CDU-Politiker Sven Schulze, 46, ist seit 2021 Wirtschaftsminister in Sachsen-Anhalt. Anfang November wurde er zum Spitzenkandidaten der Christdemokraten für die Landtagswahl 2026 gewählt.

WELT: Herr Schulze, Sie haben jüngst von der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt als einer „Schicksalswahl“ für ganz Deutschland gesprochen. Wie meinen Sie das?

Sven Schulze: Am Ende geht es sowohl im Bund als auch in den Ländern darum, ob dieses Land auf den Kopf gestellt und komplett verändert werden soll oder nicht. Die AfD kommuniziert sehr klar, dass sie im Grunde einen anderen Staat, ein anderes Land will. Und genau das wollen die allermeisten Menschen nicht. Es ist eine Verpflichtung, auch der CDU, dafür zu sorgen, dass die AfD niemals Verantwortung trägt in Deutschland. Weder in den Bundesländern und schon gar nicht im Bund.

WELT: Zehn Monate vor der Wahl sieht es allerdings nicht danach aus, als könnte die Union in Sachsen-Anhalt noch einmal stärkste Partei werden. Die AfD liegt in Umfragen mehr als zehn Punkte vor der CDU. Woran liegt das?

Schulze: Ich teile Ihre These zu einem möglichen Wahlergebnis nicht. Wir haben schon vor der Wahl 2021 die gleiche Situation gehabt, also dass wir unmittelbar vor der Landtagswahl in den Umfragen schlecht dagestanden haben, das Ergebnis dann aber sehr positiv war. Hinzu kommt, dass wir beispielsweise in den vergangenen Monaten bei vielen Bürgermeister- und Landratswahlen erlebt haben, dass die AfD es am Ende eben doch nicht geschafft hat, zu gewinnen.

Insofern sollten wir uns jetzt auch nicht zu lange mit irgendwelchen Umfragen befassen, sondern uns um Themen und Inhalte kümmern. Klar ist: Ich werde es nicht zulassen, dass meine Heimat zu einem politischen Experimentierfeld für irgendjemanden wird. Und dafür werde ich sehr hart kämpfen.

WELT: Sie werden, anders als Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) im Jahr 2021, nicht mit dem Amtsbonus des Regierungschefs in die Wahl gehen. Wie gleichen Sie diesen Bekanntheitsnachteil aus?

Schulze: Ich bin nach Reiner Haseloff der zweitbekannteste Politiker des Landes. Das ist schon mal keine schlechte Ausgangsbasis. Darüber hinaus wird es das Allerwichtigste sein, dass wir mit den Menschen direkt ins Gespräch kommen. Auch die sozialen Medien werden eine Rolle spielen, aber entscheidend ist der direkte Kontakt vor Ort.

WELT: Eine bewährte Möglichkeit, sich als Landespolitiker bekannter zu machen, ist, sich möglichst laut mit den eigenen Leuten in Berlin anzulegen. Haben Sie den Unions-Außenminister Johann Wadephul deshalb so hart für dessen Einschätzung kritisiert, dass man außer schweren Straftätern derzeit kaum Menschen nach Syrien abschieben könne?

Schulze: Nein. Ich habe diese Aussage des Außenministers kritisiert, weil ich sie inhaltlich für falsch halte. Es geht mir nicht darum, in der eigenen Partei Krach zu schlagen, sondern, wenn es notwendig ist, Hinweise auch aus den Bundesländern in Richtung Berlin zu geben.

WELT: Welche Rolle spielen die Themen Migration und Abschiebungen derzeit noch in Sachsen-Anhalt?

Schulze: Die Menschen erwarten, dass wir diese Themen nicht ausklammern. Die Kurskorrektur der neuen Bundesregierung, der Weg, den Innenminister Dobrindt jetzt geht, hat in Sachsen-Anhalt bereits zu einem deutlichen Rückgang der Flüchtlings-Zugangszahlen geführt.

