- UK und USA geben der Anti-Transbewegung mit neuen Verordnungen Aufwind.
- Trans-Rechte und Frauen-Rechte werden laut dem Bundesverband Trans gegeneinander ausgespielt.
- Es gibt weltweit 15 Staaten, die trans- und nicht-binäre Personen explizit kriminalisieren.
Wenn es um die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen geht, zählt in Großbritannien das biologische Geschlecht, nicht das soziale Geschlecht. Das hat das oberste Gericht des Landes Mitte April entschieden.
Transfrauen dürfen deshalb zum Beispiel nicht mehr am Frauenfußball in England teilnehmen. Das entschied der englische Verband FA und soll vom 1. Juni an gelten. Einem Bericht des britischen Nachrichtensenders Sky News zufolge gibt es in England keine Transfrauen, die professionell Fußball spielen. Im Amateurbereich seien etwa 20 Spielerinnen betroffen.
Urteil in UK zu Trans-Sein
Das Urteil gilt als weitreichend, auch bei der Frage, ob Transfrauen bei Frauenquoten als Frauen gezählt werden, und ob sie Orte wie Damenumkleiden benutzen dürfen oder von lesbischen Gruppen ausgeschlossen werden können. Der Vorsitzende Richter Patrick Hodge sagte, das Urteil sei kein umfassender Sieg für die eine oder die andere Seite und bedeute nicht, dass Transmenschen nicht umfassend vor frauenfeindlicher Diskriminierung geschützt wären.
Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans ist von dieser Entwicklung nicht überrascht: "Wir beobachten in UK seit Jahren einen sehr vergifteten Diskurs, wenn es um das Thema Transgeschlechtlichkeit geht. Es werden sehr regelmäßig Frauenrechte und Transrechte gegeneinander ausgespielt."
Im Urteil aus Großbritannien würden Narrative und Mythen bedient, sagt Hümpfner. "Es wird behauptet, Transfrauen seien eine Gefahr für Cis-Frauen, also Frauen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das nach der Geburt eingetragen wurde." Das sei falsch.
Konservative Kräfte gewinnen an Macht
Was bedeutet das Urteil für Deutschland? Diese Frage beantwortet Jacob Bloomfield von der Universität in Konstanz im Interview mit MDR AKTUELL. Bloomfield forscht am Zukunftskolleg als Historiker zu Gender und Sexualität: "Im gesamten Westen erleben wir einen Rückzug, wenn es um Transgender-Rechte und -Inklusion geht. Vermeintlich sozialliberale Politiker schweigen zunehmend oder wiederholen sogar konservative Argumente zu Transgender-Themen." Das sei vor zehn Jahren noch seltener vorgekommen.
Die kürzliche Verabschiedung des deutschen Selbstbestimmungsgesetzes war ein Lichtblick inmitten des internationalen Rückzugs in Sachen Trans-Rechte, sagt Bloomfield weiter. "Man fragt sich jedoch, ob linke Parteien angesichts des Aufstiegs des Gender-Konservatismus in naher Zukunft bereit sein werden, politisches Kapital im Namen der Trans-Rechte zu investieren."
Das bestätigt auch Georgine Kellermann. Sie ist eine der bekanntesten trans Frauen in Deutschland. Die Journalistin und Autorin hatte mit über 60 Jahren ihr Coming out als trans und hat ein Buch über ihren Lebensweg geschrieben. Sie sagt, dass vor allem der Pride-Month in der aktuellen Zeit immer wichtiger werde: "Weil wir einen wahnsinnigen Backlash erleben. Politische Kräfte, die marginalisierten Gruppen und queeren Menschen ihre Existenz nehmen wollen, gewinnen an Macht."
Rechte von Transgender in Deutschland
Es sei zwar nur eine kleine Gruppe, die Transmenschen ablehne, die allerdings sehr laut und durchaus finanzstark sei, sagt Kellermann und fügt an: "Lasst uns cool bleiben, trotz allem. Und lasst uns auf den kommenden Paraden, egal wo, zeigen, wer wir sind und dass wir niemandem etwas tun."

"Die ganzen Schreckensszenarien, die von Kritikern vom Selbstbestimmungsgesetz aufgemacht wurden, sind nicht eingetreten. Frauen sind nicht unsicherer in Deutschland. Es gibt keine Übergriffe, die sich auf das Selbstbestimmungsgesetz zurückführen lassen", betont ebenso Hümpfner.
EMMA-Autorin Chantal Louis spricht sich hingegen dafür aus, dass das Selbstbestimmungsgesetz wieder abgeschafft wird. Das sagt die Journalistin im Gespräch mit MDR AKTUELL kurz nach Bekanntwerden des Urteils aus Großbritannien.
Selbstbestimmungsgesetz wird evaluiert
"Wir hoffen sehr, dass wir in Deutschland nie an diesen Punkt kommen, wie wir das gerade in den USA und in UK beobachten", sagt Kalle Hümpfner. Gemeint sind unter anderem die transfeindlichen Gesetzesinitiativen, die es seit Jahren in den USA gibt. Der wiedergewählte Präsident Trump gebe der Strömung wieder Aufwind.
Im aktuellen Koalitionsvertrag von Union und SPD wurde geregelt, dass das Gesetz evaluiert werden soll. Befürchtungen, dass das Gesetz wieder abgeschafft werden soll, haben sich nicht bewahrheitet. Dennoch sei der Koalitionsvertrag der neuen Regierung als Stillstand hinsichtlich Queerness und Transgender einzuschätzen, meint Hümpfner: "Das ist ein Problem, weil wir eigentlich noch viele Vorhaben umsetzen müssten, damit die Benachteiligung und Diskriminierung gegenüber LSBTIQ-Personen (Lebisch, Schwul, Bi, Trans, Inter, Queer) abgebaut wird."
Was Trumps Dekrete und neue Einreisebestimmungen in die USA angeht, macht sich Georgine Kellermann das erste Mal seit vielen Jahren Gedanken darüber, ob ihre Reisen wie geplant stattfinden können. "Aber ich werde trotzdem fahren", sagt sie. Sie fühle sich, trotz der globalen Entwicklungen, überall dort wohl, wo sie sich aufhalte.
15 Staaten kriminalisieren Transgeschlechtlichkeit
Laut dem Lesben- und Schwulenverband (LSV) gibt es weltweit 15 Staaten, die trans- und nicht-binäre Personen explizit kriminalisieren. Dies geschieht meist über sogenannte "Crossdressing-Gesetze", die es Personen verbieten "sich als das andere Geschlecht auszugeben".
Trans und nicht-binäre Menschen und alle, die als solche wahrgenommen werden, sind in diesen Ländern dem Risiko ausgesetzt, verhaftet und strafrechtlich verfolgt zu werden: Brunei, Gambia, Indonesien, Jordanien, Kuwait, Libanon, Malawi, Malaysia, Nigeria, Oman, Südsudan, Tonga und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Zusätzlich wird der Iran genannt, dessen Islamic Penal Code zwar etwas vager formuliert sei, jedoch genauso schwere Konsequenzen für Personen habe, die die vorherrschenden Geschlechternormen überschreiten würden. Seit 2023 werden trans Menschen auch in Russland kriminalisiert.
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