Die Anspannung am Montagmittag Ostküstenzeit war bis weit vor den Türen des Oval Office zu spüren. Weiträumig abgesperrt, wirkten die Straßen rund um das Weiße Haus wie eine Geisterstadt, durch die Dutzende gepanzerter Limousinen mit verdunkelten Scheiben surrten.

Die Limousine von Wolodymyr Selenskyj fuhr mit einer Viertelstunde Verspätung am West Wing vor. Die sieben Vertreter Europas und der Nato waren derweil am Südportal angekommen und warteten mit hoher Wahrscheinlichkeit gespannt im Nebenraum, was sich im Oval Office zutragen sollte.

Die Erinnerung an den Besuch des ukrainischen Präsidenten Ende Februar sitzt tief. Seinerzeit war es zwischen Gast und Gastgebern zu einem verbalen Schlagabtausch gekommen, der nicht nur ein neues Tief im Verhältnis zwischen US-Präsident Donald Trump und Selenskyj bedeutete. Er hatte auch katastrophale Folgen für die Ukraine, weil Trump vorübergehend die US-Geheimdienstkooperation einstellen ließ.

Sollte die Stimmung dieses Mal erneut kippen? Das war nicht auszuschließen, zumal Trump am Sonntagabend maximal Druck auf Selenskyj ausgeübt hatte. Dieser könne „den Krieg mit Russland fast sofort beenden, wenn er will, oder er kann weiterkämpfen“, erklärte der Präsident auf seiner „Truth Social“-Plattform. Trump machte damit indirekt Selenskyj und nicht Russlands Machthaber Wladimir Putin zum Aggressor. Gleichzeitig implizierte der Republikaner, dass der Ukrainer den Forderungen Putins, etwa nach Aufgabe des Donbass, nachgeben müsse.

Anzugdiplomatie bei Selenskyj

Keine leichte Ausgangslage für Selenskyj. Dass er anders als im Februar ein schwarzes Hemd mit Anzugjacke trug, war bereits ein optisches Zeichen, dass der ukrainische Präsident seinen Gastgeber freundlich stimmen wollte. Der Journalist, der Selenskyj beim letzten Besuch wegen dessen Militärkleidung angegangen hatte, lobte den Ukrainer. „Präsident Selenskyj, Sie sehen toll aus in diesem Anzug“, sagte Brian Glenn im Oval Office. „Das habe ich auch schon gesagt“, sekundierte Trump.

Damit war die Stimmung schon ungleich gelöster. Wirklich wichtig aber war, was Trump sagte – und was nicht. Wer die besseren Karten in den geplanten Verhandlungen habe, beantwortete Trump nur knapp. „Das will ich nicht sagen. Wir arbeiten mit allen.“ Beim letzten Mal hatte er Selenskyj angefahren, dieser möge bedenken, dass er „keine Karten“ habe.

Trump sagte auch zu, die Ukraine weiter zu unterstützen. „Wir sind da noch nicht am Ende des Weges.“ Auch zur Frage von Sicherheitsgarantien für die Ukraine sagte Trump, „es wird viel Hilfe geben, wenn es um die Sicherheit geht. Es wird viel Hilfe geben. Es wird gut werden.“

Er treffe nach dem Gespräch mit Selenskyj „sieben großartigen Menschen und ebenfalls großartigen Länder“. Die Europäer würden „die erste Verteidigungslinie“ stellen, „weil sie dort sind, sie sind Europa, aber wir werden ihnen helfen“.

Neben Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) waren EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der französischen Präsident Emmanuel Macron, der britische Premierminister Keir Starmer, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der finnische Präsident Alexander Stubb und Nato-Generalsekretär Mark Rutte am Montag zur Unterstützung nach Washington gekommen.

Doch nicht nur mit den Europäern wollte Trump am Montag reden. Nach seinem Treffen mit Selenskyj wollte der US-Präsident auch mit Kreml-Chef Putin telefonieren. Auch ein Treffen der drei Staats- und Regierungschefs sei möglich, sagt Trump im Oval Office. Er habe gerade indirekt mit Putin gesprochen, fügt er hinzu, ohne dabei konkreter zu werden. „Ich liebe das ukrainische Volk, ich liebe das russische Volk, ich liebe sie alle. Ich möchte, dass der Krieg aufhört“, so Trump.

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