Es ist Donald Trumps erklärter Wille, dass sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Russlands Machthaber Wladimir Putin treffen. Erst soll es ein Zweiergespräch, dann ein trilaterales Format mit dem US-Präsidenten als Vermittler sein. Nach seinem Zusammentreffen mit dem russischen Machthaber in Alaska und dem Gipfel mit Selenskyj und den Europäern Anfang der Woche in Washington wäre es der vorläufige Höhepunkt von Trumps Friedensbemühungen.
Wann und wo ein solcher Dreier-Gipfel stattfinden wird, ist unklar. Der amerikanische Secret Service, der mit dem Schutz des Präsidenten betraut ist, favorisiert offenbar Budapest. Für die Ukraine wäre das eine unangenehme Wahl. Schließlich wurde in der ungarischen Hauptstadt 1994 jenes Abkommen geschlossen, das Kiew zur Abgabe seiner Atomwaffen aus der Sowjetzeit verpflichtete und im Gegenzug Sicherheitszusagen enthielt, die sich im Nachhinein als zahnlos erwiesen. Genf oder Istanbul wären neutralere Orte. Die Metropole am Bosporus war bereits Austragungsort der ersten und bisher letzten ernsthaften Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland.
Im März 2022, nur wenige Wochen nach Kriegsausbruch, trafen sich eine russische und eine ukrainische Delegation und arbeiteten einen Entwurf für einen Friedensvertrag aus. Eine Einigung gab es damals nicht. Heute wäre die Ausgangsposition eine andere – doch die Hauptstreitpunkte sind noch immer dieselben.
Eine neue Runde Friedensverhandlungen hätte eine andere Qualität als die Istanbuler Runde im Frühjahr 2022. Damals verhandelten auf beiden Seiten jeweils eine Delegation halbprominenter Vertreter: Selenskyj schickte Dawyd Arachamija, den Chef seiner Partei, als Verhandlungsführer. Für Putin reiste Kulturminister Wladimir Medinsky an.
Neue Player, andere Machtverteilung
Zwar handelten beide Delegationen im Auftrag ihrer Präsidenten, sie waren jedoch nicht autorisiert, wichtige Entscheidungen zu treffen, etwa über die exakte Ausgestaltung der Sicherheitsgarantien oder territoriale Fragen. Dies sollte bei einem direkten Treffen zwischen Putin und Selenskyj besprochen werden, zu dem es nie kam. Dass Trump nun ein solches Aufeinandertreffen anstrebt, ergibt insofern Sinn, als die entscheidenden Fragen nur von den Präsidenten selbst entschieden werden können.
Bezeichnend ist, dass Russland bereits auf die Bremse tritt. Ein Gespräch zwischen Putin und Selenskyj müsse zunächst „vorbereitet“ werden, heißt es aus Moskau. Offen ist, wie lange sich Trump vom Kreml wird hinhalten lassen. Im Vergleich zu 2022 würde eine neue Verhandlungsrunde in diesem Jahr unter anderen Machtverhältnissen stattfinden. Die ersten Istanbuler Gespräche liefen, als sich gerade herausstellte, dass der russische Vormarsch auf Kiew krachend gescheitert war. Mit minimalen militärischen Mitteln und westlicher Unterstützung gelang es den ukrainischen Truppen, Russlands Armee zurückzudrängen.
Damals, wenige Tage vor dem Treffen in der Türkei, erklärte das russische Verteidigungsministerium, dass man den Rückzug aus der Region nördlich der ukrainischen Hauptstadt einleiten werde, um sich auf den Osten des Landes „zu konzentrieren“. Aber nun, nach dreieinhalb Jahren Krieg, hat sich das Kräfteverhältnis zugunsten Russlands verändert. Putins Armee ist auf dem Vormarsch und erobert langsam, aber sicher Quadratkilometer für Quadratkilometer. Besonders in der Region Donezk tobt ein erbitterter Kampf um die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk, die die Ukraine auf Dauer nicht wird halten können.
