Ein Treffen mit einem antisemitischen Nationalisten aus Irland hat für zwei Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete keine parteiinternen Konsequenzen. Dies zeigt eine WELT-Recherche. Die Abgeordneten Lena Kotré und Fabian Jank hatten Anfang Juli den Rechtsextremisten Keith Woods – bürgerlich Keith O’Brien – im Potsdamer Landtag empfangen. Kotré ist stellvertretende Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion, Jank ist deren landwirtschaftspolitischer Sprecher.
Der YouTuber und Publizist Keith Woods fällt seit Jahren immer wieder mit antisemitischen Äußerungen auf. Er ist bestens vernetzt mit international bekannten Holocaust-Leugnern und Neonazis und nannte Israels Regierung im vergangenen Jahr „blutrünstige Psychopathen“. Erst im Juni 2025 schrieb er sich selbst einen „ethnischen, rassischen Nationalismus“ zu. 2023 war er der Initiator der Kampagne #BanTheADL, die sich für eine Verbannung der Anti-Defamation League von Twitter (heute X) einsetzte, einer amerikanischen Organisation, die sich dem Kampf gegen Antisemitismus verschrieben hat.
Der irische Rechtsextremist ist etwa davon überzeugt, dass Juden zu viel Macht hätten. Im April 2023 verbreitete er etwa auf Telegram Nachrichten von einer angeblich jüdischen Kontrolle über die westliche Außenpolitik, sprach von einem angeblich enormen Einfluss jüdischer Manager beim Wrestling-Vermarkter WWE und schrieb, die Direktoren der staatlichen irischen Rundfunkanstalt sowie des britischen Fernsehsenders BBC seien Juden. Im Dezember 2023 beklagte er eine angeblich „jüdische Überrepräsentation“ bei Mitarbeitern des US-Fernsehsenders CNN. Immer wieder schreibt er von „jüdischer Macht“.
Nachdem WELT im Juli dieses Jahres über das Treffen mit den AfD-Politikern berichtet hatte, wurde die Zusammenkunft im Potsdamer Landtag Thema im Bundesvorstand der AfD. Nach WELT-Informationen beschloss die Parteispitze am 7. Juli, den Landesvorstand Brandenburg aufzufordern, „1. den Sachverhalt zum Treffen mit Herrn Keith Woods unverzüglich zu klären, 2. ggf. erforderliche Parteiordnungsmaßnahmen zu prüfen und einzuleiten, 3. das Ergebnis der Prüfung sowie etwaige Maßnahmen dem Bundesvorstand zu berichten“.
Bemerkenswerte Rechtfertigung der AfD-Abgeordneten
Der Brandenburger Landesvorstand holte daraufhin Stellungnahmen der beiden Landtagsabgeordneten Kotré und Jank ein und erarbeitete auf der Grundlage einen eigenen Bericht. Dieser wurde nun an diesem Montag im Bundesvorstand beraten. Demnach hätten die Abgeordneten den Hintergrund von Keith Woods nicht gekannt, als dieser sie für Interviews angefragt habe. Laut dem Bericht schätzte der Landesvorstand dies als glaubhaft ein und sah daher von Ordnungsmaßnahmen ab.
Im Bundesvorstand wurde dies nach WELT-Informationen nicht beanstandet. Es wird daher weder Parteiausschlussverfahren noch mildere Maßnahmen wie Ämtersperren oder Abmahnungen geben, die die AfD-Satzung bei Verstößen gegen Grundsätze der Partei vorsieht.
