Bald eröffnen überall in Deutschland traditionelle Weihnachtsmärkte. Doch nun gibt es erste Berichte über Absagen – auch weil der Schutz vor Terroranschlägen mittlerweile große Summen verschlingt. Horst-Daniel Ravenstein, 69, ist Erster Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Kolpingstadt Kerpen (Nordrhein-Westfalen), die traditionell den Weihnachtsmarkt am Kerpener Stiftsplatz veranstaltet.

WELT: Herr Ravenstein, Ihr traditioneller Weihnachtsmarkt wird in diesem Jahr ausfallen. Warum?

Horst-Daniel Ravenstein: Diese Entscheidung ist uns wirklich schwergefallen, weil das Fest für viele in der Region eine Institution in der Weihnachtszeit ist. Aber wir können die gestiegenen Kosten nicht mehr stemmen. Schon im vergangenen Jahr stand unterm Strich ein sehr hoher vierstelliger Verlust. Als ehrenamtlicher Verein aus Kaufleuten und Unternehmern leben wir von den Beiträgen unserer 60 Mitglieder und finanzieren daraus auch den Weihnachtsmarkt. Da stoßen wir ohne Unterstützung der Stadt an unsere Grenzen.

WELT: Allerorts heißt es nun, die strengeren Sicherheitsauflagen aus Angst vor Terroranschlägen führten dazu, dass Weihnachtsmärkte ausfallen. Ist es so einfach?

Ravenstein: Nein. Es sind nicht nur die Sicherheitskosten, die rapide gestiegen sind. Wir als Veranstalter haben auch deutlich steigende Ausgaben für Energie und den Betrieb der Buden. Wir haben allein zusätzliche Stromkosten in Höhe von rund 4000 Euro. Wir müssten von den Betreibern der Stände eine etwa fünfmal so hohe Pacht wie bisher verlangen, um kein Minus zu machen. Das ist nicht realistisch.

WELT: Noch einmal zurück zu den Sicherheitskosten, weil sich die Debatte vielfach darum dreht. Welche Auflagen müssen Sie erfüllen?

Ravenstein: Unser Weihnachtsmarkt ist im Vergleich etwa zu Festen in Köln oder Düsseldorf klein, rund zwei- bis dreitausend Menschen besuchen ihn über das gesamte Wochenende gesehen. Der Festplatz ist von einer Rundstraße und Parkbuchten begrenzt. Wir müssten ihn nach allen Seiten hin absperren, um für Amoktaten oder Terrorangriffe mit einem Auto gewappnet zu sein. Das wäre noch leistbar. Finanziell verheerend ist die Auflage der Stadt, an allen vier Eingängen Einlasskontrollen einzurichten.

WELT: Wie schlagen diese zu Buche?

Ravenstein: Wir als Veranstalter müssten eine Security-Firma organisieren, an jedem Einlass bräuchte es jeweils eine Mitarbeiterin und einen Mitarbeiter. Acht Personen also, die mehrere Stunden am Tag auf Stichwaffen und andere Gegenstände kontrollieren. Dieser Personalaufwand kostet: Am Ende entsteht dadurch ein großer vierstelliger Aufwand, der allein schon unsere gesamten Einnahmen übersteigen würde. Ein Grund für die höheren Sicherheitsauflagen sei besonders unser Bühnenprogramm, das potenziell viele Besucher anziehe – so wurde es uns aus der Verwaltung mitgeteilt.

WELT: Nun wenden Sie einen Kniff an und werden statt eines Weihnachtsmarktes einen „Genussmarkt“ veranstalten. Was hat es damit auf sich?

Ravenstein: Bei so einem Genussmarkt, der ähnlich funktioniert wie ein Wochenmarkt, sind die Auflagen der Stadt weniger strikt. Dadurch, dass es kein Bühnenprogramm gibt, reduzieren sich die Auflagen und dadurch auch die Kosten. Wir nutzen eine deutlich kleinere Fläche und müssen deshalb nicht mehr so weiträumig absperren und kontrollieren. Erfreulich ist, dass der traditionell mit dem Weihnachtsmarkt verbundene verkaufsoffene Sonntag nun auch genehmigt wurde.

WELT: Sind Sie enttäuscht von der fehlenden Unterstützung der Stadt?

Ravenstein: Natürlich hätten wir uns mehr Entgegenkommen gewünscht. Andererseits ist uns aber die finanzielle Lage vieler Kommunen im Land klar, nicht nur bei uns. Auch in Overath kann der Verein, der das Fest organisiert, die gestiegenen Ausgaben für Terrorabwehr nicht mehr allein tragen. Auch hier wollte sich die Stadt nicht an den Kosten beteiligen. Dort wurde der Markt dann ganz abgesagt. Wir sind froh, dass wir zumindest eine abgespeckte Version bieten können.

Korrespondent Philipp Woldin kümmert sich bei WELT vor allem um Themen der inneren Sicherheit und berichtet aus den Gerichtssälen der Republik. Im September ist im Verlag C.H. Beck sein Buch „Neue Deutsche Gewalt. Wie unsicher unser Land wirklich ist“ erschienen, das er gemeinsam mit WELT-Investigativreporter Alexander Dinger geschrieben hat.

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