Der Verband der Kassenärzte fordert neue Einnahmequellen für das Gesundheitssystem. Vorstellbar sei „eine Art Praxisgebühr 2.0, bei der die Kassen das Geld bei den Patienten einziehen“, so der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der „Rheinischen Post“. „Zehn Euro Praxisgebühr pro Quartal sind zumutbar, das ist der Preis eines Döners.“ Die Gebühr solle aber nicht vor Ort beim Arztbesuch eingezogen werden, weil dies zu viel bürokratischen Aufwand für die Praxen bedeuten würde.
Gassen erinnerte dabei an das Volumen der bis 2012 erhobenen Gebühr: „Damals hat die Praxisgebühr den Kassen zwei Milliarden Euro im Jahr gebracht“, sagte er. „Zum Vergleich: Pro Patient bekommt ein Hautarzt zum Beispiel nur rund 15 Euro im Monat.“
Der weiteren forderte Gassen Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) auf, Homöopathie als Kassenleistung zu streichen: „Es gibt keine Evidenz, dass Homöopathie wirkt“, sagte der Ärztechef im Gespräch mit der „Rheinischen Post“ – und fügte hinzu: „Menschen sollen gerne Globuli und Mistel-Zweige einsetzen, wenn sie daran glauben – aber nicht zu Lasten der Beitragszahler. Allein für Homöopathie zahlen die Kassen 50 Millionen Euro im Jahr.“
Kassenzahlungen für Gesundheits-Apps in der Kritik
Auch die Kassenzahlungen für Gesundheits-Apps müssten ein Ende haben, ergänzte Gassen: „Bei den unter Jens Spahn eingeführten digitalen Gesundheitsanwendungen wird ohne erwiesenen Nutzen viel Geld verschwendet.“
Der Ärzte-Chef forderte daher, kein Geld mehr für solche Apps auszugeben, die Versicherte mit Handy oder Computer nutzen könnten, um zum Beispiel das Rauchen aufzugeben oder Depressionen zu lindern: „Es gibt keine echte Bewertung des medizinischen Nutzens, keine Kontrolle, ob diese Anwendungen überhaupt genutzt werden.“ Diese Apps hätten „zwischen 2020 und 2024 rund 234 Millionen Euro gekostet und die Ausgaben steigen“.
Zuletzt hatten sogar die Grünen auf ihrem Bundesparteitag in Hannover das Thema aufgegriffen. Die gesetzlichen Krankenkassen sollen homöopathische Behandlungen nach dem Willen der Grünen künftig nicht mehr erstatten, hieß es in einem dort gefassten Beschluss. „Die Solidargemeinschaft soll nicht für Therapien aufkommen, deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus wissenschaftlich nicht belegt ist“, heißt es in dem verabschiedeten Antrag aus Berlin.
Die Kostenerstattung suggeriere eine Wirksamkeit homöopathischer Mittel und führe Patienten in die Irre, so der nun beschlossene Antrag. Anders betrachten die Grünen pflanzliche Arzneimittel, hier gebe es vielfach Belege für die Wirksamkeit.
Gassen regt auch Steuer auf Zucker an
Darüber hinaus forderte der KBV-Chef auch, eine Steuer auf Zucker einzuführen und die auf Tabak und Alkohol zu erhöhen: „Es gibt Wege, Einnahmen gezielt zu erhöhen: Wir brauchen endlich eine Zuckersteuer wie in skandinavischen Ländern. Zugleich sollte die Tabak- und Alkoholsteuer erhöht werden und die Einnahmen zweckgebunden in das Gesundheitswesen gehen, sie dürfen nicht wie bisher im Bundeshaushalt versickern.“
Gassen nannte in dem Interview auch Zahlen: „Zwei Euro Steuern mehr pro Zigaretten-Packung wären doch ein guter Anfang. Das würde rund sieben Milliarden Euro im Jahr bringen – und wenn es Jugendliche vom Rauchen abhält, umso besser.“ Rauchen sei schließlich die Hauptursache für Lungenkrebs, Herzinfarkte, Schlaganfälle.
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