• Stufenweise weniger Direktzahlungen der EU – Einschnitte ab 2028 spürbar.
  • Warum für die EU-Agrarpolitik jetzt auch die Ukraine eine Rolle spielt.
  • Agrar-Ökonom Sebastian Lakner kritisiert "Konzeptlosigkeit".

Die deutschen Agrarminister und -ministerinnen kommen heute in Heidelberg zu ihrer diesjährigen Herbst-Konferenz zusammen. Bis Freitag steht so einiges auf der Tagesordnung. Wichtig ist etwa, was Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) vom EU-Agrarministertreffen am Montag mitbringt, bei dem unter anderem über die neue EU-Agrarpolitik nach 2027 beraten wurde.

Umbaupläne bei Agrar-Förderung in Brüssel

Die EU-Kommission hatte im Sommer ihre Vorschläge für den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) für die Zeit von 2028 bis 2034 vorgelegt. Sie will den EU-Haushalt insgesamt umbauen – mit weniger Geld für die Landwirte.

Bundesminister Alois Rainer (CSU) im BundestagBildrechte: picture alliance / dts-Agentur

Denn ab 2028 soll die große, aber immer schwerer zu koordinierende "gemeinsame Agrarpolitik" (GAP) nur noch Bestandteil neuer "Partnerschaftsfonds" mit den EU-Staaten sein. Ihr schon seit 1980 gesunkener Anteil am EU-Haushalt soll nun auch in absoluten Zahlen nach und nach kleiner werden.

Eine "Renationalisierung" der Agrar-Förderpolitik wird befürchtet, bis hin zu einer völligen Streichung des EU-Agrarhaushalts. Denn nach den Plänen sollen die EU-Staaten besonders im Agrarbereich mehr ko-finanzieren. Darum beginnen jetzt natürlich die deutschen Länder, auch mit dem Bund zu diskutieren, was der künftig leisten könnte.

Der EU-Agraretat und Ostdeutschland

Konkreter droht da, dass ab 2028 für größere Betriebe empfindliche Kürzungen geplant sind. Ab 20.000 Euro an Direktzahlungen bisher soll prozentual gekürzt werden in Stufen, bei 100.000 Euro aber Schluss ein. Gerade für größere ostdeutsche Betriebe brächte das Einnahmeverluste vermutlich ab Betriebsflächen-Größen von einigen 100 Hektar. Ein Betrieb in Neumark im Vogtland etwa rechnet mit 500.000 Euro weniger pro Jahr.

Gerade beim Bauernverband in Sachsen-Anhalt schrillen die Alarmglocken, denn hier sind in Deutschlands die flächenmäßig größten Betriebe. Das hänge vor allem mit den früheren LPG-Strukturen zusammen, aber nicht nur, heißt es: Es gebe auch Betriebe mit 600 Hektar Fläche.

Große Flächen und Betriebe sollen weniger bekommen.Bildrechte: imago/Horst Rudel

Experten weisen aber darauf hin, dass solche Vorschläge in den vergangenen 30 Jahren schon häufiger von der EU-Kommission kamen, sie aber vor allem osteuropäische Länder nicht akzeptierten, wegen ihrer größer strukturierten Betriebe, wie sie eben auch für Ostdeutschland typisch sind. EU-Parlament und Mitgliedsländer müssen sich nun positionieren und einen Kompromiss finden. Dieser Prozess läuft jetzt an und könnte gut zwei Jahre dauern.

Warum jetzt auch die Ukraine ein Thema ist

Sebastian Lakner, Agrar-Ökonom von der Uni Rostock, kritisierte auf Nachfrage von MDR AKTUELL das Instrument der Direktzahlungen generell. Es sei "wissenschaftlich hochumstritten" und er "hätte eigentlich erwartet, dass die Kommission jetzt Schritt für Schritt einen Ausstieg vorbereitet". Das sei ja auch wegen eines möglichen EU-Beitritts der Ukraine notwendig, denn "dann können wir uns die Direktzahlungen überhaupt nicht mehr leisten".

Denn sollte die Ukraine mit nochmal viel größeren Agrarflächen und Betrieben bis 2034 in die EU kommen, könnte sie nach Schätzungen im bisherigen System auf einen Schlag rund ein Fünftel des GAP-Etats beanspruchen.

Lakner kritisiert "Konzeptlosigkeit"

Agrar-Ökonom Sebastian Lakner warf der EU bei MDR AKTUELL auch Konzeptlosigkeit beim Umbau der EU-Agrarförderung vor. Zwar kritisiert er das System der Direktzahlungen gundsätzlich. Allerdings arbeiteten in den großen Betrieben viel mehr Menschen. Sie seien oft der einzige Arbeitgeber einer Region. Darum sei es ein Problem, solche Kürzungen ad hoc einzuführen: "Die Betriebe hätten gar nicht viel Zeit, sich darauf einzustellen."

Als einen weiteren "ganz großen Schwachpunkt auch des aktuellen Kommissionsvorschlags" bezeichnete er auch die Agrar-Umweltpolitik, "was vermutlich bei der Agrarministerkonferenz besprochen werden muss."

Es gibt Lakner zufolge im Osten "sehr viele große Betriebe, die etwa Rinderbeweidung machen, aber damit nicht viel Geld verdienen". Kürze man denen die Mittel, hätte das Auswirkungen auf ihre Umweltleistungen, weil sie dann vielleicht nicht mehr so viel beweiden könnten.

Überhaupt sei es falsch zu denken, die großen Betriebe könnten das ab. Ob einer wirtschaftlich gut dastehe, hänge viel stärker vom Standort ab als von der Größe. Man könne "nicht so einfach sagen, den großen Betrieben können wir das zumuten, und die kleinen, die sind alle arm dran". Alle strukturellen Formen und Betriebsgrößen hätten ihre Berechtigung: "Ganz so einfach, dass man die kleinen sympathischen Familienbetriebe fördert, ist es eben nicht."

Die Agrarpolitiker sind laut Lakner darum "immer gut beraten, strukturell neutral zu fördern" und darauf zu achten, dass gesellschaftlicher Mehrwert gefördert werde. Betrieben zu helfen, die modernisieren und sich auf die Herausforderungen der Zukunft einstellen, "das fehlt mir bei der Debatte". Was der gesellschaftliche Mehrwert von Zahlungen an landwirtschaftliche Betriebe überhaupt sei: "Davon geht die Debatte völlig weg."

MDR AKTUELL (ksc)

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