China hat seine Bereitschaft signalisiert, sich an Friedenstruppen für die Ukraine zu beteiligen. Das sagten EU-Diplomaten WELT AM SONNTAG unter Berufung auf chinesische Regierungskreise. Sie betonten aber, die Regierung in Peking wäre dazu nur bereit, „wenn die Friedenstruppen auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen (UN) eingesetzt würden“.

In Brüssel stößt der Plan aus Peking auf ein geteiltes Echo. Einerseits, so heißt es, könnte die Einbeziehung von Ländern des Globalen Südens wie China die Akzeptanz für eine Stationierung ausländischer Truppen zur Überwachung eines Friedens befördern. Andererseits „besteht aber auch die Gefahr, dass China in der Ukraine vor allem spionieren will und im Konfliktfall anstatt einer neutralen Position eine klar prorussische Position einnimmt“, sagte ein hoher EU-Diplomat, der mit den aktuellen Beratungen vertraut ist.

Hinzu kommt, dass die Neigung der meisten EU-Länder, mögliche Friedenstruppen zuvor mit einem UN-Mandat auszustatten, aus verschiedenen Gründen nicht allzu groß ist. Italien setzt sich allerdings seit Monaten mit Nachdruck dafür ein.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte am Mittwoch angesichts der Debatte über die von westlichen Ländern angestrebten Sicherheitsgarantien für die Ukraine – wozu auch Friedenstruppen gehören – eine Verständigung ohne eine russische und möglicherweise auch chinesische Beteiligung ausgeschlossen. „Der Westen versteht sehr gut, dass eine ernsthafte Diskussion über Sicherheitsgarantien ohne die Russische Föderation Utopie ist“, sagte Lawrow. Der Außenminister widersprach damit US-Präsident Trump, der nach einem Telefonat mit dem russischen Machthaber Putin am Dienstag gesagt hatte, er glaube nicht, dass europäische Sicherheitsgarantien für den Kremlchef ein Problem wären.

Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj wies Lawrows Forderungen nach einer Beteiligung Chinas zurück. „Wir brauchen Sicherheitsgarantien nur von jenen Ländern, die bereit sind, uns zu helfen“, sagte er. Peking unterstützt Moskau seit Beginn des Ukraine-Kriegs mit milliardenschweren Einkäufen von Öl und der Lieferung von elektronischen Komponenten zur Herstellung von Präzisionswaffen. Zudem unterhalten beide Länder eine Partnerschaft, die sie als „grenzenlos“ bezeichnen.

Nach Ansicht des Westens umfassen Sicherheitsgarantien für die Ukraine ein breites Spektrum und nicht allein militärische Unterstützung im Fall eines Angriffs auf das Land nach dem Vorbild der Beistandszusage nach Artikel 5 des Nato-Vertrags. Dies geht aus der Erklärung der G-7-Gruppe westlicher Wirtschaftsmächte – wozu unter anderem die USA und Deutschland gehören – von Mitte Juli 2023 und den „Gemeinsamen Sicherheitszusagen zwischen der EU und der Ukraine“ von Ende Juli 2024 hervor.

Demnach beinhalten Sicherheitsgarantien auch die Ausbildung von ukrainischen Streitkräften, Lieferung von Waffen, Hilfe beim Aufbau der Verteidigungsindustrie, Geheimdienstinformationen, Sanktionen, wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie einen stufenweisen EU-Beitritt der Ukraine.

Mehr als langfristige militärische Zusicherungen im Falle eines Angriffs – wobei die Ukraine die erste robuste Verteidigungslinie bilden soll, europäische und gegebenenfalls außereuropäische die zweite Verteidigungslinie darstellen und die USA notfalls mit Luftunterstützung als dritte Verteidigungslinie infrage kommt – interessiert die Europäer derzeit die unmittelbare Sicherung eines möglichen Waffenstillstands oder Friedensschlusses.

Ranghohe EU-Diplomaten sagten, bei einer Überwachung der Einhaltung einer Waffenruhe könnten anders als früher an der Front vor allem Drohnen eingesetzt werden. Was passiert, wenn die Waffenruhe verletzt wird, müsse in einem Mandat definiert werden. Denkbar wäre, dass – wie im Fall der Überwachung der Minsker Vereinbarungen zur Beilegung des Ukraine-Konflikts nach der Krim-Annexion im Jahr 2014 durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) – Verletzungen des Waffenstillstands nur registriert und gemeldet werden. Ein Mandat könne aber auch so gestaltet werden, dass Soldaten im Konfliktfall einschreiten.

Sorge vor US-Truppenabzug aus Europa

Im Brüsseler Nato-Hauptquartier wartet man mit Hochspannung auf die amerikanischen Truppenabzugspläne aus Europa. Ursprünglich wurde erwartet, dass der US-Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Elbridge A. Colby, die Pläne in der ersten Septemberhälfte in Brüssel vorstellen würde. Jetzt wird erst nach Ende des russisch-belarussischen Manövers „Sapad“ Mitte September damit gerechnet.

Demnach wird Colby seine Pläne wohl frühestens Ende September vorstellen. Nato-Kreise erwarten, dass Washington „40.000 bis 70.000 der insgesamt bis zu 100.000 Soldaten und Soldatinnen“ in Europa abziehen wird. Einige US-Truppenteile würden anschließend wohl im US-Gebiet zur Grenzsicherung oder Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit in Städten eingesetzt. Weiter hieß es, die politischen Orientierungshilfen der Allianz (‚political guidance‘) im Rahmen der Nato-Verteidigungsplanung würden möglicherweise früher angepasst werden als ursprünglich für 2027 geplant. Damit könnten auch neue Aufgaben auf die Bundeswehr zukommen.

Christoph B. Schiltz ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet unter anderem über Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, die europäische Migrationspolitik, die Nato und Österreich.

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