MDR AKTUELL: Herr Burkert, wie sehen Sie heute mit etwas Abstand betrachtet Ihre Abstimmungsstrategie?

Martin Burkert: Grundsätzlich richtet sich unser Widerstand nicht gegen Frau Palla, das haben wir auch deutlich gemacht. Sondern gegen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder, der die Bahn aus unserer Sicht wie eine Behörde behandelt. Der gesamte Vorgang ist einem Weltkonzern, einer Aktiengesellschaft nicht würdig und das haben wir deutlich zum Ausdruck gebracht.

Über die Rolle des Bundesverkehrsministers Patrick Schnieder von der CDU reden wir gleich noch. Wie sicher konnten Sie sich denn sein, dass am Ende doch genügend Stimmen für Evelyn Palla zusammenkommen würden?

Wir wissen ja, wie das in Aufsichtsräten läuft. Am Ende hätte der Vorsitzende eine Doppelstimme gehabt. Aber unser leitender Angestellter hat schon von Anfang an gesagt, dass er Frau Palla mitwählen wird. Also ich war mir sehr sicher, dass sie mindestens ein elf zu neun bekommt, also eine Mehrheit. Am Ende hat sie ja sogar noch eine Stimme mehr bekommen.

Ich bin beeindruckt von ihrer Nervenstärke.

Martin BurkertVorsitzender Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG)

Also war das Risiko überschaubar?

Das Risiko war völlig überschaubar und ich war ja auch mit ihr im Austausch, wie Sie sich vorstellen können. Ich bin beeindruckt von ihrer Nervenstärke.

Also sie hat das Spielchen letztlich mitgemacht, wo man doch eigentlich meinen könnte, Sie hätten der neuen Bahn-Chefin ziemlich übel mitgespielt.

Nein, ich war mit Frau Palla über Jahre im Aufsichtsrat. Ich war stellvertretender Vorsitzender bei DB Regio, auch bei der S-Bahn Berlin. Da haben wir ein großes Projekt gestemmt – über Jahre hinweg. Sie ist vom Sternzeichen Waage, das hilft vielleicht. Und ich habe ihr zu ihrem Geburtstag auch noch einmal alles Gute gewünscht und weiterhin gute Nerven.

Die kann man vermutlich auch gebrauchen in diesem Konzern. Die Gewerkschaft der Lokführer, kurz GDL, die an diesem Abstimmungsverfahren auch beteiligt gewesen ist, hat das gar nicht so toll gefunden und von einem "fatalen Signal" gesprochen. Können Sie das nachvollziehen?

Die haben eine Umkehr an den Tag gelegt. Das liegt wahrscheinlich an dem neuen Vorsitzenden. Martin Seiler haben sie als Personalvorstand der Deutschen Bahn noch abgelehnt. Wenn wir Evelyn Palla gewählt hätten, hätten sie sie abgelehnt, da bin ich überzeugt. Das sind natürlich gewerkschaftspolitische Spielchen, aber die GDL spielt in keinem Aufsichtsrat eine Rolle.

Sie haben Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder schon ins Spiel gebracht, der die neuen Personalien angeschoben hat. Was genau stört Sie an seinem Vorgehen?

Ich habe angeboten, die sollten alle mal eine Grundschule im Aktien- und Mitbestimmungsrecht machen. Es geht einfach nicht, dass man in eine Aktiengesellschaft hineinwirkt. Der Eigentümer hat aus meiner Sicht eine vernünftige Strategie vorgelegt, also inhaltlich sind wir d'accord. Aber er kann nicht über Gesellschaften in den Konzern der Deutschen Bahn AG, in Personalien eingreifen und auch keine Vorstände entlassen. Das ist Sache des Aufsichtsrates. Das geht einfach nicht, die Deutsche Bahn AG ist keine Behörde. Wir waren nie für die Aktiengesellschaft, aber die Rechtsform ist ja jetzt da.

Die EVG hat sich besonders an der Personalie Dirk Rompf gestört. Der Manager sollte Chef der Infrastruktursparte InfraGo werden, nachdem er schon etliche Jahre im Vorstand dieser DB-Abteilung gesessen hatte, die damals ja noch DB Netz hieß. Nun hat Dirk Rompf von sich aus zurückgezogen. Sie haben ihm Sparwahn vorgeworfen, das klingt so ein bisschen wie Nachtreten.

Nein, wir treten nicht nach. Aber zurück in die Vergangenheit wollen wir auch nicht, wir wollen in die Zukunft blicken. Und Herr Rompf ist in seiner Zeit als Vorstand, der er ja fast sechs Jahre lang war, nicht groß aufgefallen. Er hat das Spardiktat nochmals verstärkt und ist bei vielen in schlechter Erinnerung.

Dennoch haben ja auch andere Sparkonzepte und Effizienzprogramme in dem Konzern mitgetragen und vorangetrieben. Warum konzentriert sich so viel auf Dirk Rompf?

Wir haben vieles mitgetragen unter den Bundesverkehrsministern Alexander Dobrindt und Volker Wissing. Wir haben die Pandemie gemeinsam gemeistert. Da sind die Züge im Übrigen gefahren. Mit Herrn Wissing haben wir die gemeinwohlorientierte Infrastruktur aus der Taufe gehoben. Da waren Gespräche. Und ich habe auch Herrn Schnieder immer das Gespräch angeboten. Aber kurz vor Torschluss mit so einer Personalie zu kommen, das ist unverschämt.

