Tim Klüssendorf, Generalsekretär der SPD, hat im Gespräch mit dem Berliner „Tagesspiegel“ eine radikale Strukturreform des Sozialstaats gefordert. „Ich bin dafür, konsequent alle steuerfinanzierten Sozialleistungen für die Bürgerinnen und Bürger in einem einzigen System zusammenzuführen“, sagte er.

„Die ganze Infrastruktur, wer ist für was zuständig, wer ist antragsberechtigt, bei welchem Amt muss ich mich melden, auf welche Leistung habe ich Anspruch, das muss unbedingt zusammengeführt werden. Das wäre endlich ein lang ersehnter Fortschritt und würde übrigens auch viel Geld sparen.“

Dieser Vorschlag würde etwa Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag betreffen.

Seine Partei, die SPD, sei reformwillig, sagte Klüssendorf. Eine solche Reform müsse in einer Demokratie schaffbar sein. „Es wäre schon ein großer Schritt, wenn wir ein festes Ziel mit konkreten Meilensteinen vereinbaren, zum Beispiel das Jahr 2035. Wir sollten mutig und ambitioniert sein.“

Sozialstaat ist ein „Dschungel“ sagt auch eine Expertin vom Deutschen Fürsorgetag

Unterstützung bekam Klüssendorf von Verena Staats, Vorständin des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Auch aus der Sicht der Expertin müsse der Sozialstaat deutlich entschlackt werden. „Wenn man Sozialleistungen beantragt, ist das so ein Dschungel mittlerweile, dass Bürgerinnen und Bürger das fast überhaupt nicht mehr durchschauen können“, sagte Staats, der Deutschen Presse-Agentur.

Anlass des Interviews war der Deutsche Fürsorgetag in Erfurt. In den kommenden Tagen diskutieren dort etwa 1200 Experten aus Sozialpolitik und Sozialer Arbeit diese und weitere Themen. Staats führte weiter aus, dass es auch darum gehe, angesichts von Fachkräftemangel den Verwaltungsaufwand zu reduzieren.

Dazu schlug sie unter anderem vor, Leistungen stärker zu bündeln oder Begriffe zu vereinheitlichen. Beispielsweise werde der Begriff „Einkommen“ in unterschiedlichen Gesetzestexten unterschiedlich verwendet. „Und das ist natürlich was, wo man unbedingt einfach mal ran müsste, um das Gesetz verständlicher zu machen.“

All diese Punkte müsse auch die von Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) eingesetzte Sozialstaatskommission bearbeiten, sagte sie weiter. Es gehe um gewachsene Strukturen und natürlich sei es schwierig, das von heute auf morgen zu entflechten. Wenn man an einer kleinen Schraube drehe, habe dies möglicherweise große Auswirkungen auf anderes.

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