Bemerkenswert ist die Einschätzung aufgrund mehrerer Social-Media-Postings der beiden AfD-Parlamentarier. Fabian Jank hatte am 2. Juli auf Instagram ein Foto mit Woods und seiner Fraktionskollegin Kotré gepostet und dazu geschrieben: „Es war mir eine Ehre, den irischen Nationalisten und Autor Keith Woods im Brandenburger Landtag zu begrüßen.“ Und: „Europäische Patrioten müssen sich vereinen!“
Vize-Fraktionschefin Kotré schrieb damals auf X: „Ich durfte gestern den irischen Autor und politischen Aktivisten Keith Woods im Landtag Brandenburg begrüßen. Uns eint der Wunsch nach einer großen Remigrationsbewegung.“
Einzige Folge des Treffens ist eine E-Mail des Brandenburger Landesvorsitzenden René Springer an beide Landtagsabgeordneten von Ende August. Diese liegt WELT vor. Springer schreibt darin an Kotré und Jank: „Ungeachtet Ihrer Erläuterungen bleibt festzuhalten, dass das öffentliche Treffen mit Herrn Woods – auch ohne erkennbare Absicht – kritische mediale Reaktionen und parteiinterne Irritationen ausgelöst hat.“
Beide Abgeordneten werden in der E-Mail aufgefordert, bei künftigen Treffen folgende Grundsätze „strikt einzuhalten“: „1. Prüfen Sie im Vorfeld sorgfältig, mit wem ein Gespräch stattfindet, und verschaffen Sie sich ein vollständiges Bild des Gesprächspartners – insbesondere bei internationalen Anfragen oder Persönlichkeiten mit öffentlicher Bekanntheit. 2. Erwägen Sie eingehend, ob ein öffentliches Treffen mit der jeweiligen Person geeignet ist, Ihrer politischen Zielsetzung zu dienen – oder ob es missverständlich ausgelegt werden könnte. 3. Kommunizieren Sie rechtzeitig mit dem Landesvorstand, wenn Unklarheiten hinsichtlich der Außenwirkung bestehen.“
Diese Hinweise stellten „keine Einschränkung Ihrer Mandatsausübung dar, sondern dienen dem Schutz Ihrer persönlichen Arbeit wie auch der politischen Arbeit der Partei insgesamt“, schreibt Landeschef Springer in der E-Mail weiter. „Wir bitten um Ihr Verständnis und erwarten Ihre Mitwirkung.“ Springer wollte sich auf eine aktuelle WELT-Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Kotré und Jank hatten diesbezügliche Anfragen im Juli unbeantwortet gelassen.
Keith Woods hat auf der Plattform X mehr als 244.000 Follower. Anfang Oktober veröffentlichte er auf der Plattform einen 75-minütigen Dokumentarfilm, der auch Auszüge seines Gesprächs mit der AfD-Abgeordneten Lena Kotré enthält. „Das komplette rechte Spektrum in Deutschland muss sich zusammentun“, fordert Kotré in dem Video. Vor der Gründung der AfD habe es „sehr viele kleine rechte Splitterparteien“ gegeben. „Irgendwann hat man gesagt, man tut sich zusammen. Wir müssen Grabenkämpfe komplett beseitigen im rechten Spektrum (…) und dann machen wir eben Politik fürs Volk, wir alle gemeinsam.“
In der Dokumentation wird zudem erneut Woods Antisemitismus deutlich. Zu sehen ist auch ein Treffen des irischen Publizisten mit dem polnischen Europaabgeordneten Grzegorz Braun von der rechtsextremen Partei Konfederacja. Woods spielt in seinem Film ein Video eines Vorfalls ein, mit dem Braun im Dezember 2023 für Empörung sorgte. Der damalige Abgeordnete des polnischen Parlaments Sejm hatte damals mit einem Feuerlöscher die zuvor von einem Rabbiner angezündeten Kerzen auf einem Chanukka-Leuchter gelöscht, die in der Lobby des Parlaments aufgestellt waren. „Ich hoffe, das internationale Judentum macht Sie nicht fertig“, sagt Woods zum Abschluss des Gesprächs mit Braun.
Bereits im Mai 2023 hatte Woods den Holocaust als „Schreckgespenst“ bezeichnet, von dem seit 1945 „alles geprägt“ sei. Ende 2023 forderte er: „Israel sollte auf der Weltbühne wie ein Paria-Staat behandelt werden.“
Politikredakteur Frederik Schindler berichtet für WELT über die AfD, Islamismus, Antisemitismus und Justiz-Themen. Zweiwöchentlich erscheint seine Kolumne „Gegenrede“. Im September erschien im Herder-Verlag sein Buch über den AfD-Politiker Björn Höcke. Einen Auszug können Sie hier lesen, das Vorwort von Robin Alexander hier.
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