprecher. Deshalb ist es auch schwer, aus den Ländern Gesamtsummen zum ausgezahlten Handgeld zu bekommen. Als eines der wenigen Bundesländer wird die in Berlin erfasst: „Im Jahr 2024 wurden 37.650 Euro ausgezahlt, im Jahr 2025 bis zum 5. August 36.305 Euro“, teilt die Senatsverwaltung für Inneres mit.
1000 Euro als Rückkehrhilfe empfohlen
Mit Blick auf das Risiko, dass eine Abschiebung unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von nachgeordneten Gerichten untersagt werden könnte, hat das Bundesinnenministerium für die sogenannte Rückkehrhilfe denn auch grundsätzlich die Summe von 1000 Euro empfohlen. Weisungen an die Länder kann das Ministerium in diesem Fall freilich nicht erlassen. Die Senatsverwaltung des Inneren in Berlin stellt stellvertretend für alle Länder klar: „Für die am 18.07.2025 durchgeführte Maßnahme gab es seitens des Bundes keine Vorgaben zu durch die Länder zu leistenden Zahlungen.“ Sprich: Jedes Land legt bei Finanzhilfen im Zusammenhang mit Abschiebungen die Summen selbst fest.
Das bedeutet, dass zum Beispiel in Niedersachsen das Handgeld „für alle abzuschiebenden Personen, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit und der Lebenssituation im Herkunftsstaat“ gezahlt wird. In Bayern gibt es dagegen in bestimmten Fällen gar kein Geld. Von den aus dem Freistaat für den Flug im Juli überstellten Afghanen erhielten einige Männer 100 Euro, andere nichts. Letzteres betraf jene Abgeschobene, bei denen die Behörden festgestellten hatten, dass sie noch über finanzielle Mittel verfügten.
Die Länder planen indes keine Änderungen beim aktuellen Vorgehen. Und obwohl Kritik an den Summen, wie sie das von einer Ampel-Koalition regierte Rheinland-Pfalz zahlte, gerade wieder nach dem Flug im Juli laut wurde, will auch die Union die Zahlungen nicht generell zurückfahren. „Im Fall von Ausreisepflichtigen, die bei der Ausreise kooperieren, halte ich Starthilfen auch im Bereich von 1000 Euro für angemessen“, sagt Günter Krings (CDU), Vizevorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. Schließlich führe eine möglichst schnelle Ausreise dazu, dass der Staat Geld für die Versorgung der betroffenen Personen spare.
„Wer sich hingegen bis zuletzt weigert, seiner Ausreisepflicht freiwillig nachzukommen, kann auch nicht mit irgendeiner Hilfe rechnen“, betont Krings. Allenfalls da, wo Gerichte eine Abschiebung stoppen könnten, weil der Lebensunterhalt nicht zumindest für die ersten Tage in der alten Heimat gesichert wäre, könne „etwas anderes gelten“.
Der CDU-Abgeordnete und Unionsfraktionsvize Sepp Müller übt dagegen grundsätzliche Kritik am System der Finanzhilfen für abgeschobene Asylbewerber. „Rückkehrhilfen für ausreisepflichtige Personen sind grundsätzlich problematisch. Vor allem, wenn sie sich im Bereich von 1000 Euro bewegen und auch Straftätern zugutekommen“, sagt Müller. „Noch gravierender wird es, wenn die Bundesländer in vergleichbaren Fällen unterschiedlich hohe Summen auszahlen. Hier braucht es dringend eine einheitliche Linie. Die Ministerpräsidenten sind gefordert.“
Nikolaus Doll berichtet für WELT über die Unionsparteien sowie über die Bundesländer im Osten.
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