- Kommunikationsexperte Hillje fordert von Bundeskanzler Merz einen anderen rhetorischen Stil ein.
- CSU-Chef Söder und Bundesinnenminister Dobrindt stellen sich hinter Merz, vom CDU-Sozialflügel kommt Kritik.
- Demos gegen "Stadtbild"-Aussagen in Berlin und Kiel angekündigt.
Der Kommunikationsberater Johannes Hillje bescheinigt Friedrich Merz vor dem Hintergrund seiner Aussagen zu Problemen im "Stadtbild" durch Migranten ein Glaubwürdigkeitsproblem. Im Interview mit MDR AKTUELL kritisierte Hillje, dass es einen Widerspruch darstelle, wenn Merz die AfD als "Hauptgegner" identifiziert, sich gleichzeitig aber rhetorisch an die Partei annähere.
Dieser Widerspruch führt dann in der Wahrnehmung der Menschen zu Unglaubwürdigkeit. Das ist im Grunde mit das Schlimmste, was einem Kanzler passieren kann.
Hillje erklärte weiter, Merz müsse als Kanzler eine andere Rhetorik an den Tag legen als noch zu seinen Zeiten als Oppositionsführer. "Ein Kanzler ist eben kein Oppositionsführer, der qua Amt ein bisschen polarisieren und zuspitzen darf, sondern ein Kanzler ist jemand, der zu zusammenführen muss, der versöhnen muss, der Brücken bauen muss – auch rhetorisch."
Merz hatte am Montag seine umstrittene Äußerung verteidigt. "Ich habe gar nichts zurückzunehmen", sagte er. Wer seine Töchter frage, werde vermutlich "eine ziemlich klare und deutliche Antwort" darauf bekommen, was er mit seinen Äußerungen gemeint habe.
Kritik kommt auch aus der CDU
Die Debatte um die Äußerungen des Kanzlers wird auch in der CDU geführt: Der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, riet dem Kanzler ebenfalls zu einem anderen Stil. "Friedrich Merz ist nicht mehr der launige Kommentator am Spielfeldrand, der einen raushaut", sagte Radtke den Funke-Zeitungen. "Sondern ihm kommt als Kanzler eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Debattenkultur und einer positiven Zukunftserzählung zu." Probleme wie Drogensucht, Obdachlosigkeit oder Mackertum bei Jugendlichen ließen sich nicht abschieben, sondern müssten angepackt werden.
Beim Koalitionspartner SPD herrscht ebenfalls Unverständnis darüber, dass Merz mit neuen Äußerungen nachlegte, anstatt zu beschwichtigen. Merz vermenge Dinge, die nicht vermengt gehörten, sagte SPD-Generalsekretär Klüssendorf in der ntv-Sendung "Pinar Atalay". "Er bringt nämlich das in einen Kontext, der damit aus meiner Sicht nichts zu tun hat, nämlich eher pauschalisiert." Es dürfe nicht verboten sein, Probleme zu adressieren, betonte Klüssendorf. Aber diese mit Rückführungen lösen zu wollen, halte er für falsch.
Söder und Dobrindt stellen sich hinter Merz
Rückenwind erhält Merz hingegen von CSU-Chef Markus Söder. Der Wirbel um die "Stadtbild"-Äußerungen sei "eine völlig verzerrte Debatte, Wortklauberei und letztlich eine linke Kampagne", kritisierte er in München. Es sei "Realität in unserem Land, dass die Integration an einigen Stellen nicht gelungen ist", sagte er. Dabei sei es "ganz normal, dass der Bundeskanzler das benennt".
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) äußerte sich ähnlich. "Dass illegale Migration das Erscheinungsbild unserer Städte verändert, entspricht dem normalen Empfinden vieler Menschen – und ich halte es auch für eine Tatsache", sagte Dobrindt der "Bild". Wenn die Politik nicht mehr in der Lage sei, "das auszusprechen, was viele empfinden, fördert das geradezu die Politikverdrossenheit und stärkt am Ende radikale Kräfte".
Merz lehnte es am Dienstag ab, sich weiter zu dem Thema zu äußern. Bei einer Pressekonferenz in Stuttgart verwies er bei einer entsprechenden Frage auf seine Äußerungen der vergangenen Tage, die er für "nicht erklärungsbedürftig" halte.
Demonstrationen als Reaktion auf Aussagen
Als Reaktion auf die Aussagen des Kanzlers hatte es bereits am Sonntag am Brandenburger Tor in Berlin eine Kundgebung gegeben. Dabei demonstrierten Hunderte Menschen für Vielfalt und gegen Rassismus. Mehrere Redner warfen Merz eine mangelnde Abgrenzung zur AfD vor.

Umwelt- und Klimaaktivistin Luisa Neubauer rief am Dienstag zu einer spontanen Demonstration vor der CDU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin auf. "Wir sind plusminus 40 Millionen Töchter in diesem Land. Wir haben ein aufrichtiges Interesse daran, dass man sich mit unserer Sicherheit beschäftigt", schrieb Neubauer in einem Beitrag auf Instagram. "Worauf wir gar keinen Bock haben, ist als Vorwand oder Rechtfertigung missbraucht zu werden für Aussagen, die unterm Strich einfach diskriminierend, rassistisch und umfassend verletzend waren."
Auch in Kiel hat Fridays for Future eine Demonstration angekündigt – sie soll am Mittwoch zur CDU-Parteizentrale führen.
MDR/AFP/dpa (lik)
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