Nach offizieller Statistik lagen die Neuzulassungen von Elektroautos im ersten Halbjahr auf Rekordniveau. Das Kfz-Gewerbe kritisiert, die Zahlen seien irreführend. Echte Kundennachfrage fehle.
Das Kraftfahrtbundesamt bezeichnet die ersten sechs Monate als "Rekordhalbjahr", was die Neuzulassungen von Elektro-Pkw angeht. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) dagegen spricht weiter von einer Flaute der E-Mobilität. Mehr noch: Die offiziellen Zahlen täuschten über die schrumpfende Nachfrage bei privaten und stagnierende gewerbliche Zulassungen hinweg, so der Verband, der Autohäuser und Kfz-Betriebe vertritt. Laut ZDK handelt es sich um eine "Stimulation der Zulassungsstatistik ohne echte Wertschöpfung im Automobilmarkt".
Grund seien sogenannte Eigenzulassungen von Herstellern und Händlern. Die wachsende Zahl an Neuzulassungen batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) täusche über die Realität im Handel hinweg, kritisiert ZDK-Präsident Thomas Peckhuhn. "Was statistisch als Erfolg erscheint, ist in der Realität häufig das Ergebnis von Eigenzulassungen durch Hersteller und Händler, Flottengeschäften oder taktischen Maßnahmen - nicht aber von echter Kundennachfrage im Handel."
Dem widerspricht der Münchner Autobauer BMW auf Nachfrage von tagesschau.de: "Einen überproportionalen Anteil an Eigenzulassungen können wir im deutschen Markt bei BMW und Mini im ersten Halbjahr 2025 nicht bestätigen. Wachstumstreiber bei den BEVs waren hier vielmehr private und gewerbliche Kunden."
Marge für die Händler sinkt
Eigenzulassung heißt, dass Autobauer Fahrzeuge auf sich selbst zulassen, etwa für Dienstwagen der Führungskräfte, Mitarbeitermobilitätsprogramme oder den eigenen Fuhrpark. Volkswagen erklärt auf Nachfrage der ARD-Finanzredaktion, die Kategorie "Eigenzulassungen" umfasse sämtliche Test- und Erprobungsfahrzeuge. "Darüber hinaus Dienstwagen sowie Leasingfahrzeuge, die von Volkswagen-Mitarbeitenden sowie Mitarbeitenden der Tochtergesellschaften genutzt werden."
Zudem überzeugten Hersteller mit entsprechenden Rabatt-Programmen die Händler davon, selbst Neuwagen zuzulassen, etwa als Test- oder Vorführwagen, erklärt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Das sei nichts ungewöhnliches, so der Experte zu tagesschau.de. "Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass es die Händler nervt, da beim anschließenden Verkauf der bereits zugelassenen Wagen die Marge für sie sinkt."
Eigenzulassungen keine Besonderheit
Das betrifft allerdings nicht nur E-Autos. Laut Kraftfahrtbundesamt sind unter allen Fahrzeug-Neuzulassungen in der Regel zwei Drittel gewerbliche Neuzulassungen und nur ein Drittel private. Bei Volkswagen betrug der Anteil der Eigenzulassungen in Deutschland im Juli 2025 nach Angaben einer Konzernsprecherin 24 Prozent.
Aus Sicht der Hersteller haben Eigenzulassungen eine Absatzfunktion, so Bratzel, denn sie reduzierten damit den Preis: "Sie produzieren quasi Gebrauchtwagen." Selbst nach einer Kurzzulassung gilt der Wagen als gebraucht und kann wesentlich günstiger weiter verkauft werden. Quasi eine Rabatt-Aktion durch die Hintertür, ohne den Listenpreis zu drücken - was für Verbraucher also eher von Vorteil ist.
Hersteller wollen Autos "in den Markt drücken"
Insgesamt könne das die Attraktivität von E-Autos steigern, sagt Beatrix Keim vom CAR, Center of Automotive Research. "Ich würde die gestiegene Zahl der Eigenzulassungen daher nicht als geschönt bezeichnen." Vielmehr sei es doch gut, dass dadurch mehr E-Autos auf der Straße sichtbar seien. Das könne das Interesse an Elektroautos steigern, so Keim.
Aus Sicht der Hersteller seien die Eigenzulassungen auch ein Mittel, ihre Marken in den "deutschen Markt zu drücken", so die Expertin. Das gelte insbesondere für chinesische Hersteller von batteriebetriebenen Fahrzeugen, die günstige Fahrzeuge nach Deutschland bringen wollten und gerade erst dabei seien, ihr Händlernetz aufzubauen. Auf Nachfrage von tagesschau.de bestätigt der chinesische Autobauer BYD, Händlerbetriebe, "deren Zahl derzeit rasant wächst", mit Demofahrzeugen auszustatten.
Konzerne müssen CO2-Ausstoß reduzieren
Der Zentralverband des Kfz-Gewerbes hat ausgerechnet, dass sich die Eigenzulassungen batterieelektrischer Autos durch Hersteller und Handel im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr 2023 mehr als verdoppelt haben - auf 65.401 Fahrzeuge. Allein die Eigenzulassungen der Hersteller haben sich in zwei Jahren vervierfacht.
Diesen Vergleichszeitraum moniert Beatrix Keim vom CAR-Institut. Denn 2023 sei das Jahr gewesen, in dem die Förderung privater E-Auto-Käufe auslief. Doch auch im Vergleich zu 2024 sei die Zahl der Eigenzulassungen im ersten Halbjahr um 25 Prozent angestiegen, sagt Keim.
Das ist aus Sicht des Auto-Experten Stefan Bratzel nicht verwunderlich, denn die Hersteller in der EU müssen bis 2027 den Gesamt-CO2-Ausstoß ihrer verkauften Fahrzeuge reduzieren. Dazu sei es wichtig, dass sie mehr batteriebetriebene Fahrzeuge verkaufen. "Hersteller müssen bis 2027 im Mittel unter all ihren Verkäufen rund 25 Prozent E-Autos verkaufen, um den Flottengrenzwert zu erreichen", erklärt Bratzel "um somit hohen Strafzahlungen zu entgehen".
Fehlen Anreize vom Staat?
Um für mehr private Autofahrer den Umstieg auf E-Mobilität attraktiver zu machen, braucht es aus Sicht der Experten Anreize der Politik. Bratzel sieht den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur als oberste Priorität. "Ich muss die Sicherheit haben, regelmäßig laden zu können", fordert der Mobilitätsexperte, der im wissenschaftlichen Beirat des Bundesverkehrsministeriums sitzt.
Das gelte insbesondere für Menschen in Mietshäusern, die keine Wallbox in der Garage haben. Ein weiterer Aspekt sei der Strompreis, um auch eine Kundengruppe anzusprechen, die mehr aufs Geld schauen müsse.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Umfrage des ZDK. Demnach sieht der Großteil der befragten Mitgliedsunternehmen den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Senkung der Stromkosten als drängendstes Thema, das die Politik zur Förderung der E-Mobilität angehen müsse.
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