Auf riesigen Werbetafeln in Tel Aviv prangen die Gesichter von Donald Trump, Benjamin Netanjahu – und dem indonesischen Präsidenten Prabowo Subianto. „Herr Präsident, Israel steht hinter Ihrem Plan. Besiegeln Sie das Abkommen“, steht in großen Buchstaben auf Englisch daneben. Für viele Israelis war das eine Überraschung: Prabowo regiert ein Land, das die weltweit größte muslimische Bevölkerung stellt. 280 Millionen Menschen leben in Indonesien, über 80 Prozent sind Muslime.
Der indonesische Präsident hatte sich bisher demonstrativ an die Seite der Palästinenser gestellt. Nun wirbt er indirekt für Trumps Friedensplan zur Befriedung des Gaza-Streifens. Die Fotos, verbreitet von einer israelischen Lobbyinitiative, lösten in Jakarta hektische Reaktionen aus. Das Außenministerium stellte klar: Indonesien werde Israel erst dann anerkennen, wenn ein unabhängiger Staat Palästina existiert.
Doch hinter den Kulissen laufen vorsichtige Sondierungen. In israelischen Medien war sogar von einer möglichen Reise Prabowos nach Israel die Rede, auch wenn Jakarta das umgehend dementierte. Gleichzeitig verhandelt seine Regierung mit Washington über eine mögliche Beteiligung an einer internationalen Stabilisierungstruppe für Gaza.
Nach Informationen aus US-Regierungskreisen zählen Indonesien, Pakistan und Aserbaidschan zu den Ländern, die bereit wären, Soldaten für eine internationale Stabilisierungstruppe zu entsenden – ein zentrales Element von Trumps 20-Punkte-Plan für Frieden in Gaza. Die Truppe soll den Waffenstillstand sichern, palästinensische Sicherheitskräfte ausbilden und den Wiederaufbau der Enklave vorbereiten.
Offizielle Zusagen gibt es noch nicht, doch Jakarta hat laut US-Diplomaten „großes Interesse signalisiert“. Bei einem Treffen mit Prabowo am Rande des Gaza-Friedensgipfels in Scharm al-Scheich am 13. Oktober präsentierte sich Trump demonstrativ zuversichtlich. „Sie werden entwaffnen – oder wir werden sie entwaffnen“, sagte er über die Hamas.
Geradezu überschwänglich bedankte sich der US-Präsident einige Tage später in einem Post auf Truth Social direkt bei Prabowo: „Ich möchte dem großartigen und mächtigen Land Indonesien und seinem wunderbaren Staatschef für all die Hilfe danken, die sie dem Nahen Osten und den Vereinigten Staaten von Amerika entgegengebracht und geleistet haben“, schrieb er am Dienstag.
Trotz aller Begeisterung des US-Präsidenten hat sich Indonesien keineswegs vollständig von seiner israelkritischen Linie abgewendet. Vielmehr fährt Prabowo einen Doppelkurs zwischen muslimischer Solidarität und geopolitischem Kalkül – der einige Risiken mit sich bringt.
Indonesien erkennt Israel nicht als Staat an
Die jüngste Eskalation geschah im Oktober, als Indonesien die israelische Mannschaft offiziell von der Turn-Weltmeisterschaft in Jakarta ausgeschlossen hat – offiziell als Reaktion auf Israels Militäroffensive in Gaza. Das Internationale Olympische Komitee äußerte „große Besorgnis“, die israelische Gymnastikföderation warnte vor einem „gefährlichen Präzedenzfall“. Der Internationale Sportgerichtshof lehnte eine Beschwerde Israels ab, die Regierung in Jakarta behielt ihre Linie bei.
Es ist nicht das erste Mal, dass Indonesien Delegationen aus Israel ausschließt. Ähnliche Aktionen gab es auch bei den Asienspielen 1962 oder der U-20-Fußball-WM 2023. Der Grund liegt in der indonesischen Staatsdoktrin: Seit seiner Unabhängigkeit von den Niederlanden im Jahr 1949 weigert sich der riesige Inselstaat, Israel anzuerkennen. Diese Haltung geht auf den ersten Präsidenten Sukarno zurück und stiftet bis heute nationale Identität.
Doch unter Präsident Prabowo deuten sich Veränderungen an. Ende September sprach er bei den Vereinten Nationen über die Notwendigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung. Er erklärte zudem, dass Indonesien, sobald Israel die Unabhängigkeit Palästinas anerkenne, im Gegenzug diplomatische Beziehungen aufnehmen würde. Israels Premier Netanjahu lobte die „ermutigenden Worte“ aus Jakarta.
Prabowos Schritt ist bemerkenswert in einer Region, in der öffentliche Unterstützung für Israel politisch kaum durchsetzbar ist. Sein riskanter Kurswechsel, der im eigenen Land als Tabubruch gilt, hat mehrere Gründe. Zum einen ist es handelspolitisches Kalkül: Indonesien will seine Beziehungen zu den USA stabilisieren und hohe Zölle vermeiden.
Im Juli 2025 wurde ein Abkommen geschlossen, wonach ein pauschaler Zollsatz von 19 Prozent für indonesische Exporte in die USA gelten soll – deutlich günstiger als die ursprünglich angedrohten 32 Prozent. Die USA sind für Indonesien einer der wichtigsten Exportmärkte: 2023 exportierte das Land Waren im Wert von über 23 Milliarden US-Dollar, vor allem Elektronik, Textilien, Palmöl und Schuhwerk.
Zum anderen nutzt Prabowo die außenpolitische Öffnung, um Indonesiens strategische Position zu stärken – gegenüber Washington und Peking zugleich. Während China längst Indonesiens größter Handelspartner ist, will der Präsident eine zu starke Abhängigkeit von Peking vermeiden. Eine engere Kooperation mit den USA verschafft ihm mehr Spielraum in den Verhandlungen mit China.
Präsident will neue Rolle für Indonesien
Hinzu kommt eine neue Nähe zu Paris. Sie ist Teil der Diversifizierungsstrategie: Frankreich gilt als zentraler europäischer Partner in der indopazifischen Sicherheitsarchitektur und hat mit Indonesien im Jahr 2025 eine erweiterte Verteidigungs- und Technologiepartnerschaft geschlossen. Damit präsentiert sich der Ex-General Prabowo, einst als Hardliner bekannt, nicht nur als Militärstratege, sondern auch als Vermittler zwischen der islamischen Welt und dem Westen – eine Rolle, die Indonesien international aufwerten soll.
Auch die vorsichtige Annäherung an Israel folgt dieser Logik: Sie signalisiert außenpolitische Flexibilität, ohne sofortige diplomatische Anerkennung. Zugleich winken mögliche Kooperationen in Hightech, Energie und Landwirtschaft – Bereiche, in denen Israel global führend ist.
Für Jakarta ist diese neue Politik ein Balanceakt. Einerseits würde ein solches Engagement Indonesiens Profil als globaler Akteur stärken und die Tür zu Beziehungen mit Israel einen Spalt öffnen. Andererseits riskiert die Regierung schon mit der bloßen Ankündigung den Zorn konservativer und islamischer Gruppen im eigenen Land.
Politische Gegner warnen, Prabowo könne die „Prinzipien der Nation“ verraten. Hinter der Fassade der Solidarität mit Gaza zeichnet sich damit eine neue Realität ab: Indonesien tastet sich langsam an eine Normalisierung heran – nicht aus ideologischer Nähe, sondern aus strategischem Interesse.
Christina zur Nedden ist China- und Asienkorrespondentin. Seit 2020 berichtet sie im Auftrag von WELT aus Ost- und Südostasien.
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