Es sind Drohnen über kritischer Infrastruktur, die vielen Europäern derzeit Angst machen – wie nah ist ein Krieg mit Russland tatsächlich? Ein verdächtiger russischer „Schattentanker“, von dem die Drohnen gestartet sein sollen, wurde von der französischen Marine gestoppt und geentert. „Russland will unsere Entschlossenheit testen“, sagte Bundesaußenminister Johann Wadephul. Kanzler Friedrich Merz hatte erklärt: „Wir sind nicht im Krieg, aber wir sind auch nicht im Frieden.“ Die Frage in der Runde: Wie sollen sich Deutschland, Europa und die Nato wehren – und können sich die Europäer noch auf die USA verlassen?
Im Studio diskutierten der Linken-Politiker Jan van Aken, Europaparlamentsabgeordneter Manfred Weber (CSU), die Politikwissenschaftler Claudia Major und Peter R. Neumann und die ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf.
„Wenn Drohnen nach Europa kommen, werden sie abgefangen, Punkt“
Manfred Weber sieht Europa in einer„historischen Wendephase“. „Wir Europäer sind in eine eiskalte Welt geschubst worden und sind in dieser ziemlich nackt“, sagte der CSU-Politiker. Rechtlich sei es noch kein Krieg mit Russland, aber ein „hybrider Krieg“, auf den Europa sich vorbereiten müsse. Seine klare Forderung zu den russischen Provokationen: „Wenn Drohnen nach Europa kommen, werden sie abgefangen, Punkt.“ Hoffnung setze er dabei auf das geplante europäische Abwehrsystem, den sogenannten Drohnenwall.
Militärexpertin Claudia Major warnte, dass in Deutschland zu sehr in Schwarz-Weiß gedacht werde: „Entweder ist Krieg oder es ist Frieden.“ Das erschwere aber eine angemessene Reaktion auf Cyberangriffe und Drohnen. Statt hybrider Krieg oder Spannungsfall – wie ihn CDU-Politiker Roland Kiesewetter nannte – bezeichnete sie die Situation mit Russland als „Konflikt“.
Die ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf ordnete ein: „Russland steht wirtschaftlich nicht gut da, muss nach über 30 Jahren erstmals Benzin importieren.“ Die Drohnen seien daher vor allem „Nebelkerzen, maximal provokativ, um davon abzulenken, dass Russland an Momentum im Krieg verliert.“ Putins Vorgehen verglich sie mit einer „Schulhofschläger-Taktik“: Kleine Stiche, große Aufregung.
Linken-Chef Jan van Aken widersprach erwartungsgemäß er Kriegs-Rhetorik: „Wir sind nicht im Krieg.“ Aber: „Wenn eine Drohne reinfliegt, dann muss man sich wehren. Abfangen, nicht abschießen, mit Augenmaß. Immer eine Eskalationsstufe weniger, damit es nicht außer Rand und Band gerät.“
„Zu glauben, dass man einen Krieg ohne militärische Fähigkeiten beenden kann, halte ich für naiv“
Noch immer würden jährlich rund 20 Milliarden Euro aus Europa in Putins Kriegskasse fließen, behauptete van Aken. Auch Deutschland trage mit etwa zwei Milliarden dazu bei, weil bestimmte Raffinerien nur mit russischem Öl arbeiten könnten. CSU-Politiker Manfred Weber räumte ein: „Der Wille auf der Staatenseite ist noch nicht ausgeprägt genug.“ Auch US-Präsident Donald Trump hatte Europa in seiner Rede vor den Vereinten Nationen dafür kritisiert, Russland zu bekämpfen und gleichzeitig Energie aus Russland zu kaufen.
Van Aken wurde deutlich: „Frankreich, Spanien, Belgien und Holland zahlen mehr Geld in die russische Kriegskasse als in die ukrainische. Die finanzieren den Krieg mit.“ Hätte Europa schon im Februar 2022 einen sofortigen Ölstopp verhängt, „wäre der Krieg nach zwei Monaten beendet gewesen“, wiederholte er eine bereits oft genannte Behauptung der Linken. Stattdessen habe man aber auf die „billige und tödliche Alternative der Waffenlieferungen“ gesetzt, warf er Weber vor.
Der CSU-Politiker nannte das eine „boshafte Unterstellung“. „Wir haben alles getan, um die Zahlungen zu unterbinden. Es war der Überlebenswille dieses freiheitsliebenden Volkes Ukraine, der dazu geführt hat, Putin zu stoppen.“ Politologin Major pflichtete ihm bei und kritisierte van Aken: „Zu glauben, dass man einen Krieg ohne militärische Fähigkeiten beenden kann, halte ich für naiv.“ Russlands Intention sei es nicht gewesen, „nur so ein bisschen einzumarschieren, sondern die Ukraine zu kontrollieren“.
Weber forderte in der Runde, Europa müsse eine eigene „Cyber-Defense-Brigade“ aufbauen, eine militärische Einheit, die Angriffe auf Netzwerke und kritische Infrastruktur abwehren könne. Russland und die USA hätten solche Teams längst. Im Sommer hatte bereits Parteikollege und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verstärkte Maßnahmen gegen Cyber-Angriffe angekündigt, einen „Cyber Dome“. Die CDB ginge aber weiter, auch Angriffen auf kritische Infrastruktur Russlands wäre dann möglich.
„Seit Jahrzehnten ist Donald Trump ein Bewunderer von Wladimir Putin“
Neben möglichem Vorgehen gegen Russlands Provokationen, ging es auch um die Rolle der USA unter Präsident Donald Trump. Politologe Neumann meinte, dass viele Europäer die Folgen der US-Wahl noch immer unterschätzen würden: „Seit Jahrzehnten ist Donald Trump ein Bewunderer von Wladimir Putin.“ Trump sehe den Ukraine-Krieg als „Krieg seines Vorgängers Joe Biden“. Die aktuelle Tendenz sei daher „eher negativ für die Ukraine“., bewertete Neumann die Unterstützung durch die USA unter Trump.
Hoffnung für Kiew macht ein anderer Plan: Rund 140 Milliarden Euro eingefrorenes russisches Geld könnten der Ukraine als Kredit dienen, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) ankündigte. Bundeskanzler Merz befürwortet das Vorgehen. Putin nannte es „Diebstahl“. Linken-Politiker Van Aken hingegen stimmte zu: „Dass endlich an das Geld rangegangen wird, ist völlig richtig.“ Auch das Geld von russischen Oligarchen in Europa müsse endlich eingesackt werden.
Militärexpertin Claudia Major zog ein doppeltes Fazit zum weiteren Vorgehen. Erstens: „Schaffen wir es im Verbund, die Ukraine so zu befähigen, dass sie den Krieg zu ihren Bedingungen beenden kann?“ Zweitens: „Schaffen wir es als Länder in Europa, uns so aufzustellen – politisch, militärisch und wirtschaftlich –, dass wir einen Konflikt abwehren können und Russland vermitteln können, dass sich ein Angriff nicht lohnt?“ Ein Drohnenwall allein reiche dafür nicht aus, sagte sie.
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