Der EU-Deal zur Ukraine-Finanzierung steht, doch Bundeskanzler Merz (CDU) konnte seine Vorstellungen dabei nicht durchsetzen. Die Ukraine wird in den kommenden zwei Jahren 90 Milliarden Euro als Kredit erhalten. Die EU wird dazu gemeinsame Schulden aufnehmen, die durch den Haushalt der Gemeinschaft abgesichert sind – ein deutlicher Kurswechsel gegenüber dem bisherigen Favoriten der EU, die auf europäischem Boden eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu nutzen.
Eine Auswahl der internationalen Pressestimmen:
„Times“, Großbritannien
Die erschöpfenden Verhandlungen, die erst um 3 Uhr am Freitagmorgen endeten, führten zu dem Kompromiss, die Ukraine durch gemeinsame Kredite von 24 Ländern zu finanzieren, die durch den Haushalt der Europäischen Union abgesichert werden. Die russischen Staatsvermögen werden nicht angetastet, bleiben jedoch gesperrt, bis Moskau die Ukraine durch Reparationszahlungen entschädigt, die dann wiederum zur Rückzahlung des zinslosen Darlehens verwendet werden sollen.
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Der Kompromiss war ein Sieg für den belgischen Ministerpräsidenten Bart De Wever, nachdem Deutschland und Polen mit einem „Plan B“ ausmanövriert worden waren, den zuerst Frankreich und Italien unterstützt hatten. (...) Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich seit September für die Beschlagnahmung der eingefrorenen Vermögenswerte Russlands zur Finanzierung der Ukraine eingesetzt – was Belgien und andere Länder erschreckte, die finanzielle Turbulenzen befürchteten.
„Aftonbladet“, Schweden
Das ist sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht. Gut, weil die Ukraine das Geld dringend braucht. Schlecht, weil man sich nicht darauf einigen konnte, die eingefrorenen russischen Vermögenswerte zu verwenden. Und beunruhigend, weil es zeigt, dass es Europa noch immer an Krisenbewusstsein mangelt.
Russland will keinen Frieden. Das russische Regime braucht den Krieg, um an der Macht zu bleiben. Imperialismus ist russische Staatsideologie. Das ist kein neues Phänomen. Seit Wladimir Putin vor 25 Jahren an die Macht kam, hat er immer wieder in anderen Ländern interveniert und neue Kriege begonnen. (...)
Am Tisch der EU-Staats- und Regierungschefs scheint sich auch eine gewisse Kriegsmüdigkeit breitgemacht zu haben. Das ist peinlich, denn der Krieg wird in der Ukraine geführt und es ist die ukrainische Bevölkerung, die leidet.
Deshalb stellt sich die Frage, ob Europa auf kurze Sicht vor dem russischen Terror einknicken wird. (...) Ungarn, Tschechien und die Slowakei wirken wie Putins trojanische Pferde. Europas Wirtschaft ist angeschlagen und populistische Parteien gewinnen in immer mehr Ländern an Einfluss. Die US-Regierung scheint im Ukraine-Konflikt inzwischen auf der Seite Moskaus zu stehen. Uns bleibt keine andere Wahl, als der Ukraine zu helfen, die russische Armee zu besiegen – im schlimmsten Fall mit den USA als Zuschauern auf der Tribüne.
„Sme“, Slowakei
Laut Trump, Merz und Selenskyj steht man mit dem 20-Punkte-Friedensplan, auf den man gemeinsam die ursprünglichen 28 Punkte der Kreml-Wunschliste zusammengestrichen hat, einem Frieden so nahe wie nie zuvor. Weil aber aus Moskau schon eine sofortige Ablehnung kam, staunt man über die Vielfalt der Vorstellungen darüber, was man alles für eine angebliche Nähe eines Friedens halten kann.
Der rege Pendelverkehr von (Trumps Sondergesandten Steve) Witkoff und (Trumps Schwiegersohn Jared) Kushner zwischen Moskau und Kiew sowie Berlin, Istanbul, Genf, Mar-a-Lago und so weiter wird wohl auch nach Weihnachten weitergehen, das eigentlich die vielleicht schon zehnte Deadline für Trump gewesen sein sollte.
Angesichts der ukrainischen Zugeständnisse, die noch vor ein paar Monaten unvorstellbar gewesen wären, scheint die einzige Logik von Selenskyj und der Europäischen Union wohl das Bemühen darum zu sein, dass Trump als letzter auf diesem Planeten zur Erkenntnis gelangt, dass ein Friede mit Russland gar nicht wirklich zur Diskussion steht, weil es ihn gar nie geben kann.
Und dass er sieht, dass sein Ausspruch von vor einem Jahr über Putin: „Putin will Frieden, ich kenne ihn sehr gut, ja, er will Frieden, ich glaube, er würde es mir sagen, wenn es nicht so wäre“ – nichts anderes als ein Riesenblödsinn war, der in seiner Naivität sogar aus der Menge all dessen noch heraussticht, was Trump sonst so Tag für Tag von sich gibt.
„La Repubblica“, Italien
Eine politische Niederlage für Ursula von der Leyen und Friedrich Merz, die bis zuletzt darauf gedrängt hatten, die Ressourcen aus den Vermögenswerten Moskaus zu nutzen. In Bezug auf die russischen Vermögenswerte wird die Kommission ihre technische Prüfung fortsetzen, um zu klären, ob dies in den kommenden Monaten zu einer praktikablen Option werden könnte. Vorerst jedoch wird sie auf unbestimmte Zeit vertagt und faktisch ad acta gelegt.
Ja, wahrscheinlich könnten sie – wie Merz erklärte – künftig dazu verwendet werden, den Kredit in Höhe von 90 Milliarden zurückzuzahlen, falls sich Russland nicht an der Wiederaufbauhilfe für die Ukraine beteiligt. Von der Leyen und Merz müssen daher die Zweifel akzeptieren, die hinsichtlich der eingefrorenen Vermögenswerte aufgekommen sind, und den klassischen Kredit akzeptieren.
„Lidove noviny“, Tschechien
In Anspielung auf Europas Abhängigkeit von den amerikanischen Verbündeten hat der russische Präsident Wladimir Putin diejenigen Europäer, die ihm nicht zur Hand gehen wollen, „Ferkel“ genannt. Im Russischen gilt dieser Ausdruck weniger einem jungen Schwein als einem moralisch problematischen, dreckigen und niederträchtigen Menschen, der ein charakterloser Handlanger ist. Er hat also einen starken dehumanisierenden Beiklang und wird für ein Wesen verwendet, das als minderwertig betrachtet wird. (...)
Putin provoziert und er wird auch in Zukunft weiter provozieren. Er sucht nach inneren Schwachstellen der europäischen Demokratien und versucht, diese auszunutzen. Er wird dazu wie bisher alle denkbaren Methoden verwenden. Was ihm nützt, sind der politische Rechtsruck in Europa und den USA, die Unfähigkeit des US-Präsidenten Donald Trump und das schwache Selbstvertrauen der europäischen demokratischen Anführer, deren seit Jahrzehnten bestehendes Weltbild vor ihren eigenen Augen zusammenbricht.
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