Seit einem Jahr gibt es in Deutschland verschärfte Grenzkontrollen. Sie sollen im Kampf gegen die irreguläre Migration helfen. Doch die Auswirkungen der Kontrollen setzen teilweise auch der Wirtschaft zu.
Zur Bekämpfung irreguläre Migration hat Deutschland vor genau einem Jahr - am 16. September 2024 - Grenzkontrollen ausgeweitet. Sie sollen die Anzahl unerlaubter Einreisen reduzieren, das Asylsystem entlasten und Kriminelle sowie Extremisten daran hindern, ins Land zu gelangen. Den Pendler- und Reiseverkehr sowie Wirtschaft und Handel sollten die Kontrollen möglichst wenig beeinträchtigen. Aber das ist teilweise nicht aufgegangen.
Denn Grenzkontrollen sind ein Stein im Weg vieler Berufspendlerinnen und Berufspendler. Ein Beispiel dafür ist Luxemburg: 50.000 Deutsche arbeiten dort und müssen täglich die Grenze überqueren. Das sorgt für einen erhöhten Zeitaufwand.
Kosten für Spediteure steigen
Kanzler Friedrich Merz versucht nach einem Treffen mit dem luxemburgischen Premier Luc Frieden zu beschwichtigen: "Wir wissen, dass diese Maßnahme zum Teil auch im Grenzverkehr Einschränkungen mit sich bringt. Wir wollen diese Einschränkungen so klein wie möglich halten. Wir wollen diejenigen, die täglich pendeln, in ihrer Arbeit nicht behindern", betont der CDU-Politiker.
Er wirbt um Verständnis für die Wartezeiten, denn es gehe darum, irreguläre Migration einzudämmen. Aber Zeit ist Geld. Neben den Pendlerinnen und Pendlern spüren das vor allem die Spediteure. Lkw, die länger als sonst an den Grenzen warten müssen, sind Gift für das Geschäft. Es steigen die Kosten - für mehr Personal, Hotelübernachtungen, oder weil verderbliche Waren verspätet ankommen.
Grenzkontrollen sind "alles andere als ein Booster"
Die Speditionsbranche ist aus Sicht der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) am stärksten betroffen von den Grenzkontrollen. Exportwirtschaftsexperte Volker Treier sagt jedoch, dass der ganz große befürchtete Schaden ausgeblieben sei: "Eine wirkliche, allgemeine, einzige Zahl gibt es nicht. Es ist eben stellenweise zu spüren."
Die Grenzkontrollen seien aber alles andere als irgendein Booster, als irgendeine große Unterstützung für die Wirtschaft, dass es besser wird. "Und im Moment läuft die Wirtschaft nicht besonders gut", so Treier.
Die DIHK hört zum Beispiel Klagen aus Tourismus und Einzelhandel in der bayerisch-österreichischen Grenzregion Freilassing, oder von den Spediteuren, die zwischen Deutschland und Polen verkehren. Erschwerend kamen hier verstärkte Kontrollen seit Mai hinzu und als Reaktion darauf: seit Juni auch von polnischer Seite.
Probleme an polnischer Grenze
Der Geschäftsträger der polnischen Botschaft in Berlin Jan Tombinski resümiert: "Bis Mai hatten diese Kontrollen wenig Wirkung. Was nach Mai gekommen ist mit den verschärften Kontrollen, da hatten wir schon beträchtliche Schäden." Man wolle mit dem Innenministerium darüber sprechen. Die Forderung: Wenn die Kontrollen bleiben, sollen sie so gestaltet werden, dass sie am wenigsten den normalen Personen, wie auch dem Warenverkehr, schaden.
Michael Kellner, für die Grünen im Wirtschaftsausschuss des Bundestags, hat in der deutsch-polnischen Grenzregion seinen Wahlkreis. Er höre viele Beschwerden über den eingeschränkten Verkehr.
"Wir sehen ja, wie schwierig die Welt geworden ist mit den Zöllen von Donald Trump und international. Deswegen ist es ja so wichtig, dass diese europäische Zusammenarbeit, der europäische Binnenmarkt nun wirklich funktioniert." Aktuell werde das Ganze erschwert. "Also, da wird Sand ins Getriebe geworfen und das ist ein Problem", so Kellner.
"Grenzkontrollen in Widerspruch zu Wirtschaftswachstum"
Für die SPD stellten die Grenzkontrollen eine absolute Ausnahme dar, sagt Sebastian Roloff, wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag. Wie sie sich vertragen mit dem erklärten Ziel der schwarz-roten Koalition, für Wirtschaftswachstum zu sorgen? "Grenzkontrollen stehen in klarem Widerspruch zu Wirtschaftswachstum. Deutschland profitiert wie kein anderes Land vom europäischen Binnenmarkt. Es besteht schon die Hoffnung auf ein rasches Ende der Grenzkontrollen", so Roloff.
Die Beschäftigten der Bundespolizei befinden sich ihm zufolge auch an der Belastungsgrenze. Langfristig sei das kein Modell, mit dem man leben könne. Aber von schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft lässt sich Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) nicht beirren: Bis mindestens März 2026 will er weiter kontrollieren lassen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.