Nach der Absage eines Konzertes der Münchner Philharmoniker mit ihrem israelischen Dirigenten Lahav Shani im belgischen Gent zeigen sich deutsche Politiker entsetzt.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer spricht von einer „Schande für Europa“, Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) von einem Antisemitismus-Skandal, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, von einem der „krassesten Beispiele des aktuellen Judenhasses“.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, verurteilte die Entscheidung des Musikfestivals scharf und forderte Widerspruch. „Ich halte die Absage unter der genannten Begründung für einen ganz und gar unsäglichen und zutiefst antisemitischen Vorgang“, sagte Klein der Nachrichtenagentur dpa.
Die CSU fordert das belgische Festival van Vlaanderen dazu auf, die Ausladung unmittelbar aufzuheben. „Die Entscheidung muss noch heute zurückgenommen werden“, sagte der CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Klaus Holetschek, dem „Tagesspiegel“. „Dass ein belgisches Musikfestival die Münchner Philharmoniker auslädt, weil ihr Chefdirigent Lahav Shani aus Israel stammt, ist ein Skandal. Das ist purer Antisemitismus“, sagte Holetschek.
Festival begründet Ausladung mit „Unklarheit über seine Haltung“
Das Flanders Festival Ghent hatte die kurzfristige Absage des für den 18. September geplanten Konzertes damit begründet, dass der in Tel Aviv geborene Shani auch Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra ist.
„Im Lichte seiner Rolle als Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestras sind wir nicht in der Lage, für die nötige Klarheit über seine Haltung dem genozidalen Regime in Tel Aviv gegenüber zu sorgen“, heißt es in einer Erklärung auf der Homepage des Festivals.
In dem seit 2023 andauernden Gaza-Krieg mit einer hohen Zahl an zivilen Opfern weisen Israel und auch die deutsche Regierung den Genozid-Vorwurf, also den Vorwurf des Völkermordes, zurück.
Auslöser des Gaza-Krieges war der Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt worden waren, darunter auch Kinder. Israel spricht von Selbstverteidigung nach dem Terrorangriff.
Entsetzen in München und Berlin
Das Orchester und die Stadt München reagierten ebenfalls entsetzt auf die Ausladung. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, er könne „die Entscheidung des Veranstalters in keiner Weise nachvollziehen“.
Das Festival betonte, Shani habe sich zwar in der Vergangenheit mehrfach „für Frieden und Versöhnung“ ausgesprochen. In Übereinstimmung mit dem Aufruf des Kulturministers, des Stadtrats von Gent und des Kultursektors in Gent habe man sich aber entschieden, nicht mit Partnern zusammenzuarbeiten, die sich nicht eindeutig von „diesem Regime“ distanziert haben.
Wolfram Weimer – „Rote Linie überschritten“
Für Kulturstaatsminister Weimer ist mit der Ausladung Shanis eine Grenze überschritten. „Unter dem Deckmantel vermeintlicher Israel-Kritik wird hier ein Kultur-Boykott betrieben. Das ist blanker Antisemitismus und ein Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur. Wenn es akzeptabel wird, deutsche Orchester und jüdische Künstler kollektiv auszuladen, ist eine rote Linie überschritten“, sagte er.
„Europäische Bühnen dürfen nicht zu Orten werden, an denen Antisemiten den Spielplan diktieren. Das wird Deutschland nicht hinnehmen – wir werden das Thema auch in die europäische Kulturpolitik tragen.“
Shani soll Nachfolger von Gergijew werden
Der 36 Jahre alte Shani ist seit 2020 als Nachfolger von Zubin Mehta Musikdirektor des Israel Philharmonic Orchestra. Im Februar 2023 ernannten die Münchner Philharmoniker ihn zu ihrem neuen Chefdirigenten, sein Amt soll er im September 2026 antreten.
Shani wird damit Nachfolger des Russen Waleri Gergijew. Dieser war rausgeworfen worden, weil er sich aus Sicht des Münchner Stadtrats nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine nicht hinreichend von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, als dessen Freund er gilt, distanziert hatte.
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