Und für das Thema Abschiebung gilt, dass wir inzwischen nun mal sehr viele Menschen in Deutschland haben, deren Asylverfahren abgeschlossen ist und die das Land deshalb verlassen müssen. Das gilt zuallererst für diejenigen, die straffällig geworden sind und unseren Staat, unsere Gesellschaft und unsere Art, wie wir hier leben, nicht respektieren. Auch diese Tatsache muss offen und ehrlich kommuniziert werden.

WELT: Ist die Zahl der nach Sachsen-Anhalt kommenden Asylbewerber und Flüchtlinge inzwischen wieder auf einem Niveau angekommen, von dem Sie sagen würden, damit können Land und Kommunen umgehen?

Schulze: Sachsen-Anhalt geht es wie den anderen Bundesländern. Unterbringung und Integration bringen für das Land und seine Kommunen erhebliche Belastungen mit sich. Die Kosten sind immens. Das belastet die Haushalte, das belastet unsere Infrastrukturen. Auch deswegen ist es notwendig, dass die Zahlen weiter sinken. Das gilt für die Zahl derjenigen, die neu hinzukommen. Das gilt aber auch für die Zahl derjenigen, die hier leben, obwohl sie ausreisepflichtig sind.

WELT: Ein anderes Thema, das die Menschen beschäftigt, ist die andauernde Wirtschaftskrise. Wie sehr schadet es der Union, dass sie, dass insbesondere der jetzige Bundeskanzler vor der Bundestagswahl eine schnelle Erholung der Wirtschaft versprochen, bisher aber nicht geliefert hat?

Schulze: Fakt ist, dass wir es mit einem außerordentlich schwierigen geopolitischen Umfeld zu tun haben. Dagegenzuhalten, ist extrem herausfordernd. Dennoch glaube ich, dass die Regierung an der einen oder anderen Stelle bereits positive Akzente gesetzt hat. Zum Beispiel, als es darum ging, die Schäden, die von der Zollpolitik der USA angerichtet werden, in einem noch überschaubaren Rahmen zu halten. Dennoch wissen wir, dass es auch für uns entscheidend sein wird, dass da noch weitere positive Impulse kommen.

WELT: Welche Rolle wird es im Wahlkampf spielen, dass die groß angekündigte Chip-Fabrik mit Tausenden Arbeitsplätzen nun doch nicht in Magdeburg gebaut wird?

Schulze: Intels Investment in Magdeburg wäre für ganz Europa wichtig gewesen, nicht nur für Sachsen-Anhalt. Wir brauchen hier die Chip-Technologie. Wir haben in diesem Bereich auch weiterhin sehr interessante Anfragen, ohne dass ich dazu schon im Detail etwas sagen könnte.

Mein Hauptaugenmerk wird aber auch als Ministerpräsident auf dem Mittelstand liegen. Er ist das Rückgrat unserer Wirtschaft. Am Ende geht es beispielsweise auch darum, dass wir – anders als ich es noch erlebt habe – keinem jugendlichen Menschen mehr sagen müssen, dass er Sachsen-Anhalt besser verlassen sollte, weil es hier nicht genügend Ausbildungs- und Arbeitsplätze gibt.

WELT: Noch mal zum Thema „Schicksalswahl“ – wenn es bei der Landtagswahl nicht reicht für eine eigene Mehrheit ohne AfD und Linkspartei, würden Sie dann versuchen, eine Minderheitsregierung zu bilden?

Schulze: Diese Frage stellt sich nicht. Für uns geht es jetzt erst einmal darum, ein sehr gutes Wahlergebnis zu erzielen, die Wahl zu gewinnen und das Land nicht zu einem Experimentierfeld für irgendjemanden werden zu lassen.

Ulrich Exner ist politischer WELT-Korrespondent und berichtet vor allem aus den norddeutschen Bundesländern.

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