Mehr als ein Drittel der Deutschen rechnet mit einem Bruch der schwarz-roten Koalition vor dem regulären Wahltermin Anfang 2029. Das ergibt eine Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag von WELT AM SONNTAG.

Auf die Frage, für wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich man es halte, „dass die Koalition aus CDU/CSU und SPD die gesamte Legislaturperiode im Amt bleibt“, antworteten 37 Prozent der Befragten mit „sehr / eher unwahrscheinlich“. 53 Prozent halten einen Fortbestand des Regierungsbündnisses hingegen für „sehr / eher wahrscheinlich“. Neun Prozent der Befragten antworteten mit „weiß nicht“ oder machten keine Angabe.

Männer zeigten sich dabei deutlich skeptischer als Frauen: 41 Prozent der männlichen Befragten stellen sich demnach auf ein Auseinanderbrechen des Regierungsbündnisses ein, bei den weiblichen Befragten sind es 34 Prozent. Im Osten sind die Zweifel an der Fortdauer von Schwarz-Rot ausgeprägter als im Westen der Republik: So halten 42 Prozent der Ostdeutschen ein vorzeitiges Aus der Koalition für wahrscheinlich – unter den Westdeutschen sind es 36 Prozent.

Die Koalition steht derzeit in Umfragen auf Tiefständen. So zeigten sich etwa im Deutschlandtrend von Anfang Dezember nur noch 20 Prozent zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung, Kanzler Friedrich Merz (CDU) kam im Ranking der Politiker nur noch auf 23 Prozent Zustimmung. Union und SPD hatten sich zuletzt heftige Auseinandersetzungen um das Rentenpaket zur Festschreibung der gesetzlichen Altersversorgung für die nächsten Jahre geliefert.

Auch innerhalb von CDU und CSU war das Gesetz stark umstritten: Besonders von den Jüngeren in der Union wurde das Paket scharf kritisiert. Im Zusammenhang mit dem Rentenstreit war in der Union vereinzelt über einen Bruch der Koalition spekuliert und eine Minderheitsregierung unter Kanzler Merz als Option genannt worden.

Auch die Frage einer Abkehr vom Verbrenner-Aus und andere Vorhaben sorgten für Konflikte in der Koalition. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) schlug vor, angesichts der anhaltenden Rezession in Deutschland den schwarz-roten Koalitionsvertrag in Teilen neu zu verhandeln und stärker auf das Ankurbeln der Konjunktur auszurichten. Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann zeigten sich offen für den Vorstoß.

Die öffentlichen Querelen hinterlassen Spuren vor allem bei den Anhängern zweier Oppositionsparteien: So rechnen 67 Prozent derjenigen, die nach eigenen Angaben bei der vorigen Bundestagswahl AfD gewählt haben, mit einem Bruch von Schwarz-Rot. Bei den Anhängern der Linken sind es 50 Prozent, bei den Grünen-Unterstützern hingegen nur 28 Prozent. Unter den Wählern von CDU/CSU und SPD erklären es jeweils nur 22 Prozent für unwahrscheinlich, dass die Koalition diese Legislatur durchhält.

Bemerkenswert: Über die politischen Lager und die Geschlechtergrenzen hinweg gibt es in der YouGov-Umfrage eine Altersgruppe, in der die Skepsis hinsichtlich des Zusammenhalts der Koalition überwiegt. Von den 40- bis 49-Jährigen halten 47 Prozent ein Auseinanderfallen von Schwarz-Rot für wahrscheinlich; 43 Prozent erwarten ein Durchhalten bis zum nächsten regulären Wahltermin. In der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen ist die Skepsis am geringsten ausgeprägt. Hier nennen 33 Prozent der Befragten einen Bruch der Koalition wahrscheinlich.

Im Vergleich zur entsprechenden Umfrage vom Mai dieses Jahres, als die Regierung Merz gerade einige Tage im Amt gewesen war, zeigt sich nun eine spürbare Verschiebung. Damals rechneten 33 Prozent der Befragten mit einem vorzeitigen Aus der frisch angetretenen Koalition – also vier Prozentpunkte weniger als jetzt zum Jahresende. Damals waren vor allem die Wähler von CDU und CSU optimistischer als jetzt, nur 15 Prozent von ihnen rechneten damals mit einem Bruch des Regierungsbündnisses. Bei der Anhängerschaft der Sozialdemokraten entsprach das Niveau mit 23 Prozent damals etwa der Stimmung heute.

Die Daten dieser Befragung basieren auf Online-Interviews mit Mitgliedern des YouGov-Panels, die der Teilnahme vorab zugestimmt haben. Für diese Befragung wurden im Zeitraum vom 17. bis zum 19. Dezember insgesamt 1010 Personen befragt. Die Erhebung wurde nach Alter, Geschlecht, Bildung, Region, Wohnumfeld, Wahlverhalten und politischem Interesse quotiert, die Ergebnisse wurden anschließend entsprechend gewichtet. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Wahlbevölkerung in Deutschland ab 18 Jahren.

Claudia Kade ist Politik-Chefin bei WELT.

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