In der CDU wird zurzeit heftig über einen anderen Umgang mit der AfD diskutiert. So hatte sich etwa der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber für eine Abkehr von der sogenannten Brandmauer starkgemacht. Kanzler und CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz wiederum stellte am Montag klar, dass es keinerlei Zusammenarbeit mit der Rechtsaußen-Partei geben werde – und seine Union fortan stärker auf Konfrontation mit der AfD setzen werde als bislang. Diese sei „unser Hauptgegner“.
Die Diskussion ist besonders mit Blick auf die im kommenden Jahr anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland relevant: Die Region ist eine Hochburg der AfD. Sven Schulze, designierter CDU-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt – dort wird im September 2026 gewählt –, hat nun angekündigt, sich von der Debatte über Brandmauern und Unvereinbarkeitsbeschlüsse nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. „Ich lasse mich doch nicht verrückt machen von irgendwelchen theoretischen Diskussionen. Dann wäre ich ja auch der falsche Kandidat“, sagte Schulze im „Berlin Playbook Podcast“ des Nachrichtenmagazins „Politico“.
In Umfragen zur Landtagswahl liegt die CDU deutlich hinter der AfD, die mit Spitzenkandidat Ulrich Siegmund antritt. Um mit einer Mehrheit regieren zu können, müssten die Christdemokraten laut einer Umfrage von vergangener Woche mit SPD, Linkspartei und BSW koalieren. In der Erhebung kommt die AfD auf 40 Prozent, die CDU auf 26.
Schulze kündigt an: „Uns geht es darum, durch Inhalte in den nächsten elf Monaten hier ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen. Unser Ziel ist klar, stärkste Kraft zu werden.“
Es stimme zwar, dass es in Ostdeutschland inzwischen andere Realitäten gebe. „Und dass es wirklich verdammt schwer ist, überhaupt noch eine Mehrheit hier zu organisieren. Das haben wir ja in Thüringen gesehen, das haben wir in Sachsen gesehen.“ Aber es lohne sich, zu kämpfen und Wähler für die eigenen Themen zu werben: „Das haben wir 2021 gezeigt.“ Auch damals habe die CDU schlechte Umfragewerte gehabt. Mit ihrem Spitzenkandidaten Reiner Haseloff wurden die Christdemokraten dann klar stärkste Kraft. „Die Menschen sagen mir hier: Herr Schulze, wir wollen nicht über Konstellationen reden, sondern wir wollen mit Ihnen über die Themen reden, die für Sie, die für uns wichtig sind“, sagte Schulze. „Und das ist halt der Unterschied zwischen Berlin-Mitte und Magdeburg.“
Der ehemalige Thüringer CDU-Landeschef Mike Mohring wiederum kritisierte im Gespräch mit „Politico“ die Brandmauer: „Die Bürger wollen, dass nach Wahlen Regierungen die Mehrheit der Wähler repräsentieren. So verantwortungsvoll auch die Minderheitsregierungen in Thüringen und Sachsen arbeiten, ist die AfD dennoch nicht schwächer geworden. Der Unvereinbarkeitsbeschluss ist das, was ich schon vor fünf Jahren gesagt habe: gut für die Selbstvergewisserung der CDU, aber fern der Lebensrealität, besonders im Osten.“
Mohring sagte: Statt die AfD durch die aktuelle Diskussion erneut zur „Märtyrerin zu machen“, wäre schon „Politik, die hält, was sie verspricht, und der AfD in Parlamenten die gleichen Pflichten abverlangt, aber auch die Rechte nach Parlamentsbrauch zugesteht, ein erster Schritt, Vertrauen zurückzugewinnen.“
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf hatte Merz nach dessen Ankündigung aufgefordert, den härteren Abgrenzungskurs gegenüber der AfD „unmissverständlich“ durchzusetzen. Ihn besorge es sehr, dass einige in der Union die Brandmauer zur AfD nicht mehr als notwendig erachteten und „leichtfertig aufs Spiel setzen“.
AfD-Chefin Alice Weidel warf Merz einen „Kreuzzug gegen die Opposition“ vor. „Dabei ist es mehr als verständlich, dass ein wachsender Teil der Unionsvertreter die Aushöhlung der Grundwerte ihrer Partei nicht länger mittragen wollen.“ Ihre eigene Partei habe „immer erklärt, dass wir zu jeder sachorientierten Zusammenarbeit bereit sind, wenn es darum geht, Deutschland wieder auf den richtigen Kurs zu bringen und die linksgrüne ,Transformation‘ zu beenden“, sagte Weidel. „Doch Merz hält starr an seiner Brandmauer und der politischen Fesselung an die SPD fest.“
Gordon Repinski ist Executive Editor „Politico“ Deutschland.
Rasmus Buchsteiner ist Chief Correspondent Berlin bei „Politico“ Deutschland.
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