• Was kostet eine Wehrpflicht? Und wen betrifft es?
  • Welche Kosten bringt eine Berufsarmee mit sich?
  • Die Kosten einer Wehrpflicht sind ungleich verteilt.

Das Ifo-Institut München hat die gesellschaftlichen Kosten einer Rückkehr zu Wehrpflicht und Wehrersatzdienst für Deutschland berechnet. Abhängig davon, wie viele Menschen eingezogen werden, tragen die Wehrdienstleistenden selbst bereits wirtschaftliche Verluste von bis zu 79 Milliarden Euro – pro Jahr. Hinzu kommen Milliardenverluste durch sinkende Wirtschaftsleistung. Geprüft wurden drei Modelle, bei denen jeweils fünf Prozent, 25 Prozent oder ein gesamter Jahrgang eingezogen werden.

Das kostet eine Wehrpflicht

Die Kosten der Wehrpflicht entstehen auf mehreren Ebenen: Bei den Wehrdienstleistenden, durch Verluste auf Ebene der Volkswirtschaft und durch Kosten für den Staat, um den Wehrdienst zu bezahlen.

Wer zur Bundeswehr – oder zum Wehrersatzdienst – muss, bleibt Arbeit oder Ausbildung fern. Den Betroffenen fehlt damit ein Jahr, in dem sie Geld verdienen und ansparen können, für Bildung und beruflichen Aufstieg. Problematisch ist aus Sicht der Forscher vor allem der Bruch zwischen Schule und Ausbildung oder Studium, den ein Wehrdienst verursacht. Eine OECD-Studie aus dem Jahr 2010 zeigt, dass diese Bildungsbrüche die Hauptursache für niedrigere Einkommen bei früheren Wehrdienstleistenden sind.

Schlechtere Bildung, weniger Zeit zum beruflichen Aufstieg und zum Vermögensaufbau – das summiert sich. In der Folge ist das Einkommen über das gesamte Leben geringer, wie die Ifo-Modellrechnung zeigt.

79 Milliarden Euro Belastungen für Wehrdienstleistende

Wer weniger Geld hat, gibt weniger Geld aus. Die Belastung auf Ebene der Wehrdienstleistenden hat das Ifo-Institut berechnet. Um 79 Milliarden Euro pro Jahr würde der private Konsum einbrechen, wenn jeweils ein gesamter Jahrgang zu einem verpflichtenden Dienstjahr eingezogen würde. Werden wie im – von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius geplanten – "Schwedischen Modell" fünf Prozent eingezogen, beträgt der Verlust vier Milliarden Euro pro Jahr.

Eine Wehrpflicht hat nach den Berechnungen der Ökonomen auch Folgen für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes. Beim Verpflichten eines ganzen Jahrgangs, würde das Bruttonationaleinkommen (das frühere Bruttosozialprodukt) um etwa 70 Milliarden Euro pro Jahr schrumpfen. Im Fünf-Prozent-Szenario beträgt der Rückgang 3,4 Milliarden Euro.

Soldaten und Wehrdienstleistende werden aus dem Staatshaushalt bezahlt. Da der Wehrdienst eine Pflicht ist, muss der Sold nicht konkurrenzfähig sein. Das Ifo-Institut rechnet mit einer Vergütung von 1.000 Euro pro Monat. Das würde den Steuerzahler 13 Milliarden Euro jährlich im 100-Prozent-Szenario kosten. Im 5-Prozent-Szenario sind es 600 Millionen Euro. Hinzu kommen noch Kosten für Musterung, Ausrüstung, zusätzliche Kasernen.

Das kostet eine Berufsarmee

Berufssoldaten sind durch den höheren Sold für den Staat teurer. Damit eine Berufsarmee für Bewerber attraktiv ist, muss die Bezahlung konkurrenzfähig sein. Denn die Bundeswehr steht im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern. Im 100-Prozent-Modell kostet das jährlich gut 30 Milliarden Euro. Bezahlt man wie beim geplanten "Schwedischen" 5-Prozent-Modell Freiwillige zu Marktpreisen, kostet das nach Ifo-Berechnung 1,5 Milliarden Euro im Jahr.

Die Ifo-Forscher haben auch die Belastungen auf Ebene der dienenden Soldaten und der Wirtschaft berechnet. Diese sind deutlich geringer als bei einer Wehrpflicht. Bei einer Berufsarmee-Lösung fiele auch der Rückgang des privaten Konsums deutlich niedriger aus – 56 Milliarden statt 79 Milliarden Euro im 100-Prozent-Szenario. In allen Szenarien sind die Einbußen der Betroffenen bei einer Wehrpflicht stets höher als die einer freiwilligen Berufsarmee.

Auch der modellierte Rückgang der wirtschaftlichen Leistung ist mit einer Berufsarmee in allen Fällen geringer, als mit einer Wehrpflicht. Im 100-Prozent-Szenario läge er bei gut 37 Milliarden Euro im Vergleich zu 70 Milliarden Euro bei einer allgemeinen Wehrpflicht.

Die Kosten der Wehrpflicht werden fast ausschließlich von jenen Individuen getragen, die zum Wehrdienst verpflichtet werden.

Ifo Institut München2024

Die Kosten einer Wehrpflicht sind ungleich verteilt. Vor allem die eingezogenen Wehrpflichtigen – also die jungen Generationen – müssen die wirtschaftlichen Lasten tragen. Die Ifo-Ökonomen machen das unter anderem am Vermögen über die gesamte Lebenszeit fest. Das Vermögen eines Wehrpflichtigen ist in allen Szenarien etwa zwölf Prozent geringer, als bei Menschen, die nicht eingezogen werden. Deren Vermögen sinkt minimal durch leicht höhere Steuern.

Bei einer Berufsarmee hingegen werden die gesamten Kosten – über höhere Steuern – auf die gesamte Gesellschaft verteilt. In dem Fall tragen nicht mehr nur die Eingezogenen die ganze Last. Der Vermögensrückgang bei den freiwilligen Soldaten ist in diesem Fall mit 0,2 Prozent beim Schwedischen Modell oder 3,7 Prozent bei einem allgemeinen Dienstjahr deutlich geringer.

Die Ifo-Wissenschaftler um Panu Poutvaara kommen anhand ihrer Berechnungen zu dem Schluss, dass eine Wehrpflichtarmee in allen geprüften Szenarien für die Gesellschaft deutlich teurer ist, als eine Berufsarmee. Der Staat spare auf Kosten der Soldaten bei den Sold-Zahlungen. Die wirtschaftliche Last einer Wehrpflicht hätten vor allem die Eingezogenen zu tragen. Eine Berufsarmee würde geringere gesellschaftliche Kosten hervorrufen. Die Lasten würden dabei auch fairer auf die gesamte Gesellschaft verteilt.

Die Redaktion hat das Bundesverteidigungsministerium und den Wehrbeauftragten des Bundestags angefragt, ob Informationen zu den gesellschaftlichen Kosten einer möglichen Wehrpflicht vorliegen. Das Ministerium machte keine Angaben und verwies auf die Vorstellung des Gesetzentwurfs. Vom Wehrbeauftragten lag bis Redaktionsschluss keine Antwort vor.

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