Lars Klingbeil hatte seinen Ministerkollegen Hausaufgaben gegeben. Weil im Bundeshaushalt im kommenden Jahr 34,4 Milliarden Euro und von 2027 bis 2029 sogar 172 Milliarden Euro fehlen, rief der Finanzminister von der SPD die anderen Ressorts auf, Vorschläge zu machen, wo gespart werden könnte.
Den Pro-Newslettern „Industrie und Handel“ sowie „Energie und Klima“ des Nachrichtenmagazins „Politico“ liegen nun Unterlagen vor, die erstmals zeigen, wo das Bundeswirtschaftsministerium konkret Gelder kürzen könnte.
Insgesamt muss Ministerin Katherina Reiche in vier Jahren etwa 17 Prozent einsparen. Offenbar stehen dabei vor allem Unternehmenszuschüsse und Mittel für Forschung und Entwicklung auf ihrer Streichliste. Sie sollen den Unterlagen zufolge bis 2029 um insgesamt knapp zwölf Prozent sinken.
In der vorliegenden Weisung des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es konkret: „(A)lle Titel der Obergruppe 68“ sind „abzusenken“. Für 2026 um 0,85 Prozent, 2027 um 2,33 Prozent, 2028 um 4,16 Prozent und 2029 um 4,63 Prozent. Die Obergruppe 68 – eine haushälterische Gruppierung von Ausgaben – deckt im Wirtschaftsministerium vor allem die Zuschüsse an Unternehmen ab, die diese für Forschung und Entwicklung einsetzen.
Darüber hinaus geht aus einer weiteren Tabelle hervor, dass ausgerechnet in einzelnen Haushaltstiteln des Kapitels „Innovation, Technologie und Neue Mobilität“ konkrete Kürzungsvorschläge auf dem Tisch sind. Mit 50 Prozent macht dieser Bereich den größten Anteil an Reiches Haushalt aus.
Rund 20 Prozent sollen im Vergleich zu diesem Jahr gespart werden
Die Tabelle ist vermutlich nicht final, zeigt aber einen Zwischenstand. Demnach soll das Kapitel von etwa vier Milliarden Euro im Jahr 2026 auf 3,587 Milliarden Euro im Jahr 2027 (minus 10,9 Prozent in einem Jahr) und bis 2029 auf 3,517 Milliarden Euro sinken. Das entspricht insgesamt sogar einer Absenkung von knapp 20 Prozent im Vergleich zu diesem Jahr.
Dem Rotstift fallen hier ausdrücklich nach vorn gewandte Projekte zum Opfer. So soll etwa die „Initiative Industrie 4.0“ von 83 Millionen auf 5,7 Millionen im Jahr 2027 zusammengestrichen werden, der „Zukunftsfonds Automobilindustrie“ wird bis 2029 bei 100 Millionen Euro eingefroren (2026: 101,9 Millionen Euro), die „Industrieforschung für Unternehmen“ sinkt um 1,5 Prozent auf 242,2 Millionen Euro.
Deutlich bequemer sind für das Wirtschaftsministerium ohnehin auslaufende Hilfen. So falle etwa die Stütze für die strauchelnde Meyer Werft ab 2026 planmäßig weg, heißt es aus dem Ministerium. Das zählt als Kürzung. Außerdem, so erklärt das Reiche-Haus weiter, wären viele der Haushaltstitel durch die Corona-Pakete aufgestockt worden, nun kehre das Ministerium zur früheren Höhe zurück.
Laut den Dokumenten gibt es nur drei Bereiche, die sogar mehr Mittel erhalten sollen. Eines davon ist das „Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM). Hier soll erst einmal nicht gespart werden. 2027 soll das Förderprogramm auf 560,6 Millionen Euro anwachsen, in den Jahren danach mit lediglich knapp zehn Millionen Euro weniger auskommen. Im aktuellen Haushalt sind 519 Millionen Euro eingeplant.
Mehr Geld soll es auch für die „Start-up Strategie“ geben. Der Posten verdoppelt sich 2027 auf zehn Millionen Euro. Die „Plattform Industrielle Bioökonomie“ erhält 2027 rund 16,6 Millionen Euro statt wie im kommenden Jahr 14 Millionen Euro. Ansonsten zeigt die vorliegende Tabelle nur den Rotstift.
Das Ministerium bestätigt die generellen Kürzungen in der Obergruppe 68 auf Anfrage von „Politico“. Die Absenkung erfolge prozentual gleichmäßig bei allen Titeln, „um keines der betroffenen Förderprogramme überproportional zu belasten“. Dies sei ein „niedriger einstelliger Prozentsatz“ für die Jahre 2027 bis 2029. „Der genaue Ansatz einzelner Titel ist Gegenstand künftiger Haushaltsaufstellungsverfahren.“ Welches Projekt genau wie viel weniger bekommen wird, muss also noch ausgehandelt werden.
Zu konkreten Kürzungen will sich das Ministerium nicht äußern, nur so viel: „Die Notwendigkeit zur Konsolidierung begründet sich aus der Umsetzung der alle Ressorts betreffenden Vorgaben des Haushaltsaufstellungsrundschreibens des Bundesfinanzministeriums.“
Tom Schmidtgen ist Reporter für Industrie und Handel bei „Politico“.
Joana Lehner berichtet als Wirtschaftsredakteurin für WELT, Business Insider und „Politico“ über Energie-Themen.
Dieser Text erschien im „Politico“-Pro-Newsletter „Industrie und Handel“. Leaks, Analysen und investigative Recherchen zur Industrie- und Handelspolitik, die Deutschlands wirtschaftliche und politische Zukunft prägen – in einem Newsletter. Jeden Tag um 6 Uhr. Hier zur Anmeldung.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.