• Nach aktueller Rechtslage werden Täter mit doppelter Staatsangehörigkeit in der Statistik nur als deutsche Staatsbürger geführt.
  • Die CDU plädiert für eine Nennung anderer Staatsbürgerschaften in der Statistik – aus Gründen der Transparenz.
  • Beim Koalitionspartner SPD und in der Opposition ist man hingegen überzeugt, dass die Ursachen für Straftaten im sozialen Bereich liegen.

Bei mehreren Pässen: Nur deutsche Staatsbürgerschaft statistisch vermerkt

Welche Staatsbürgerschaft gilt eigentlich bei der Erfassung von Tatverdächtigen in der polizeilichen Kriminalstatistik, wenn sie mehrere Staatsbürgerschaften besitzen? Jennifer Führer, stellvertretende Direktorin am Zentrum für kriminologische Forschung in Chemnitz, fasst es so zusammen: "Aktuell ist es so, wenn eine Person mit einer doppelten Staatsbürgerschaft eine Straftat begeht, dann wird, wenn diese Person die deutsche Staatsangehörigkeit hat, nur die deutsche für die polizeiliche Kriminalstatistik erfasst."

Mario Bachmann vom Institut für Kriminologie der Uni Heidelberg ergänzt: "Dabei ist das Grundgesetz zum Beispiel an der Stelle ganz klar: Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, vollkommen egal, ob da noch andere Staatsangehörigkeit existieren oder nicht. Ich sehe da eher die Gefahr, dass da wenig Konstruktives daraus entsteht, sondern eher Vorurteile und Fehlvorstellungen bedient werden."

CDU Thüringen: Bürger und Politik brauchen Transparenz bei Gefahren

Stefan Schard, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag verteidigt hingegen den Vorschlag aus NRW: "Ich könnte jetzt ketzerisch zurückfragen – was spricht denn dagegen? Aber in der Tat ist es so, dass es natürlich mehr Gründe gibt, die dafür sprechen, hier eine genauere Erfassung zu haben statt einer ungenauen Erfassung."

Außerdem betont Schard: "Nicht nur die Menschen haben einen Anspruch darauf zu wissen, woher Gefahren kommen, auch die Politik braucht diese Informationen, braucht diese Transparenz, um einordnen zu können, wo denn tatsächlich Gefahrenherde liegen, um die am Ende auch besser bekämpfen zu können. Dafür ist das aus meiner Sicht nicht nur ein probates Mittel, sondern es ist auch sehr geeignet, um hier ein klareres, deutlicheres und besseres Bild zu haben."

SPD und Opposition: Kriminalität keine Ursache der Staatsbürgerschaft

Über die Sinnhaftigkeit dieses Vorschlags ist man sich beim thüringischen Koalitionspartner SPD noch nicht so recht im Klaren. Die justiz- und innenpolitische Sprecherin der Thüringer SPD-Fraktion, Dorothea Marx, mutmaßt daher: "Naja, es sieht ein bisschen nach Symbolpolitik aus. Wir wissen ja nicht, was sie damit für einen Zweck verfolgt. Das Strafrecht beschäftigt sich ja mit Taten und mit Täterpersönlichkeiten und nicht mit Staatsangehörigkeiten. Und wenn die dann Doppelstaatsangehörigkeiten erfasst, dann ändert sich an der Sicherheit in Thüringen erstmal überhaupt nichts."

Und auch in der Opposition ist man von dem CDU-Vorstoß wenig begeistert – wie zum Beispiel Ronald Hande, innenpolitischer Sprecher der Linkspartei: "Für uns ist das ein populistischer, ein überflüssiger Vorschlag und für die Polizei hat der nun auch absolut keinen operativen Mehrwert. Wir lehnen einen solchen Vorstoß ab, weil wir ihn eben nicht für geeignet halten, Schlussfolgerungen über Kriminalität oder Kriminalitätsursachen anzustellen. Die liegen ja tatsächlich eher im sozialen, vielleicht auch im wirtschaftlichen Bereich, aber doch nicht in der Frage, ob eine zweite Staatsangehörigkeit vorliegt. Das ist aus meiner Sicht der falsche Ansatz."

Kriminologie und Sozialforschung: Lebenslagen in den Fokus setzen

Darüber sind sich auch Kriminologen und Sozialforscher einig. Die Nationalität sollte in der polizeilichen Kriminalstatistik überhaupt keine Rolle spielen. Stattdessen sollte man andere Faktoren erfassen, sagt die Kriminologin, Jennifer Führer: "Wenn wir uns demografische Faktoren angucken wollen, die Kriminalität oder delinquentes Verhalten vorhersagen, dann sind das genau zwei: Einerseits das Geschlecht und andererseits das Alter. Junge Männer begehen häufiger Straftaten als alle anderen Bevölkerungsgruppen."

Mit Blick auf die sozialen Umstände ordnet die Kriminologin ein: "Wenn wir uns jetzt aber auf die Suche begeben nach Faktoren, die kriminelles Verhalten fördern, an denen wir als Gesellschaft auch ansetzen können – weil Alter und Geschlecht können wir jetzt irgendwie schwer ändern – dann sollte auf gar keinen Fall die Frage nach Herkunft gestellt werden, sondern da richtet sich der Blick auf aktuelle Lebenslagen wie soziale Bedingungen, Bildung oder frühere Gewalterfahrungen."

Wenig Erfolgsaussichten: Länder und Bund müssten mitziehen

Aussicht auf Erfolg des CDU-Vorstoßes sieht man beim Thüringer Koalitionspartner, der SPD, übrigens auch nicht, erklärt Dorothea Marx: "Es würde ja auch effektiv ganz schwer umsetzbar sein. Wenn die Statistik geändert wird – das ist ja sinnvoll, dass die überall gleich ist – dann müssten alle Länder und der Bund zustimmen und deswegen hilft das im Moment eigentlich gar nicht."

Und auch in Sachsen hat man sich mit dem Vorschlag aus NRW auseinandergesetzt. Die CDU-Fraktion im Dresdner Landtag kommt zu dem Schluss, dass dafür keine Notwendigkeit besteht. In Sachsen würde man eine andere Gesellschaftsstruktur als in Nordrhein-Westfalen vorfinden. Höhere bürokratische Belastungen seien daher für Sachsen schlicht nicht zu rechtfertigen.

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