MDR AKTUELL: Frau von Hahn, welche Chancen hat ein Flughafen überhaupt, Bedrohungen durch Drohnen rechtzeitig zu erkennen?
Marie-Christine von Hahn: Also an den technologischen Möglichkeiten hapert es da eigentlich gar nicht. Die Technologien sind vorhanden, man muss sie halt installieren. Und man muss eine Rechtssicherheit haben, was man tun darf als Flughafenbetreiber oder Betreiber einer anderen kritischen Infrastruktur. Dazu zählen etwa Bahnhöfe, aber auch Schulen oder Krankenhäuser oder Firmengelände. Das ist das Entscheidende: Man muss wissen, was man tun darf und man muss die Technologien haben.
Bleiben wir erst mal bei der Technologie: Wie kann man sich eine effektive Drohnenabwehr vorstellen? Welche Systeme sind da verfügbar und was können die?
Also, da gibt es ganz verschiedene Technologien. Es gibt Dinge, die Drohnen mit Fangnetzen oder dergleichen physisch runterholen. Es gibt aber auch Technologien, die Drohnen stören können. Das bezeichnet man als Jamming und Spoofing. Und man kann sie natürlich auch abschießen, auch das wäre möglich.
Also es gibt eine ganze Klaviatur von Technologien, aber noch mal: Sie müssen produziert sein, sie müssen installiert sein und der Betreiber einer Infrastruktur oder auch die Polizei muss wissen, was sie tun darf.
Nun wird man ja aber nicht sofort eine Drohne, die ich erkenne, vom Himmel holen können und wollen. Wie könnte dieser Prozess der gegenseitigen Abstimmung, wo sich viele beteiligte Stellen untereinander ins Benehmen setzen, effektiv gestaltet werden?
Genau das wird die ganz entscheidende Frage, die Sie jetzt hier aufbringen: Was muss die Abwehr können und wie muss sie funktionieren?
Wir müssen eine Drohne erkennen, wenn sie ankommt. Wir müssen die Lage bewerten. Und wir müssen dann die richtigen Gegenmaßnahmen ergreifen. Das ist tatsächlich ganz schön komplex und man sollte sich das auch nicht leicht machen. Um diese Koordinierung herzustellen, wäre es aus unserer Sicht das absolut dringendste Gebot, jetzt wirklich alle Akteure, die für so einen Einsatz zuständig sind oder einen Anteil daran haben, an einen Tisch zu bringen und einen Plan zu entwerfen.
Da stelle ich mir jetzt so ein roten Knopf vor, der gedrückt wird und dann kommen alle sofort an den Tisch und klären innerhalb von zwei Minuten, was zu tun ist.
Na ja, das wäre super. Also wir haben einen Tisch, wir haben Stühle, wir haben Kaffee, man kann sich bei uns gut treffen und wir wären gerne bereit, das zu hosten.
Gleichwohl, wenn die Entscheidung gefallen ist, dann weiß man ja immer noch nicht, was da eigentlich am Himmel unterwegs ist, ob das mit Vorsatz geschieht oder ob da jemand aus Gedankenlosigkeit fahrlässig gehandelt hat. Wo sind da die roten Linien?
Wer bewusst – oder auch unbewusst – eine Drohne in eine geschützte Zone steuert und die verursacht einen Schaden oder stört den Betrieb einer wichtigen Einrichtung wie einem Flughafen, dann ist es völlig egal, ob das Vorsatz oder Fahrlässigkeit ist. Diese Drohne muss detektiert und abgewehrt werden, um Schaden zu vermeiden. Wir müssen uns schützen und wir müssen unser Land am Laufen halten, darauf kommt es jetzt an.
Wie stark hat die Bedrohung durch Drohnen aus Ihrer Sicht zugenommen?
Die hat absolut zugenommen. Also in den letzten zehn bis 15 Jahren haben wir da eine signifikante Steigerung gesehen – und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. Also es sind mehr Drohnen in der Luft unterwegs und man sieht ja, dass es heute gefährlichere Drohnentypen und -einsätze gibt. Und ich sage es mal so, die Ereignisse der letzten Tage sind nun wirklich mehr als beunruhigend.
Vermuten Sie dahinter auch russische Provokationen wie in Kopenhagen und in Oslo?
Das steht uns ja leider nicht zu, das zu beurteilen. Oder was heißt "leider"? Es steht uns einfach nicht zu.
Aber Sie machen sich ja ein Bild und zählen auch eins und eins zusammen.
Ich fand die Einschätzung der dänischen Ministerpräsidentin durchaus einleuchtend. Wir sehen zumindest, dass die Arten von Drohnenüberflügen, die wir in den letzten Tagen gesehen haben, ein hohes Maß an Professionalität haben durchblicken lassen. Das sind wahrscheinlich keine Privatpersonen mit billigen Drohnen. Sondern das sind professionelle Menschen, die wissen, wie man damit lange umgeht und wie die lange in der Luft gehalten werden.
Inwieweit helfen die Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg bei den Strategieberatungen? Die ukrainischen Soldaten sind ja sehr viel mit Drohnen unterwegs, um auf die russischen Angriffe zu reagieren.
Also eines ist völlig klar: Deutsche Technologien zur Abwehr – und zur Aufklärung übrigens auch – sind in der Ukraine flächendeckend im Einsatz und da erprobt. Es hapert an der Koordination. Und auch da ist es wiederum so, dass alle willig sind. Ich kenne keine Behörde, keine Bundeswehr, keine Bundes- oder Landesregierung, die nicht alles in ihrer Macht Stehende tun möchte, um eine Verbesserung herbeizuführen. Ich glaube, wir müssen uns jetzt einfach alle an einen Tisch setzen und ausloten, wie wir diese Technologien, die es schon gibt und die erprobt sind, hier auch zur Anwendung bringen können.
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