Das Gymnasium ist in Deutschland nach wie vor die beliebteste Schulform. Gut 36 Prozent eines Jahrgangs wechseln nach der Grundschule auf ein Gymnasium – deutlich mehr als auf Real-, Gesamt-, Hauptschulen oder Schulen, die mehrere Abschlüsse anbieten. Die große Mehrheit der Deutschen wünscht sich allerdings auch, dass das Gymnasium als höchste Schulform leistungsorientiert bleibt. Das zeigt eine repräsentative Forsa-Umfrage für den Deutschen Philologenverband vom Oktober 2025, die WELT vorliegt.
In der Umfrage „Meinungen zum Gymnasium“ spricht sich eine übergroße Mehrheit der Befragten dafür aus, Entscheidungen zum Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen klar nach Leistung zu gestalten. Auf die Frage, ob die Wahl der weiterführenden Schule ausschließlich vom Elternwillen abhängen solle, sprachen sich 92 Prozent der Befragten dagegen aus. Neben den Wünschen der Eltern sollten stattdessen auch die Leistungen der Schüler sowie die fachliche Einschätzung der Lehrkräfte berücksichtigt werden. Nennenswerte Unterschiede nach Region, Alter, Geschlecht, Bildung oder Kindern im Haushalt zeigten sich bei den Antworten auf diese Frage nicht.
Das zeige klar, dass der Elternwille bei den Bürgern nicht über dem Leistungsgedanken stehe, heißt es dazu vom Deutschen Philologenverband, der die Interessen der Gymnasiallehrer vertritt. Während die Bildungspolitik in den meisten Bundesländern eine verbindliche, leistungsorientierte Schulartempfehlung ablehne, wünsche sich die Bevölkerung das Gegenteil. Sie wolle „mit überwältigender Mehrheit eine Orientierung an der Leistung der Kinder bei der Übergangsentscheidung von der Grundschule an das Gymnasium oder andere weiterführende Schulen“, sagt Verbandsvorsitzende Susanne Lin-Klitzing.
Auch die Expertise der Lehrkräfte solle dabei wieder eine wesentliche Rolle spielen, so Lin-Klitzing weiter. „Reine Elternwahl gefährdet gerechte Lernbedingungen für alle. Deshalb plädiert der Deutsche Philologenverband wiederholt für eine verbindliche leistungsorientierte Übergangsempfehlung und fordert die Bildungspolitikerinnen und -politiker auf, endlich wieder umzusteuern.“
Zuletzt hatte das Land Berlin die Entscheidung per Elternwille abgeschafft und eine Mindestnote von 2,2 für den Übergang zum Gymnasium eingeführt. Ansonsten gelten nur in Bayern, Sachsen und Brandenburg klare Zugangsvoraussetzungen, teilweise wird aber ein Probeunterricht am Gymnasium ermöglicht. In den anderen Bundesländern gibt es keine starren Notengrenzen – letztlich entscheidet also der Elternwille.
Abitur als „Sprungbrett für akademische Leistung“
Den hohen Stellenwert des Leistungsgedankens in der Bevölkerung zeigen auch die Antworten auf die Frage, ob das Gymnasium auf eine Hochschulausbildung vorbereiten sollte. Demnach sind 85 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Leistungsanforderungen an Gymnasiasten so hoch sein sollten, dass sie auf ein Studium vorbereitet sind. „Das Gymnasium gilt nach wie vor als die vorbereitende Schulart für das Studium. Es wird in der Bevölkerung als Vermittler allgemeiner Bildung und als Sprungbrett für akademische Leistung angesehen“, kommentierte Lin-Klitzing. „Das Abitur muss wieder echte Studierfähigkeit garantieren – und keine rein rechnerisch erworbene Abitur-Abschlussnote.“
Ihr Verband fordere die Politik daher auf, zu einem „angemesseneren Verhältnis von Leistung und Bewertung“ zurückzukehren und nicht „weiterhin leistungsfeindliche Entscheidungen“ zu treffen. So sei es etwa zu wenig, wenn für das Bestehen einer Abiturklausur nur 45 Prozent der Leistung erbracht werden müssten.
Die Umfrage zeige außerdem klar, dass etwa zwei Drittel der Befragten (68 Prozent) die bestandene Abiturprüfung weiterhin als die entscheidende Voraussetzung für die Aufnahme eines Hochschulstudiums befürworten. Hier gab es allerdings starke regionale und altersmäßige Unterschiede. Während im Osten 80 Prozent der Befragten das Abitur als notwendig für die Aufnahme eines Studiums betrachten, sind es im Westen nur 66 Prozent. Je jünger die Befragten, desto eher herrscht zudem offenbar die Auffassung vor, dass es auch andere Zugangsvoraussetzungen für ein Studium geben sollte als nur das Abitur.
Der Deutsche Philologenverband bewertet die Umfrage-Ergebnisse auch vor dem Hintergrund des kürzlich veröffentlichten IQB-Bildungstrends 2024, der „besorgniserregende Leistungseinbrüche“ gezeigt habe – auch am Gymnasium. Die Mehrheit der Bevölkerung wolle eine stärkere schulische Leistungsorientierung, sowohl beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführenden Schulen als auch beim Abitur, kommentiert Lin-Klitzing.
Den Leistungsgedanken infrage zu stellen, sei aus Sicht der Bevölkerung der falsche Schluss, so die Verbandschefin. „Was allerdings infrage gestellt werden muss, sind die inhaltlich im Anspruch verflachten bildungspolitischen Entscheidungen der letzten 25 Jahre. Das darf so nicht weitergehen.“
Sabine Menkens berichtet über gesellschafts-, bildungs- und familienpolitische Themen.
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