Der Name Karin Prien war schon eine Weile gehandelt worden. Da mit Johann Wadephul aber bereits ein Schleswig-Holsteiner auf der Minister-Liste von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) stand, sank die Chance der 59-jährigen Bildungsministerin von Schleswig-Holstein in Augen vieler Experten, es ins Bundeskabinett zu schaffen. Doch nun steht fest: Sollte die SPD in ihrem Mitgliedervotum erwartungsgemäß für eine Regierung mit der Union stimmen, wird Prien Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Fotos vom Montagmorgen zeigen Prien strahlend in Berlin auf dem Weg zur CDU-Sitzung. Seit 2022 ist sie stellvertretende Vorsitzende der Bundespartei. Sie gilt als eine ihrer profiliertesten Bildungspolitikerinnen.

Seit 2017 ist sie Landesbildungsministerin in Schleswig-Holstein, nur SPD-Kollegin Stefanie Hubig in Rheinland-Pfalz ist länger im Amt. Zuvor war Prien schulpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Von 2011 bis zu ihrem überraschenden Wechsel nach Kiel gehörte sie dem Landesparlament der Hansestadt an, galt in der Öffentlichkeit schon als kommende Bürgermeisterkandidatin.

Doch Hamburgs CDU vollführte damals einen Kurswechsel. Nach zwei deutlichen Wahlniederlagen konzentrierten die Christdemokraten ihren Fokus deutlich auf die konservativen Linien. Prien – eine von nur wenigen prominenten Frauen in der Landespartei, liberal, progressiv und selbstbewusst – eckte im engsten Machtzirkel der Hamburger CDU zunehmend an. Daniel Günther, der 2017 Ministerpräsident in Schleswig-Holstein wurde, erkannte das Potenzial Priens und holte sie von der Elbe an die Förde.

Prien pendelte fortan zwischen dem Hamburger Stadtteil Blankenese und Kiel. Ihr Mann, ein bekannter Rechtsanwalt, und ihre Söhne – inzwischen sind alle drei erwachsen – binden Karin Prien an Hamburg. Regelmäßig zeigt sie auf ihren Social-Media-Kanälen Fotos von selbst Gekochtem. Italienisch mit Bezug zu den Südtiroler Bergen kommt dabei besonders häufig auf den großen Holztisch.

„Ich hielt das für übertrieben und ich habe mich geirrt“

Geboren wurde Karin Prien 1965 in Amsterdam. Die Großeltern jüdischer Herkunft waren in den 1930er-Jahren vor den Nationalsozialisten in die Niederlande geflohen. Prien wuchs im rheinland-pfälzischen Neuwied auf. Nach ihrem Jurastudium in Bonn, Amsterdam und Celle arbeitete sie als Wirtschaftsanwältin in Hannover und Leipzig, bevor es sie schließlich nach Hamburg zog.

Ihre politische Karriere begann als Schülersprecherin, seit 1981 ist Prien in der CDU; Anfang der 2000er-Jahre begann ihr Aufstieg bei den Hamburger Christdemokraten. Sie schaffte es bis in den Landesvorstand und zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Besonders in dieser Zeit in der ersten Reihe in Hamburgs Landespolitik wurde sie hart angegriffen.

Als sie 2015 angesichts der Flüchtlingsströme vorschlug, dass Menschen auch privat untergebracht werden könnten, wenn sich Hamburger dazu bereit erklärten, kannte der Hass gegen sie kaum Grenzen. Mails mit Drohungen, Beleidigungen und Beschimpfungen kamen zu Hunderten. Prien zeigte zwölf Menschen an – und machte weiter.

Als Prien vor einigen Jahren damit begann, sich zu ihrem Jüdischsein zu äußern, folgten antisemitische Angriffe im Internet. Nach dem Massaker der Hamas in Israel im Oktober 2023 ging sie noch offensiver mit ihrer eigenen Geschichte in die Öffentlichkeit.

Im November des vorvergangenen Jahres postete sie auf X ein Foto von einer Kette mit Judenstern. Dazu schrieb sie: „Mama, heute trage ich Deinen kleinen Davidstern über meinem Kleid, Du hast ihn jahrzehntelang immer nur verborgen unter Deinem Kleidung getragen.“ Die Mutter habe Angst gehabt, sich in Deutschland als Jüdin zu bekennen. „Ich hielt das für übertrieben und ich habe mich geirrt. Du hattest recht.“

Für ihre Arbeit als Bildungsministerin hat Prien Kritik erfahren. Erst in der vergangenen Woche noch lud die in Kiel oppositionelle SPD zur Pressekonferenz und stellte der Bildungsministerien ein schlechtes Zeugnis aus. Priens „Versetzung“ sei gefährdet, hieß es – auch im Vorgriff auf ihre anstehende Ernennung als Ministerin. Dabei ging es etwa darum, dass in Schleswig-Holstein mehr Jugendliche die Schule abbrechen als im Rest der Republik. Ein Fakt, der auch Prien Sorgen macht und den sie in ihrem künftigen Amt bekämpfen will.

Im Februar hatte sie sich gemeinsam mit ihren Kolleginnen Hubig und Theresa Schopper (Grüne Baden-Württemberg) für eine engere Zusammenarbeit in der Bildung auf Bundesebene ausgesprochen. Die drei Politikerinnen plädierten etwa dafür, dass die Standards vereinheitlicht werden und mehr Daten über die Schüler in den Ländern erhoben und dazu genutzt werden sollten, Leistungen und Unterricht zu verbessern. Diese Forderung wurde im schwarz-roten Koalitionsvertrag aufgenommen. Als Bundesministerin wäre Prien künftig an der richtigen Stelle, diesen Kurs fortzuführen.

Julia Witte genannt Vedder ist Managing Editor im Hamburg-Ressort von WELT.

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