Kurz vor Torschluss mit so einer Personalie zu kommen, ist unverschämt.

Martin Burkert

Welche Rolle spielt es, dass mit Evelyn Palla erstmals eine Frau nun den Bahnkonzern führen wird?

Das ist aus unserer Sicht wirklich gut. Sie verkörpert Teamgeist. Ich habe schon ihr Sternzeichen angesprochen, die Ausgeglichenheit, die sie hat. Sie ist, habe ich immer gesagt, kein Rüpel als Vorstandsvorsitzende so einer Aktiengesellschaft wie der Deutschen Bahn AG, die weltweit agiert. Sie ist ein großer Gewinn. Sie hat Durchsetzungsvermögen, das hat sie in vielen Jahren bewiesen. Ich bin überzeugt, dass die Weichen mit ihr richtig gestellt sind.

Wie haben Sie die neue Vorstandsvorsitzende in den vergangenen Tagen erlebt? Sie haben ja angedeutet, dass Sie schon vor der Abstimmung im Aufsichtsrat Gespräche geführt haben.

Ja, selbstverständlich. Ich finde, sie hat jetzt schon großes Rückgrat bewiesen. Das muss sie jetzt auch gegenüber dem Eigentümer tun. Sie ist die Erste, die auch noch eine Lok fahren kann, das unterscheidet sie von ihren Vorgängern. Sie kommt an, auch in der Belegschaft, da bin ich überzeugt.

Ich bin überzeugt, dass die Weichen mit ihr richtig gestellt sind.

Martin Burkert

Sie hat nicht nur kürzlich den Lokführerschein gemacht. Sie hat zuvor auch die Nahverkehrstochter DB Regio geleitet. Sie hat Gewinne gemacht, was in diesem Konzern nicht selbstverständlich ist. Sie war bei der österreichischen Bahn. Sie ist überall anerkannt. Es heißt auch, sie sei durchsetzungsstark. Und sie hat eine neue Qualitätskultur versprochen. Was stellen Sie sich darunter vor?

Ja, das ist völlig klar. Und ich kann sagen, es war immer unsere Forderung, dass wir Kompetenzen wieder in die Fläche nach unten geben. Es muss dort Entscheidungen geben, wo der Kunde ist. Wir müssen den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern – nicht nur in den Zügen, sondern überall – den Stolz und darüber hinaus auch Verantwortung wiedergeben. Sie müssen entscheiden, so wie das früher auch war. Die Bahn war einmal sehr pünktlich. Gehen Sie in meine Heimatstadt ins DB-Museum, da lesen Sie auf alten Plakaten: "Wir fahren bei Wind und Wetter" und "Nichts ist pünktlicher als die Bahn". Da müssen wir wieder hinkommen.

Das muss aber wirklich lange her sein.

Das ist lange her, ja. Aber ich sage mal, damals hatten wir Bahnhöfe und da gab es ein Bahnhofsvorsteher, der hatte die Verantwortung und hat das gemanagt. Also man braucht wieder Verantwortung vor Ort in den Regionen, da muss entschieden werden. Und oben macht man die Strategie und muss sich darum kümmern, dass es genug Geld gibt. Das ist eine große Aufgabe in der Politik.

Die großen Linien sind ja trotzdem klar: Die Pünktlichkeit, die Sicherheit, der Service. Wie könnte ich mir dann also dieses Konstrukt Bahn von oben nach unten vorstellen?

Da will ich Herrn Schnieder einmal ausdrücklich loben. Das Thema Sauberkeit und Sicherheit ist ein besonderes. Wir haben verbale Übergriffe in Größenordnungen von mehr als 15.000 angezeigten Fällen im vergangenen Jahr. Da gehört zum Beispiel Bespucken dazu. Wir haben auch mehr als 3.500 Fälle von Körperverletzungen und schweren Körperverletzungen. Und wir müssen uns um den Kunden kümmern und dazu braucht es ausgiebig Personal. Die Bahnhöfe müssen sauber, sicher und gemütlich sein. Sie sind das Eingangstor zu vielen Gemeinden. Deswegen ist es auch richtig, jetzt im ersten Schritt 500 Bahnhöfe zu sanieren. Aber da gehört auch der Fahrdienstleiter dazu, der stellt das Signal. Der Lokführer fährt im Zug, ist verantwortlich, was die Kunden jeden Tag sehen. Es ist ein Zusammenspiel von vielen und es muss alles wieder funktionieren.

Sie haben beschrieben, dass Sie sich auf die Zusammenarbeit mit Evelyn Palla freuen. Können Sie auch versichern, dass es erst einmal keine Ränkespiele mehr geben wird?

Es gibt keine Ränkespiele mehr. Sie ist ab 1. Oktober offiziell die Bahn-Chefin. Sie wird sich daran gewöhnen müssen, dass man nicht mehr Frau Palla sagt, sondern Bahn-Chefin. Aber ich glaube, sie hat in ihrem Umgang auch schon gezeigt, dass sie mit dem Kunden und dem Personal umgehen kann. Ich bin überzeugt, der Kunde wird wieder zufrieden werden und das Personal bekommt seinen Stolz zurück. Das ist die Aufgabe und die traue ich ihr zu.

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