Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich skeptisch zu Forderungen aus den eigenen Reihen geäußert, die Abstimmung im Bundestag über das Rentenpaket der Bundesregierung zu verschieben. Auf dem „SZ-Wirtschaftsgipfel“ in Berlin wies Merz am Montag darauf hin, dass es hier um mehrere Maßnahmen gehe. Für ein Inkrafttreten besonders der geplanten Aktivrente Anfang 2026 „müssen wir dieses Gesetzgebungspaket durch den Bundestag bringen“, stellte der Kanzler klar.

Zudem hat Merz erklärt, dass sich die Deutschen auf längere Lebensarbeitszeiten einstellen müssen. „Wir werden länger arbeiten müssen“, sagte der CDU-Vorsitzende am Montagabend auf der Euro Finance Week in Frankfurt. Man müsse das Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Ruhestand neu austarieren, fügte er in Anspielung auf steigende Lebenserwartungen hinzu. „Wir werden es jetzt, beginnend mit dem 1. Januar 2026, auf der Basis der Freiwilligkeit versuchen“, sagte der Kanzler mit Hinweis auf die Aktivrente.

Diese soll mit Freibeträgen Arbeitnehmer ermuntern, über das gesetzliche Rentenalter hinaus weiterzuarbeiten. Er sei ziemlich sicher, dass insbesondere in den Dienstleistungsberufen viele Arbeitnehmer von diesem Angebot Gebrauch machen würden. „Wir werden dann zeigen, dass sich auch auf der Basis von Freiwilligkeit für den Arbeitsmarkt viel erreichen lässt.“

In der vergangenen Woche hatte Merz sich beim Handelsverband HDE noch skeptischer gezeigt und gewarnt: „Wenn es nicht auf der Basis der Freiwilligkeit geht, dann werden wir uns über andere Maßnahmen unterhalten müssen.“ Merz hatte im Wahlkampf und in der laufenden Legislaturperiode mehrfach Forderungen aus der Union zurückgewiesen, das Renteneintrittsalter über 67 hinaus zu erhöhen.

Kritik aus den Reihen der Jungen Union

Derzeit gibt es in der Union einen Streit um den Gesetzentwurf zu der in der vom Kabinett beschlossenen Renten-Haltelinie von 48 Prozent bis 2031. Insbesondere bei der Jungen Union gibt es Kritik an den Gesetzesplänen für ein derartiges Festschreiben. Der Widerstand richtet sich vor allem dagegen, dass dies dann auch Ausgangspunkt für die Rentenentwicklung in der Zeit danach sein würde, worauf die SPD beharrt. Die 18 Abgeordneten der Jungen Gruppe in der Unionsfraktion haben mit einer Ablehnung des Rentenpakets gedroht, falls es keine Änderungen gibt. Damit ist eine eigene Mehrheit der Koalition für den Gesetzentwurf in Gefahr.

Nun kündigt auch noch die Grünen-Bundestagsfraktion an, dem Rentenpaket nicht zustimmen zu wollen. Zwar teilt die Fraktion das Ziel einer dauerhaften Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, wie der stellvertretende Vorsitzende Andreas Audretsch auf Anfrage erklärte. Sie vermisse in den Plänen von Schwarz-Rot aber substanzielle Reformen, damit auch die Interessen der jungen Generation gewahrt würden.

Im Kern geht es bei der Debatte um die sogenannte Haltelinie bei der Rente, also das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und SPD vereinbart, diese Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent bis 2031 zu verlängern. Kritiker bemängeln, dass die jetzt ausformulierten Pläne Folgekosten in Milliardenhöhe in den Jahren nach 2031 bedeuten würden.

Um das zu verhindern, schlägt Audretsch „Maßnahmen für längeres gesundes Arbeiten“ vor, damit Menschen später in Rente gehen – aktuell tun sie dies im Schnitt mit rund 64,7 Jahren.

Beamte in die Rentenversicherung

In die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden sollten aus Sicht der Grünen auch Selbständige, Abgeordnete und Beamte, sagt der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Weitere Möglichkeiten zur Absicherung des Rentenniveaus seien bessere Kinderbetreuungsstrukturen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern, Zuwanderung und eine bessere Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. „Das Rentengesetz ist völlig unzureichend, dem werden wir Grüne nicht zustimmen“, kündigte der Fraktionsvize an.

Die Grünen-Vorsitzende, Franziska Brantner, sagte, es brauche jetzt – nicht nur bei der Rente, sondern auch bei Klimaschutz, Wehrpflicht und den Staatsschulden – einen neuen Generationenvertrag. Dabei stelle sich die Frage, „wo und wie auch die ältere Generation ihren Beitrag leisten kann“, sagte die Co-Parteivorsitzende.

