Der frühere FDP-Vorsitzende und Bundesfinanzminister Christian Lindner rechnet nach seinem Abschied aus der Politik scharf mit Bundeskanzler Friedrich Merz und der aktuellen schwarz-roten Bundesregierung ab. Er fühle sich auf internationaler Ebene von Merz „habituell ordentlich repräsentiert“. Er habe zudem den Eindruck, dass der Kanzler „persönliche Beziehungen aufbauen kann“, sagte Lindner in einem Interview mit dem TV-Sender ntv. Innenpolitisch jedoch fällt sein Urteil deutlich härter aus.

Besonders kritisch sieht Lindner, dass Merz zentrale Versprechen nicht einhalte. „Was er angekündigt hat, liefert er nicht“. Stattdessen mache er „sogar das Gegenteil dessen, wovon er über Jahrzehnte gesagt hat, dass es im überragenden Interesse des Landes wäre.“

Aus Lindners Sicht ist die Kanzlerschaft von Merz vor allem durch neue Schulden geprägt, nicht durch Reformen. Er habe nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett darauf gehofft, Deutschland eine Chance auf einen politischen Neuanfang bekäme. Nun stelle er jedoch fest: „Der Neuanfang bleibt aus.“ Stattdessen gelte: „Wir haben Merz-Schulden, aber keine Merz-Reformen.“

Gleichzeitig lobte Lindner die Migrationspolitik von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) als richtig und konsequent und bescheinigte auch Wirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) inhaltliche Klarheit, verwies jedoch darauf, dass ihr dafür mitunter die politische Rückendeckung fehle.

Das war sein größter politischer Fehler

Besonders drastisch sind aus Lindners Sicht die Folgen für die Wirtschaft. Er sagt, „stattdessen steigen Staatsquote und staatliche Lenkung zulasten der Marktwirtschaft“. Das Tragische sei, dass die „Koalition genau da weitermacht, wo die Ampel aufgehört hat.“ Am Ende des Jahrzehnts, warnt Lindner, werde ein erheblicher Teil des Bundeshaushalts allein für den Schuldendienst benötigt. „Am Ende dieses Jahrzehnts werden wir einen hohen Anteil des Bundeshaushalts für Zinsen aufwenden.“

Auch die europäische Schuldenpolitik kritisiert Lindner mit Blick auf den 90-Milliarden-Euro-Hilfskredit für die Ukraine, der vom EU-Haushalt abgesichert wird, scharf. „Durch die Vergemeinschaftung der Schulden geht über kurz oder lang die fiskalische Disziplin verloren“. Hätte er selbst als Finanzminister so gehandelt, wäre die Reaktion der Union eindeutig gewesen. „Wenn ich das gemacht hätte als Finanzminister, die Union hätte gefordert, dass ich geteert und gefedert werde. Und zwar zu Recht.“

Als größten politischen Fehler bezeichnete er dann auch, „nach dem Urteil des Verfassungsgerichts über die 60 Milliarden Euro während der Ampelzeit nicht entschieden eine Neuverhandlung des Koalitionsvertrages gefordert zu haben“.

„Die Wahrscheinlichkeit geht gegen null“

Neben der politischen Abrechnung beschreibt Lindner ausführlich sein neues Leben nach dem Politik-Aus. Eine zentrale Rolle spielt dabei seine Familie. Lindner sagt, „ich bin 2025 Vater geworden und das ändert alles“, und erklärt weiter, dies verändere „wie man Dinge sieht, was man sieht und den Blick aufs Leben“. Der Einschnitt sei eindeutig gewesen: „Fast trivial zu sagen: Alles wurde in diesem Jahr ab April anders.“

Die neue Rolle als Vater habe ihn auch politisch nicht milder, sondern langfristig sogar konsequenter gemacht. Lindner sagt, „was die ganz langfristige Ausrichtung von Politik angeht, habe ich mich eher noch radikalisiert“, und präzisiert: „Staatsverschuldung, nachhaltiges Haushalten, so was.“

Auf die Frage nach einem möglichen Comeback sagt er, „die Wahrscheinlichkeit geht gegen null“. Er habe keine offene Wunde aus seiner politischen Zeit und erklärt: „Meine Leidenschaft für Gestaltung lebe ich nun im Unternehmertum aus.“ Zum Jahreswechsel wechselt Lindner in die Wirtschaft und übernimmt eine Führungsrolle beim Autohauskonzern Autoland. Er sei „mit voller Energie Politiker“ gewesen, „dieselbe Energie investiere ich nun in meine beruflichen Tätigkeiten“.

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