Es ist eine beeindruckende Armada, die Washington in Richtung Karibisches Meer schickt. Die drei Zerstörer USS Gravely, USS Jason Dunham und USS Sampson sowie insgesamt 4000 Marinesoldaten sollen ein unmissverständliches Zeichen an Venezuela sein, dass US-Präsident Donald Trump es diesmal ernst meint mit dem Kampf gegen den Drogenhandel und das linksextreme Regime in Caracas.

Der Präsident sei bereit, „alle Kräfte der amerikanischen Macht einzusetzen, um den Drogenimport in unser Land zu stoppen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, in dieser Woche. Venezuelas Machthaber Nicolas Maduro sei „kein legitimer Präsident“, sein Regime in Wahrheit nur ein „Drogenkartell“.

Der Venezolaner reagierte damit, die regierungsnahen Milizen zu bewaffnen. Nach offiziellen Angaben sollen rund 4,5 Millionen Menschen diesen Kräften angehören, die die venezolanische „Revolution“ nach innen und nach außen verteidigen sollen. Damit spitzen sich die Spannungen zwischen Washington und Caracas weiter zu – selbst ein Kriegsszenario gilt nicht mehr als ausgeschlossen.

Die USA und einige südamerikanische Länder beschuldigen Maduro der Kopf des Drogenkartells „Soles“ zu sein, und erklären die Bande zu einer terroristischen Organisation. Zuletzt hatten die USA Vermögenswerte in Höhe von insgesamt rund vier Milliarden Dollar eingefroren, die Maduros Einflussbereich zugeschrieben werden. Die Einstufung als Terror-Organisation ist politisch bedeutsam, weil dann militärische und finanzielle Ressourcen eingesetzt werden können.

Die Entsendung von US-Kriegsschiffen in die Region ist daher ein deutliches Signal. „Im Grunde geht es darum, zu zeigen, dass Donald Trump sein Wahlversprechen einhält und drastische Maßnahmen zur Bekämpfung des Drogenhandels ergreift. Das ist weiterhin ein sehr wichtiges Thema auf der politischen Agenda der Vereinigten Staaten“, sagt Vladimir Rouwinski von der Universität ICESI in Kolumbien im Gespräch mit WELT.

Dazu passt auch die Aussage des republikanischen Senators Bernie Moreno (Ohio): „Endlich haben wir einen Präsidenten mit der moralischen Klarheit und Stärke, das Leben der Amerikaner zu schützen.“ An Maduro gerichtet sagte Moreno, der müsse angesichts des Kopfgeldes von 50 Millionen US-Dollar, die von den USA für seine Ergreifung ausgesetzt wurden, nun „mit offenen Augen schlafen.“

Warnung aus Kolumbien

Die Entsendung dieser Militärkräfte sei zwar eine „enorme Aufstockung“, sagt Robert Evan Ellis, Experte für Lateinamerika-Studien am U.S. Army War College im Gespräch mit WELT. Er zieht zur Einordnung der Größenordnung allerdings auch einen historischen Vergleich: „Der Umfang ist geringer, als man für eine vollständige Invasion und Besetzung eines Landes benötigen würde. Bei den US-Operationen in Panama im Jahr 1989 waren die Streitkräfte viel größer.“

Eine Warnung kommt derweil aus Venezuelas Nachbarland Kolumbien. Dessen linkspopulistischer Präsident Gustavo Petro steht wegen seines bislang gescheiterten Friedensprozesses unter Druck. Statt Frieden brachten die Gespräche mit linksextremen Guerillagruppen und rechtsextremen Paramilitärs einen deutlichen Anstieg der Kokainproduktion und der Amazonas-Abholzung.

Kolumbien ist das einzige Nato-Partnerland in Südamerika. Trotzdem verstärkte Petro entgegen aller internationalen Trends die Zusammenarbeit mit dem brutalen Regime in Caracas und startete eine binationale Handelszone im Grenzgebiet. Profitieren dürfte von der neuen Bewegungsfreiheit vor allem die dort agierenden illegalen Gruppen, die inzwischen so viel Kokain produzieren, dass sie gar nicht mehr wissen, wohin damit. Ein Großteil davon wird inzwischen über Venezuela nach Europa und in die USA gebracht.

Die waffentechnisch hochgerüsteten linksextremen Guerillagruppen ELN und FARC haben in Venezuela mit Duldung Maduros ein Rückzugsgebiet und Aufmarschgebiet. Wohl auch deshalb warnt Petro: „Die Gringos sind auf dem Holzweg, wenn sie glauben, dass sie ihr Problem lösen können, indem sie in Venezuela einmarschieren.“ Sie würden damit Venezuela in eine ähnliche Lage wie Syrien bringen.

Ein Kriegsszenario hält Militärexperte Ellis für unwahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Militärpräsenz in der Region verfolge ein anderes Ziel: „Ich würde sagen, dass die Wahrscheinlichkeit für einen Militäreinsatz bei etwa 30 Prozent liegt. Es geht sehr wahrscheinlich eher darum, Nicolas Maduro davon zu überzeugen, dass eine solche Operation überhaupt möglich ist.“

Prognosen, dass das Ende Maduros bevorstehe, gab es schon oft. Doch diesmal gibt es Indizien, dass die Solidarität im eigenen Lager zunehmend bröckelt. Brasilien bekräftigte in diesen Tagen, dass es Maduro nach dessen hochumstrittenen Wahlsieg 2024 nicht als legitimen Präsidenten anerkennen würde. Internationale Wahlbeobachter hatten damals festgestellt, dass eigentlich der oppositionelle Kandidat Edmundo Gonzalez die Präsidentschaftswahlen 2024 deutlich gewonnen hatte. Maduro rief sich trotzdem zum Sieger aus. Gonzalez lebt seitdem im Exil.

Nach dem jüngsten Wahldesaster der Sozialisten in Bolivien wird künftig ein wichtiger Verbündeter Maduros in Südamerika wegfallen. Und inzwischen gehen auch ideologische Verbündete wie der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel, die ihn bis zuletzt stützten und eine Art Legitimation verliehen, auf Distanz. Das dürfte die interne Erosion innerhalb des Machtapparates vorantreiben.

Angesichts der schweren Menschenrechtsverletzungen und des Wahlbetruges nutzen langjährige Verbündete nun die Gelegenheit, sich doch noch von Maduro abzusetzen. China und Russland, die internationalen Partner Venezuelas, schweigen bislang zur jüngsten Entwicklung. Ein Indiz dafür, dass auch Peking und Moskau abwägen, wie weit die Solidarität mit Maduro noch reichen soll.

Tobias Käufer ist Lateinamerika-Korrespondent. Im Auftrag von WELT berichtet er seit 2009 über die Entwicklungen in der Region.

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