Migration, Wirtschaftslage, Reformstau, die Kriege in der Welt, Zollstreit und Ärger mit den eigenen Leuten: Die schwarz-rote Regierungskoalition von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) steckt bereits nach wenigen Monaten in der Krise. Das bleibt auch im Ausland nicht unentdeckt. Internationale Zeitungen sezieren die ersten 100 Tage der Koalition – und sparen nicht mit Kritik.
„Guardian“, Großbritannien
„Friedrich Merz, der in der deutschen Politik seit Jahrzehnten umstritten ist und seit Langem einen Groll gegen seine Parteikollegin Angela Merkel hegt, hat Mühe, den tiefen Pessimismus zu überwinden, der sich in Europas führender Volkswirtschaft breitgemacht hat. Bei der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ist keine deutliche Trendwende erkennbar; es wird voraussichtlich auch in diesem Jahr stagnieren.
Merz, der vor seiner Wahl zum Kanzler keine Regierungserfahrung hatte, erwarb sich zwar den Respekt vieler westlicher Verbündeter durch seine entschiedene Unterstützung für die Ukraine, während Trumps Rückhalt für das Land ins Wanken geriet. Doch Merz' Positionierung zum Krieg im Gazastreifen erwies sich als politisch heikel und entfremdete viele seiner engsten Verbündeten und die israelische Regierung, während er von der SPD gelobt wurde.“
„NZZ“, Schweiz
„Vom einstigen Reformwillen ist kaum etwas zu sehen. Statt den Sozialstaat zurückzuschneiden, zementiert die Regierung ein zunehmend marodes System und häuft dabei einen gigantischen Schuldenberg auf. Statt Weichen zu stellen, um die Wirtschaft anzureizen, wird sie mit Subventionen sediert.
Sicher, es ist nicht alles schlecht. Die Regierung Merz hat Steuererleichterungen für Unternehmen auf den Weg gebracht und plant weitere Entlastungen. Sie hat ein deutlich strikteres Grenzregime für Asylsuchende eingeführt und damit ein Signal an die europäischen Nachbarstaaten ausgesandt, dass es so nicht weitergeht. Das war überfällig und mutig. Doch die eigentlichen Herausforderungen, von denen so viel die Rede war, bleiben liegen. (…)
Von alldem profitiert die AfD. Sie hat in einer neuen Umfrage die Union schon überholt. Eigentlich müsste das für die Regierung der letzte Warnschuss sein. Die Spitzen der Koalition müssten sich selbstkritisch fragen, wie sie so große Teile der Bevölkerung an diese Partei verlieren konnten.(…) Wenn Merz die großen Reformen auch in diesem Herbst scheut, droht er zu scheitern. Dann geht seine Regierung in die Geschichte ein als letzte Verwalterin eines dahinschmelzenden Status quo.“
„Tages-Anzeiger“, Schweiz
„Die jüngste Umfrage muss dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz zu denken geben: Die AfD überholt die Union und liegt mit 26 Prozent zwei Punkte vor CDU und CSU. (…)
Dabei versprach Merz bei Amtsantritt spürbare Verbesserungen bis zum Sommer. Das Chaos der Ampelregierung sei vorbei, nun werde entschlossen regiert. Tatsächlich hat sich die schwarz-rote Koalition im Klein-Klein der Innenpolitik verheddert. Die Stimmung in der Regierung? Schlecht.
Merz regiert wie ein CEO, der allein an der Spitze steht. Er unterschätzt, wie wichtig Kompromisse und Kommunikation in der Politik sind. Entscheidungen finden in den eigenen Reihen keine Unterstützung, weil er sie schlecht vermittelt. Im Vergleich mit Angela Merkel, die 16 Jahre lang das Spiel mit der Macht virtuos beherrschte, wirkt Merz wie ein Anfänger im Räderwerk der deutschen Politik.“
„De Volkskrant“, Niederlande
„Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz ging im Mai mit großen Ambitionen an den Start. Sowohl Deutschland als auch Europa brauchten dringend eine starke Führung, und Merz fühlte sich dazu berufen. Nachdem seine Amtszeit als Kanzler nun die symbolische Grenze von hundert Tagen überschritten hat, kann eine erste, vorsichtige Bilanz gezogen werden. Sie fällt gemischt aus: Auf internationaler Ebene spielt Merz eine aktive Rolle, aber in Deutschland selbst hat er große Schwierigkeiten, die Bürger von der Richtigkeit seines Kurses zu überzeugen. (…)
Merz' niedrige Umfragewerte sind zum Teil auf einen Mangel an Charisma und Charme zurückzuführen. Bedeutender als das ist jedoch die zersplitterte politische Landschaft in Deutschland. Durch das Ausschließen einer Zusammenarbeit mit der rechtsextremen AfD blieb eine Koalition aus der christdemokratischen CDU/CSU und der sozialdemokratischen SPD als einzige realistische Option für die Regierungsbildung übrig. Eine solche Koalition aus Parteien, die eigentlich natürliche Rivalen sind, ist jedoch ein Rezept für Konflikte sowie für Kompromisse, die niemanden zufriedenstellen.“
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.