China und Belarus – Seltsame Garantiestaaten
Russlands Außenminister Sergej Lawrow sagt klar, dass sich an der russischen Sichtweise und damit an der mangelnden Kompromissbereitschaft des Kreml seit 2022 nichts geändert hat. Die aktuellen Diskussionen in Europa über Sicherheitsgarantien für die Ukraine ohne die Einbindung Russlands nannte er eine „Sackgasse“. Dagegen finde man „ein gutes Beispiel“ für zuverlässige Garantien bereits im Vertragsentwurf von Istanbul, sagte Lawrow. Diese seien auch nun anzustreben.
Putins Außenminister spielt auf den Passus im Vertragsentwurf an, den WELT AM SONNTAG im April 2024 veröffentlichte. Darin wird ein Beistandsmechanismus für einen künftigen „bewaffneten Angriff auf die Ukraine“ geregelt, durch den sich die Garantiestaaten verpflichtet hätten, Kiew innerhalb von höchstens drei Tagen bei seinem in der UN-Charta verbrieften Recht auf Selbstverteidigung zu „unterstützen“. Dieser Beistand hätte in einer „gemeinsamen Aktion“ aller oder einzelner Garantiemächte erfolgen können.
Zu den Garantiestaaten hätten die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats – inklusive Russland und China – sowie Belarus und die Türkei gehören sollen. Dass Moskau, seine Marionettenregierung in Minsk und China auch Garantiestaaten werden sollten, mutete schon damals seltsam an. Aber entscheidend war und ist die konkrete Ausgestaltung des Auslösungsmechanismus. Hier beharrte Russland damals darauf, dass im Angriffsfall alle Garantiestaaten der Aktivierung des Beistandsmechanismus zustimmen müssten. Damit wollte sich der Kreml für die Sicherheitsgarantien ein Veto sichern und diese ad absurdum führen. Eine Forderung, die Lawrow nun erneut vorbringt.
Für die Ukraine und die europäischen Staaten ist das ernüchternd. Schließlich verkaufte Trump es ihnen als Ergebnis seines Treffens mit Putin in Alaska, dass dieser westliche Sicherheitsgarantien und sogar die Stationierung von Truppen aus Nato-Ländern akzeptieren würde. Bei letzterem widersprach der Kreml bereits ausdrücklich. „Total ausgeschlossen“, sagte dazu Moskaus OSZE-Botschafter Michail Ulyanow. Während einige Länder, darunter Frankreich, Großbritannien oder Litauen sich öffentlich bereiterklärt haben, Truppen zur Friedensabsicherung entsenden zu wollen und damit robuste Sicherheitsgarantien bereitstellen wollen, zögern andere, darunter Deutschland.
Trump schloss die Entsendung von US-Truppen kategorisch aus, versprach den Europäern aber, „zu helfen“. Wie diverse Medien berichteten, ist Washington wohl bereit, die entsprechende Luftunterstützung für europäische Truppen bereitzustellen. „Der Präsident versteht, dass Sicherheitsgarantien essenziell wichtig für einen stabilen Frieden sind“, gab seine Sprecherin noch am Mittwoch zu Protokoll. Dass das in der Praxis nicht viel bedeuten könnte, machte das Pentagon in einer Schaltkonferenz der Nato am selben Tag klar. Die US-Beamten überbrachten ihren europäischen Kollegen die Botschaft, dass der Kontinent die Hauptlast möglicher Garantien schultern müsse und Washington nur eine „minimale“ Rolle spielen werde.
Ist der Westen nicht in der Lage, handfeste Sicherheitsgarantien aufzustellen, wird es für Selenskyj unmöglich, beim zweiten großen Streitthema schmerzhafte Zugeständnisse zu machen: der Abtretung von ukrainischen Gebieten. Russland fordert sogar die Übernahme ukrainischen Territoriums, das es militärisch gar nicht kontrolliert. Auch das hat sich seit 2022 nicht geändert.
Gregor Schwung berichtet seit 2025 als außenpolitischer Korrespondent über transatlantische Beziehungen, internationale Entwicklungen und geopolitische Umbrüche mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Ukraine und die USA.
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