Merz schließt Minderheitsregierung aus

Unterdessen wies Merz Spekulationen über eine mögliche Minderheitsregierung bei einem Platzen der schwarz-roten Koalition klar zurück. „Das ist aus meiner Sicht ausgeschlossen, so etwas zu machen“, sagte der. „Glaubt denn irgendjemand ernsthaft, wir könnten in diesem Deutschen Bundestag mit wechselnden Mehrheiten arbeiten und da noch vernünftige Gesetzgebungsarbeit machen?“ Zuvor hatten „Bild“ und „FAZ“ berichtet, in der Union werde das Szenario einer Minderheitsregierung bereits durchgespielt.

Merz betonte weiter, Reformen bei Renten-, Pflege- und Krankenversicherung seien „unabwendbar“ und die Regierung werde diese auch angehen. „Auch unser Alterssicherungssystem steht auf dem Prüfstand“, sagte der Kanzler. Dafür sei mit der SPD verabredet, „das Gesamtversorgungssystem neu zusammenzusetzen“, zu dem neben der gesetzlichen Rente auch die betriebliche und private Altersversorgung gehörten. „Die Ausprägung wird in den kommenden Monaten zu diskutieren sein“, kündigte er an.

Merz verweist auf sein Kompromissangebot

Zu den Forderungen nach einer Verschiebung der Anfang Dezember geplanten Abstimmungen im Bundestag sagte Merz: „Wir werden in den nächsten Tagen weiter miteinander reden.“ Er verwies auf dazu von ihm bereits gemacht Vorschläge sowie auf die noch in diesem Jahr geplante Einsetzung einer Rentenkommission für weitergehende Reformschritte. Darüber hinaus hatte Merz auch einen „Begleittext“ zu den aktuell anstehenden Gesetzesvorhaben ins Gespräch gebracht.

„Wir wissen, dass wir Entscheidungen treffen müssen für die Zeit nach 2031“, hob der Kanzler hervor. Hier sei er „auf der Seite der Jungen Union“. Allein aus der gesetzlichen Rentenversicherung heraus werde sich das Rentenniveau dann nicht mehr halten lassen, sagte er unter Hinweis auf steigende Kosten und damit verbundene Beitragssteigerungen. „Das wollen und werden wir auch vermeiden.“

SPD stellt „klares Stoppschild“ auf

Generalsekretär Tim Klüssendorf (SPD) betonte die zentrale Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung und warnte vor einer verkürzten Debatte über deren Kosten. Die gesetzliche Rentenversicherung ist das Instrument, „auf das sich die meisten Menschen in diesem Land verlassen, wenn es um ihre Altersversorgung geht“. Angesichts dessen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung – im Osten rund drei Viertel – ausschließlich auf die gesetzliche Rente angewiesen sei, müsse das Rentenniveau von 48 Prozent stabil bleiben.

Dass die Kritiker vor enormen Ausgaben bis 2040 warnen, wies Klüssendorf als „willkürlich“ zurück. Hier gehe es nicht um irgendwelche zusätzlichen Ausgaben, die auch guten Gewissens eingespart werden könnten. Klüssendorf wollte der Debatte mit seinen Ausführungen „ein klares Stoppschild“ setzen, wie er sagte. In der Auseinandersetzung gehe es nicht um die Frage „jung gegen alt“, sondern „arm gegen reich.“ Der Großteil derjenigen, die das jetzt sehr intensiv diskutierten, sei meist selbst nicht auf die gesetzliche Rente angewiesen, so Klüssendorf.

Neben der Sicherung des Rentenniveaus geht es im Bundestag um die Aktivrente, die Arbeiten über das gesetzliche Eintrittsalter hinaus attraktiver machen soll. Um 2026 wirksam zu werden, müsste dieses Vorhaben am 19. Dezember auch vom Bundesrat gebilligt werden. Ein weiterer Teil des Pakets ist die Ausweitung der Mütterrente, auf der vor allem die CSU besteht.

Der Rentenstreit in der CDU war am Wochenende bei einem Auftritt von Merz auf dem Deutschlandtag der Jungen Union eskaliert. Auf der „SZ“-Veranstaltung sagte dazu der Kanzler, er habe zuvor nicht geahnt, „dass ich hier bei der ‚Süddeutschen Zeitung‘ mal freundlicher begrüßt werde als bei der Jungen Union“. Merz fügte hinzu: „So ändern sich die Zeiten, aber es wird auch wieder anders.“

Merz entsetzt über die Abhängigkeit Europas

Merz sprach auch über China und die USA. Die Entwicklung in China sei „nach innen immer repressiver, nach außen immer aggressiver“, sagte Merz. Er sei zudem entsetzt, wie hoch die Abhängigkeit Europas etwa von Medikamenten aus China und Indien sei. Die Regierung arbeite daran, dies zu ändern. Derzeit befindet sich Vizekanzler Lars Klingbeil auf einer China-Reise.

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