Die Europäische Union will erstmalig eine EU-Ausbildungsmission im Libanon durchführen. „Die Mission soll Ende 2026 oder Anfang 2027 beginnen“, sagten hochrangige Diplomaten, die mit den Beratungen vertraut sind, WELT. Ziel der Mission ist, „Ratschlag, Training und Kapazitätenaufbau“, wie es in einem internen Dokument des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) heißt.
Konkret geht es um die Ausbildung und möglicherweise auch Ausrüstung von libanesischen Sicherheitskräften durch die Europäer. Neben Soldaten sollen insbesondere Polizisten darin geschult werden, Sicherheit und Ordnung im Land durchzusetzen und die Grenze zwischen dem Libanon und Syrien besser zu schützen.
Dabei sollen die EU-Ausbilder ausdrücklich nicht befugt werden, selbst Gewalt anzuwenden, um Sicherheit im Libanon durchzusetzen. Es handelt sich demnach um eine sogenannte nicht-exekutive Mission (non executive mission), deren Ziel weder eine Überwachung des Waffenstillstandes zwischen Israel und dem Libanon noch die Entwaffnung der terroristischen Hisbollah-Miliz im Land ist.
Das EAD-Dokument mit dem Titel „Auf dem Weg zu einem verstärkten Engagement der EU in Sicherheits- und Verteidigungsfragen im Libanon“ wurde erstmals Mitte Dezember von den zuständigen EU-Botschaftern im sogenannten Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) in Brüssel beraten.
Bereits im Januar sollen EU-Experten in den Libanon reisen, um die Lage vor Ort zu analysieren und Erkenntnisse über die spezifischen Anforderungen an die geplante Mission zu gewinnen. Dabei geht es auch um die Frage, wo genau die Ausbildungsmission stattfinden soll.
Mandat der UN-Friedenstruppe läuft aus
Die EU-Ausbilder sollen der UN-Friedenstruppe im Süden des Libanon (UNIFIL) nachfolgen, deren Mandat am 31. Dezember 2026 ausläuft und nicht mehr verlängert werden wird. An der sogenannten Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon waren bisher zeitweilig bis zu 15.000 Soldaten beteiligt.
Sie sollen den Frieden im Südlibanon überwachen und laut UN-Resolution 1701 dafür sorgen, dass südlich des Flusses Litani außer den Blauhelmsoldaten und dem libanesischen Militär keine bewaffneten Einheiten agieren dürfen. Die UN-Soldaten wurden in der Vergangenheit häufiger von israelischen Streitkräften beschossen, zuletzt am 25. November dieses Jahres.
EU-Diplomaten sagten, es handele sich bei der neuen EU-Ausbildungsmission „ausdrücklich nicht um eine Nachfolgemission von UNIFIL“. Die Mission habe ein anderes Ziel und wäre viel kleiner angelegt. „Wir brauchen eine realistische Erwartungshaltung. Wir müssen realistisch bleiben dabei, was wir leisten können“, hieß es weiter in europäischen Diplomatenkreisen.
Ungefährlich dürfte die geplante EU-Mission in der Konfliktregion trotzdem nicht sein. Die Ausbilder könnten künftig ein attraktives Ziel für Terrorgruppen sein, die den Friedensprozess im Libanon zu sabotieren versuchen.
Christoph B. Schiltz ist Korrespondent in Brüssel. Er berichtet unter anderem über Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU, die europäische Migrationspolitik, die Nato und Österreich.
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