• CDU und AfD verhindern in Kommunen Projekte zur Demokratie- und Jugendarbeit – Betroffene kritisieren die Zusammenarbeit.
  • Die CDU sieht kein Problem in den Entscheidungen.
  • Kritiker warnen vor den Folgen angesichts des Rechtsextremismus

Auch Monate danach ist Annegret Junger noch enttäuscht. Die 18-Jährige hatte sich zusammen mit vielen anderen Jugendlichen in Salzwedel dafür engagiert, in ihrer Stadt ein Jugendforum einzurichten. Doch im Frühjahr stimmten im Stadtrat CDU und AfD gegen das Projekt: "Das ist dadurch auch geplatzt. Und das wäre super gewesen, das hier zu haben, einfach die Möglichkeit für Jugendliche, sich zu engagieren." Denn es gebe Jugendliche, die sich engagieren wollten und dazu auch Möglichkeiten bräuchten.

Schülerinnen und Schüler sollten in dem Forum lernen, wie Politik funktioniert. 140.000 Euro hätte es jährlich vom Bundesfamilienministerium dafür gegeben. Organisieren sollte das Forum ein Verein, der sich gegen Rechtsextremismus engagiert. Doch für die CDU steht der Verein "sehr weit links".

Annegret Junger ärgert das: "Einfach, weil sie in dem Moment mit der AfD zusammen gearbeitet haben. Dieses Zusammenarbeiten mit rechtsextremen Parteien – weil die AfD in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuft ist –, ist ziemlich problematisch, wenn man eine Demokratie hat, die man schützen sollte."

Ähnliche Fälle im Landkreis Bautzen und in Kahla

Ähnliches geschah auch schon andernorts, zum Beispiel im Landkreis Bautzen und im thüringischen Kahla. Den wohl drastischsten Fall erlebte Wurzen: Dort lehnte die Mehrheit aus CDU und AfD im Stadtrat gleich zweimal Fördermittel für die Arbeit des Netzwerks für Demokratische Kultur ab. Selbst dann noch, als Bürgerinnen und Bürger Spenden für den städtischen Eigenanteil gesammelt hatten. Begründung: Das Netzwerk sei politisch nicht neutral.

Die Frage ist, ist das legitim, dass ein Rat so abstimmt, und das ist es.

Rico Anton, CDUStellvertretender Parteivorsitzender

Eine Haltung, die sich nicht nur auf lokaler, sondern auch auf höherer Ebene in der CDU widerspiegelt. Brauchen wir Demokratieprojekte überhaupt? Selbst Sachsens CDU-Vize Rico Anton beantwortet diese Frage nicht eindeutig mit Ja: "Die Frage ist, ist das legitim, dass ein Rat so abstimmt, und das ist es. Also das, was dort passiert ist, verstößt aus meiner Sicht nicht gegen die Regelungen oder die Beschlüsse, die wir uns in unserer Partei gegeben haben. Insofern verbietet sich das sogar, dass in so ein spezielles Thema dort eine Ratsentscheidung, die im Kontext mit der politischen Willensbildung in der Stadt Wurzen stattfindet, dass man in diese von außen eingreift."

Antworten auf den Rechtsextremismus geben

Es gehe nicht darum, von außen auf Stadträte einzuwirken, sagt Timo Reinfrank. Der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung wünscht sich vielmehr, dass die CDU auf lokaler Ebene mit Kritik direkt auf die Träger von Demokratieprojekten zugeht. Reinfrank beobachtet eine gefährliche Entwicklung – und wirft Teilen der CDU vor, den demokratischen Konsens in Frage zu stellen: "Wir dürfen auch nicht vergessen, dass diese Programme ja in der Entstehung ihre Berechtigung gehabt haben und auch immer noch haben. Es geht ja nicht nur darum, das bürgerschaftliche Engagement vor Ort zu stärken, (…) sondern wir brauchen ja auch Antworten auf richtig harten Rechtsextremismus."

Die Spenden, die die Bürger in Wurzen gesammelt hatten, muss die Stadt übrigens nun zurück überweisen. Das Netzwerk für Demokratische Kultur hat also nichts von ihnen. Eine Sprecherin sagte MDR AKTUELL am Telefon, dass fast alle Veranstaltungen zur Kultur- und Demokratiebildung im kommenden Jahr wohl ausfallen werden.

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