Ein vom Krieg gezeichneter Junge aus der Ukraine hat im Europäischen Parlament in Straßburg für bewegende Momente gesorgt. Roman Oleksiw, der bei einem russischen Raketenangriff schwer verletzt wurde und seine Mutter verlor, schilderte öffentlich seinen Überlebenskampf – und brachte damit mehrere Abgeordnete zum Weinen. Auch die Dolmetscherin, die seine Worte für die Abgeordneten ins Englische übersetzen sollte, konnte zeitweise nicht mehr sprechen, ein Kollege musste aushelfen.
Der Elfjährige sprach bei der Vorstellung eines Dokumentarfilms über Kinder im Krieg. Eine Aufnahme des Auftritts veröffentlichte die ukrainische Plattform „Nexta“. Laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte gab es bis zum 30. September 2025 mindestens 14.383 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung durch die russischen Angriffe, darunter mindestens 738 Kinder. Tausende Kinder wurden schwer verletzt – wie Roman.
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Der Junge, dessen Gesicht die Spuren der Verbrennungen und Dutzender Operationen trägt, erinnerte an den Tag des Angriffs: Er habe mit seiner Mutter im Juli 2022 in der westukrainischen Stadt Winnyzja in einem Krankenhaus gewartet, als die russische Rakete einschlug. „Das war das letzte Mal, dass ich sie sah“, sagte Roman. Insgesamt kamen bei dem Angriff 27 Menschen ums Leben. Viele der Opfer konnten nur mittels eines DNA-Tests identifiziert werden, auch Romans Mutter Halyna.
Roman berichtete, er habe seine Mutter noch unter den Trümmern gesehen, eine Haarsträhne berühren können – dann sei er ins Koma gefallen. Es sollte mehr als 100 Tage andauern. Insgesamt 35 Operationen überstand der Junge. Und das, obwohl ihm kaum Überlebenschancen gegeben worden waren.
Der damals Siebenjährige wurde nach dem Angriff unter den Trümmern hervorgezogen, mit gebrochenen Knochen und lebensgefährlichen Verbrennungen. Rund 45 Prozent seines Körpers waren verbrannt – sogar innere Organe. Ein Video zeigt, wie ein Helfer das Kind, vollständig gezeichnet von Flammen, aus der Ruine trägt.
Über ein medizinisches Evakuierungsprogramm gelangte Roman zunächst nach Polen, später in die Uniklinik Dresden. Pfleger Jonathan Wincke erinnert sich, der Krankenwagen habe extrem langsam fahren müssen, weil der Zustand des Jungen so instabil gewesen sei. Mit Verbrennungen dritten Grades an Kopf, Gesicht, Armen, Beinen und schweren Schäden an den Atemwegen wurde Roman künstlich beatmet und sediert. „Niemand konnte garantieren, dass er überleben würde“, sagte sein Vater Yaroslaw dem Sender „Radio Free Europe“.
Zwei Jahre lang musste Roman spezielle Kompressionsverbände und eine Gesichtsmaske tragen. Die meisten der 35 Operationen waren Hauttransplantationen. Weil Narbengewebe nicht im gleichen Tempo wächst wie gesunde Haut, werden weitere Eingriffe bis zu seiner Volljährigkeit nötig sein.
Vergangenes Jahr durfte Roman dann die Maske ablegen. Inzwischen lebt er mit seinem Vater in Lwiw. Doch der tägliche Luftalarm belastet ihn stärker als andere Kinder. Eine Zeit lang sei er jeden Morgen um fünf Uhr aufgestanden, um erneut von dem Tag zu erzählen, an dem seine Mutter starb, berichtet sein Vater. Heute spreche er ruhig über die Ereignisse – auch über seine Mutter. Das regelmäßige Erinnern helfe, sagt Yaroslaw: „Für ihn ist das wie ein Strahl der Wärme.“ Vater und Sohn besuchen fast jeden zweiten Tag das Grab der Mutter.
Roman geht wieder zur Schule, sein Alltag ist eng getaktet: Physiotherapie, Schwimmen, Tanz und Musikunterricht. Zusätzlich lernt er Akkordeon, um die Beweglichkeit seiner vernarbten Finger zu verbessern. Bei einem internationalen Wettbewerb holte er kürzlich sogar den ersten Preis. Am Ende seiner Rede im EU-Parlament richtete er eine Botschaft an alle: „Ich möchte Ihnen sagen, dass wir gemeinsam stark sind und dass Sie niemals aufgeben sollten und dass wir weiterhin ukrainischen Kindern helfen müssen. Danke.“
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