Einen Tag nach dem Sturz der Regierung hat Frankreichs Präsident den neuen Premierminister ernannt. Der 39 Jahre alte Sébastien Lecornu, bislang Verteidigungsminister und ein enger Vertrauter von Macron, wird der nächste Regierungschef.

Lecornu ist bereits der fünfte Regierungschef unter Macron in weniger als zwei Jahren. Sein Vorgänger, François Bayrou, war am Montag nach einem verlorenem Vertrauensvotum wegen seiner Pläne zur Kürzung der öffentlichen Ausgaben gestürzt. Auf Lecornu wartet unter anderem die Aufgabe, einen Haushalt durch das zerstrittene und tief gespaltene Parlament zu bringen.

In der Mitteilung des Élysée-Palastes hieß es, soll nun mit den politischen Kräften in der Nationalversammlung beraten, um den dringend nötigen Haushalt auf die Beine zu stellen, hieß es. Auch Vereinbarungen für die Entscheidungen der kommenden Monate solle er mit ihnen treffen.

Erst im Anschluss solle der neue Premier seine Regierungsmannschaft vorschlagen. Sein Handeln solle unter anderem von der Verteidigung der Unabhängigkeit und der Stärke Frankreichs geleitet werden. „Der Präsident der Republik ist überzeugt, dass auf diesen Grundlagen ein Einvernehmen zwischen den politischen Kräften im Respekt der Überzeugungen eines jeden möglich ist.“

Kritik von der Opposition

Fraktionschefin der rechtsnationalen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, warf Macron vor, seine „letzte Kugel“ abzufeuern. Grünen-Chefin Marine Tondelier nannte die Ernennung eines weiteren Premierministers aus dem Regierungslager – das bei den Parlamentswahlen nur auf den zweiten Platz gekommen war – eine „Provokation“.

Von den Konservativen kommend wurde Lecornu 2017 in die Mitte-Regierung von Édouard Philippe berufen. Lecornu wird nachgesagt, einen gewissen Draht zu und Respekt von Le Pen zu haben. Er gilt als Politiker, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine krasse Ablehnung entgegenschlägt.

Am Montagabend hatte der vorherige Premier François Bayrou nach nicht einmal neun Monaten im Amt in der Nationalversammlung eine Vertrauensfrage verloren und seine Minderheitsregierung so zu Fall gebracht. Schon im Dezember war das Mitte-Rechts-Kabinett von Michel Barnier gestürzt. Nach Monaten der Instabilität muss Frankreich nun darauf hoffen, politisch voranzukommen.

Entscheidend ist das vor allem mit Blick auf den Haushalt. Das hoch verschuldete Land muss seinen Sparkurs stabilisieren und ein Budget für das kommende Jahr verabschieden. Wie einer neuen Regierung dies angesichts der weit auseinander liegenden Positionen im gespaltenen Parlament gelingen wird, ist unklar.

Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat Frankreich mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. In absoluten Zahlen lastet auf dem Land mit rund 3,3 Billionen Euro der höchste Schuldenberg in der Eurozone. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.

Komplizierte politische Ausgangslage erschwert Regieren

Seit der Parlamentswahl im vergangenen Jahr ist die Nationalversammlung tief gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen sich als drei große Blöcke gegenüber. Eine eigene Mehrheit hat keiner von ihnen. Barniers Regierung hing von den Rechtsnationalen ab und scheiterte, Bayrou ließ sich erst von den Sozialisten dulden, verspielte dann aber deren Gunst.

Auch unter der neuen Regierung dürfte es ein Balanceakt werden, mit der politischen Ausgangslage zu regieren. Lagerübergreifende Koalitionen sind in Frankreich unüblich. Statt Kompromisssuche wird im Parlament eher ein Konfrontationskurs gefahren.

Macrons schnelle Ernennung dürfte nicht zuletzt eigennützige Gründe haben. Mit zwei gescheiterten Premiers in nur einem Jahr war der Präsident selbst unter Druck geraten. Die Rechtsnationalen forderten ihn auf, mit einer Parlamentsauflösung den Weg für Neuwahlen freizumachen. Die ultralinke LFI wollte ihn gar absetzen. Macrons Schnell-Nominierung dürfte daher nicht nur der Versuch sein, die Haushaltskrise und die abermalige Politkrise einzugrenzen, sondern auch selbst aus der Schusslinie zu kommen.

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