Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger verlangt von der Bundesregierung im kommenden Jahr tiefgreifende Reformen. „Deutschland braucht einen großen Wurf – sonst droht eine Dauerkrise“, sagte Dulger. „Wir stecken in der längsten Krise seit Gründung der Bundesrepublik.“
Nach zwei Rezessionsjahren in Folge wird für 2025 allenfalls ein Mini-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Auch für das kommende Jahr rechnen Ökonomen nicht mit einem spürbaren Aufschwung. Merz hat wiederholt tiefe Reformen angekündigt. So wurde eine Rentenkommission eingesetzt. Bis Mitte 2026 sollen Vorschläge vorliegen. Dabei dürfte es auch um die Frage eines späteren Renteneintrittsalters gehen.
Dulger forderte nicht nur einen deutlichen „Bürokratierückbau“. Dies würde Unternehmen und Bürgern mehr Freiheit zur Entfaltung ermöglichen. Sondern auch, dass es mehr Netto vom Brutto geben müsse. Zudem sprach er sich angesichts steigender Sozialausgaben von kostensenkenden Sozialstaatsreformen. „Unser Sozialstaat muss treffsicherer und gerechter werden.“
Arbeit müsse deutlich attraktiver werden als Nicht-Arbeit. „Das alles würde Deutschland so viel attraktiver für Investoren aus dem Inland und dem Ausland machen. Investitionen in den 20er-Jahren führen zu Wachstum in den 30er-Jahren.“
„Ganze Strukturen werden so kaputtgemacht“
Die Gewerkschaft IG Metall sieht dagegen auch die deutsche Industrie in der Pflicht, sich im Verein mit Politik und Belegschaften aus der tiefgreifenden Krise zu befreien. Mit Blick auf die US-Zölle, Chinas Aufholjagd und hohe Energiepreise infolge des Ukraine-Kriegs stellt die Erste Vorsitzende Christiane Benner fest: „Es sind schon extreme Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft. Das Exportmodell ist in Gefahr.“
Die Chefin der größten deutschen Gewerkschaft spricht sich für gezielte Investitionen Europas in Digitalisierung und Zukunftstechnologien wie der Batterietechnik aus. Es sei ein Desaster, wenn ohne Sinn und Verstand Werke geschlossen, die Forschung und Entwicklung nach Asien oder Osteuropa verlagert werde. „Ganze Strukturen werden so kaputtgemacht.“
In Zukunft brauche es auch schnellere Entscheidungswege in den Unternehmen, sagt Benner. „Da hat sich bei vielen nur wenig geändert. Unsere Betriebsräte sagen uns, dass ungefähr die Hälfte der Unternehmen keine Zukunftsstrategie besitzen. Wir brauchen echte Krisenmanager. Statt Strategien gibt es Mimimi über den Sozialstaat.“
Die Unternehmen und ihre Verbände forderte die Gewerkschafterin auf, die Dauerkritik am Sozialsystem einzustellen. „Die Politik hat ja durchaus geliefert: Was die Energiekosten anbelangt, was die Förderung von Elektromobilität anbelangt, bessere Abschreibemöglichkeiten. Ja, es ist noch viel zu tun. Aber diese Entlastungssignale werden nicht ausreichend wertgeschätzt.“ Wenn stattdessen immer weitere Sozialreformen verlangt würden, richte sich das auch gegen die Beschäftigten. „Allen Sozialabbau, alle Kommentare über zu faule oder zu kranke Beschäftigte, nehmen die Menschen gegen sich selbst wahr.“
Nicht zu hohe Erwartungen wecken
Der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, hat die Bundesregierung aufgefordert, im kommenden Jahr rasch Klarheit über die Grundzüge der angekündigten Sozialreformen zu schaffen. „Wichtig wäre, dass im nächsten Jahr vor der Sommerpause schon erste Ergebnisse dieser Ankündigungen konkret zu fassen sind“, sagte der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). „Das würde auch mit Blick auf die Landtagswahlen nicht nur uns helfen, sondern auch unserem Koalitionspartner.“
Radtke sagte, dass die Phase der politischen Debatten und Gremienberatungen etwa in der Sozialstaats- oder Rentenkommission in den kommenden Monaten zu Entscheidungen führen müsse. „Inhaltlich wird es im nächsten Jahr darum gehen, das Thema Sozialreformen nicht nur auszuwerten, sondern aus den Empfehlungen konkrete politische Entscheidungen abzuleiten“, sagte der CDU-Europaabgeordnete.
Gleichzeitig warnte er davor, zu hohe Erwartungen bei den Bürgern zu wecken. „Es ist sicherlich ratsam, Dinge zu versprechen, die man am Ende auch liefern kann“, sagte Radtke. Ein Negativbeispiel aus dem zu Ende gehenden Jahr sei in dieser Hinsicht die angekündigte Senkung der Stromsteuer für alle gewesen, die dann aber nicht gekommen sei.
„Das steht exemplarisch dafür, wie man Erwartungsmanagement nicht betreiben sollte“, sagte Radtke. „Die Enttäuschungen darüber verdecken ja Erfolge, die ganz real da sind.“ Als Erfolge der Koalition in diesem Jahr nannte er die Erhöhungen von Pendler- und Ehrenamtspauschale sowie die Senkung der Gastrosteuer. „Hier werden Menschen entlastet“, sagte Radtke.
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